Spanien will Atomkraft in Europa erhalten

AKWs für die Einhaltung des Kyoto-Abkommens

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Schon lange zeigt die spanische Vizepräsidentin der EU-Kommission ihre Begeisterung für Atomkraftwerke, doch bisher ist sie noch nie so weit gegangen wie gestern in Pamplona. Auf der Abschlusspressekonferenz des Treffens der Energieminister stellte Loyola de Palacios eine Verknüpfung zwischen Atomenergie und dem Protokoll von Kyoto her, die in Europa längst überwunden schien: "Entweder wir wollen Kyoto umsetzen und behalten die Kernenergie bei oder wir verzichten auf Kyoto und auf die Kernenergie, so einfach ist das."

Die Atomfreundin Palacios fuhr damit fort, dass die man dies der Bevölkerung in aller Bestimmtheit erklären müsste: "Alles andere ist unverantwortlich und ich glaube es hat unglaubliche Konsequenzen in der Zukunft.“

In Pamplona hatten am Samstag 12.000 Menschen für eine Energiewende demonstriert, obwohl die Polizei bereits am Freitag eine Demonstration gewaltsam aufgelöst hatte. Von den Protesten und dem Gegenkongress zeigte sich Palacios unbeeindruckt und erklärte, dass die erneuerbaren Energien erst längerfristig bedeutsam werden. Seltsam ist freilich, dies ausgerechnet in Pamplona zu sagen. Bis 2005 sollen in der Provinz Navarra 97 Prozent ihrer elektrischen Energie mit Wind- und Wasserkraft erzeugt werden. Insgesamt werden hier jetzt schon etwa 60 Prozent des gesamten Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien erzeugt, obwohl die Solarenergie noch nicht groß genutzt wird. Auch in Navarra, scheint, wie in großen Teilen Spaniens, die Sonne fast täglich.

So ist es kein Wunder, dass die Umweltschutzorganisation Greenpeace sofort ihre Stimme gegen Palacios erhoben hat. Die Organisation forderte die Vizekommissionspräsidentin auf, sie solle falsche Verlautbarungen über die Nuklearenergie sein lassen. José Luis Garcia, verantwortlicher der Klimapolitik von Greenpeace Spanien erklärte gegenüber Radio Euskadi: "Die Aussagen von Loyola de Palacios vertreten klar die Interessen der Nuklearindustrie und verzerren die Realität." Garcia fügte an, dass auf dem Gipfel im Juli 2001 explizit jede Verknüpfung von Klimaschutzzielen und Atomenergie ausgeschlossen worden sei.

Palacios macht sich zur Stimme der Atomlobby, die seit Monaten über das spanische Forum für Nuklearenergie Druck macht, dass neue Atomkraftwerke gebaut werden können. Der Interessensverband der AKW-Betreiber fordert zudem die Laufzeit der bestehenden Meiler um 20 Jahre zu erhöhen. Doch die sind zum Teil in furchtbarem Zustand, wie selbst der Rat für Reaktorsicherheit (CSN) bestätigt hat. Im Fall des südspanischen Meilers Zorita erklärte die CSN-Präsidentin María Teresa Estevan Bolea, er sei "alt, obsolet, weise Fehler auf“.

Dieser Reaktor war Ziel einer Aktion am Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl. Erstmals war es Aktivisten der Organisation gelungen, für fünf Stunden ein AKW zu besetzen und die sofortige Abschaltung des Reaktors zu fordern. Temporär ist dies mit der Aktion schon gelungen. Dabei trafen die Umweltaktivisten nur auf den Widerstand eines einzigen Wachmanns. Der hatte vergeblich versucht, die Aktivisten aus verschiedenen Ländern, auch aus Deutschland, mit einem Schuss in die Luft und dem Ruf: "Alle auf den Boden" abzuhalten. Warum also sollte jemand versuchen, einfache Atombomben zu bauen, wie gerne über angebliche Al-Qaida-Pläne spekuliert wird, wenn AKWs weitegehend ungeschützt sind?

Nach Ansicht von Greenpeace müsse der hochgefährliche Reaktor in Zorita abgeschaltet werden, weil "die Sicherheitsnormen nicht erfüllt“ und wie andere Meiler in Osteuropa auch "technisch nicht nachzurüsten“ sei. Doch das kann sich die spanische Regierung nicht erlauben, weil ihre fatale Energiepolitik schon jetzt die Versorgung nicht gewährleistet. Vor allem im Süden kommt es ständig zu Stromausfällen. Deshalb musste schon der von Störfällen geplagte Meiler von Santa Maria de Garoña am Netz bleiben. Einst für 25 Jahre geplant, läuft er schon über 30 Jahre.

Interessant ist deshalb noch ein weiterer Vorstoß von Palacios am Wochenende in Pamplona. Sie bestätigte eine Initiative mehrerer Länder, die über die Harmonisierung von Kontrollmechanismen die Beitrittskandidaten zur Abschaltung von Atommeilern zu zwingen will. "Es wird keine Übergangszeiten geben”, um die Normen für Reaktoren zu erreichen, die mit der “europäischen Technik nicht vereinbar und nicht modernisierbar sind”, fügte Palacios an. Dass Spanien und Österreich hinter diesen Vorstellungen stecken, ist leicht zu erraten.

Erneut scheint eine Parteigängerin der konservativen spanischen Volkspartei (PP), die Interessen der Madrider Regierung mit den Interessen der EU zu verwechseln. Die wegen ihrer Nähe zu Betrügereien mit EU-Subventionsgeldern umstrittene Kommissarin hatte zwar vorausgeschickt, das sei nur "ihre Meinung“. Doch was hat ihre private Meinung auf einer offiziellen Pressekonferenz am Ende einer EU-Konferenz zu suchen, auf der es um die Frage der Energieversorgung ging? Dass sich hinter dem Vorstoß von Palacios mehr verbirgt, ergibt sich auch daraus, dass ihr sofort Donald Johnston, der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), beigesprungen ist: "Es ist wichtig die Vorteile der Nuklearenergie zu beachten. Es ist eine ökonomische Ressource mit geringsten umweltbelastenden Auswirkungen.".