Spanischer Ex-König flüchtet vor Korruptionsermittlungen
Spannungen in der Linksregierung steigen, da der Vorgang mit den Sozialdemokraten ausgehandelt war. Forderungen nach einem Referendum über die Rückkehr zur Republik werden lauter
Es war ein offenes Geheimnis, dass sich der frühere spanische Staatschef Juan Carlos ins Exil absetzen wollte, um den Ermittlungen wegen Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu entgehen. Darüber hatte Telepolis schon am 22. Juli berichtet. Deshalb war es jetzt nur noch ein scheinbarer Paukenschlag, als gestern das Königshaus darüber informierte, dass Juan Carlos, "sich in diesen Momenten ins Ausland" begeben würde.
In dem vom Königshaus veröffentlichten Brief an seinen Sohn Felipe macht Juan Carlos deutlich, dass es ihm vor allem um die Rettung der vom Diktator Franco restaurierten Monarchie geht. Der Putschist hatte ihn kurz vor seinem Tod als seinen Nachfolger und als Staats- und Militärchef ernannt und alles "sehr gut festgezurrt", wie Franco damals gesagt haben soll. Juan Carlos will "angesichts der öffentlichen Auswirkungen, die gewisse vergangene Ereignisse verursachen", seinem Sohn die "Ausübung deiner Funktionen erleichtern".
Er habe stets "das Beste für die Krone und Spanien gewollt", meint er. Dass Juan Carlos in der Familie angeblich "seit längerer Zeit in Ungnade gefallen" sei, wovon die Süddeutsche Zeitung fabuliert, davon kann keine Rede sein. Sonst hätte das Königshaus diesen Brief nie auf der offiziellen Webseite veröffentlicht und noch weniger mit dem Hinweis darauf, dass Felipe "Respekt und Dank vor dieser Entscheidung" seines Vaters zeigt, der zudem dessen "historische Bedeutung" herausstreicht.
Wo sich Juan Carlos aufhält, darüber herrscht Schweigen im Königshaus. Auch die Regierung, die in den gesamten Vorgang eingebunden ist, schweigt sich dazu aus. Es ist für die gesamte linke Opposition ein Skandal, dass sich der ehemalige Staatschef mit Unterstützung der Sozialdemokraten (PSOE) und all seinen Millionen absetzen konnte, obwohl Ermittlungen gegen ihn auch in Spanien laufen.
Diverse Parteien haben nun im Parlament beantragt, dass Vize-Ministerpräsidentin Carmen Calvo im Kongress erklären müsse, worüber mit dem Königshaus verhandelt wurde. Man werde weiter daran arbeiten, alle Vorgänge und Hintergründe aufzuklären, twitterte die Baskin Mertxe Aizpurua. Die Katalanin Laura Borras will erfahren, wie die Regierung an der "Flucht-Operation" beteiligt war. Diverse Medien, darunter auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen TVE hatten berichtet, dass sie die Verhandlungen führte.
Gräben innerhalb der Regierung
Es bricht nicht nur erneut der Graben zu Parteien auf, die die Regierung von Pedro Sánchez im Januar erst ermöglicht haben, sondern auch in der Regierungskoalition selbst. Die Linkskoalition Unidas Podemos (Gemeinsam können wir es/UP) ist entsetzt. Sie spricht von einer "Flucht" von Juan Carlos. Der dankte 2014 angesichts seiner Skandale ab und übergab den Thron an seinen Sohn Felipe. Die rechte Volkspartei (PP) und die PSOE hatten extra eilig ein Abdankungsgesetz durchs Parlament gepaukt, um das zu ermöglichen.
Abgewürgt wurde damit zunächst auch von den Sozialdemokraten, die sich stets als Anhänger einer Republik zu verkaufen suchen, die Forderung, dass die Bevölkerung endlich über die Rückkehr zur Republik abstimmen müsse. Doch die sozialdemokratischen Monarchisten haben daran kein Interesse. Mit allen Mitteln versuchen sie auch weiterhin, die Monarchie zu retten. Mit den Rechtsparteien stemmten sie sich sogar in drei Fällen im Parlament gegen das Ansinnen, die dunklen Geschäfte von Juan Carlos mit einem Untersuchungsausschuss zu überprüfen.
Nun spricht die PSOE und die von ihr geführte Regierung vom "Respekt vor den Entscheidungen des emeritierten Königs" und meint sogar, dessen Verhalten "stärkt die Monarchie". Die Sozialdemokraten bescheinigen Felipe nun "Mustergültigkeit und Transparenz". Dabei ist längst klar, dass der Sohn von den krummen Geschäften des Vaters gewusst haben muss. Er war als Erbe von Fonds und Stiftungen in Steuerparadiesen registriert, verzichtete aber erst kürzlich angesichts des steigenden Drucks darauf und ging gespielt auf Distanz zum Vater.
Aber Felipe profitierte auch direkt von Geldern, die Juan Carlos zum Beispiel aus Saudi-Arabien mutmaßlich als Schmiergelder erhalten hat, wie die Schweizer Ermittler glauben. 100 Millionen Dollar bekam Juan Carlos im Zusammenhang allein mit dem Bau der Schnellbahnstrecke. Unter anderem bezahlte der Vater die Hochzeitsreise von Felipe, die eine halbe Million Euro kostete, zu einem guten Teil, die zweite Hälfte kam von einem befreundeten Unternehmer.
Die Widersprüche in der Regierungskoalition könnten derzeit kaum größer sein. UP-Führer und Vizepräsident Pablo Iglesias erklärte zum Beispiel, dass die Flucht für einen ehemaligen Staatschef unwürdig sei und die Monarchie in eine schwierige Lage bringe. Der Versuch, Straflosigkeit für einen ehemaligen Staatschef angesichts der mutmaßlich schweren Verbrechen zu erreichen, beschädige die Demokratie stark. "Die Regierung kann nicht wegschauen und noch weniger Verhaltensweisen begrüßen oder rechtfertigen, die die Würde einer wichtigen Institution wie die Staatsführung untergraben und einen Betrug an der Justiz darstellen", twitterte Iglesias weiter.
Seine Freundin und Gleichstellungsministerin Irene Montero kritisiert, dass auch UP nicht von den Sozialdemokraten in die Vorgänge eingeweiht wurde. Sie erklärt: "Spanien lässt keine weitere Korruption und Straflosigkeit mehr zu." Die Realität sieht aber leider ganz anders aus. UP forderte sogar die eigene Regierung auch auf, Juan Carlos Flucht zu verhindern. Das ging natürlich ins Leere, denn der hatte das Land zu diesem Zeitpunkt längst verlassen.
Portugal?
Wo er sich nun aufhält, ist unklar. Berichtet wird, dass er sich über Portugal in die Dominikanische Republik abgesetzt haben soll. Portugiesische Medien berichten dagegen, er halte sich im portugiesischen Estoril nahe Lissabon auf. Dort hatte er schon seine Jugend verbracht, bevor ihn der Diktator Franco ins Amt hob. Bleiben wird er in Portugal sicher nicht.
Juan Carlos wird sein Exil vermutlich in einem Land verbringen, mit dem kein Auslieferungsabkommen mit der Schweiz besteht. Denn von den Ermittlungen dort geht die reale Gefahr für ihn aus. Juristische Konsequenzen sind in Spanien für ihn von Seiten einer politisierten Justiz nicht zu erwarten, die stets die "Unantastbarkeit" des Königs betont hat.
Einige Zeitgenossen gehen davon aus, dass die Ermittlungen am Obersten Gerichtshof nur begonnen wurden, um das Verfahren aus Spanien kontrollieren zu können, nachdem die Schweiz Ermittlungen gestartet hatte.
Das Referendum
Klar ist, dass nun die Debatte um ein Referendum richtig anlaufen wird und die die Linksregieregierung sprengen könnte. UP steht nun unter massivem Druck der Basis, dies nun auf die Tagesordnung zu setzen. Dass die Partei für ihre ständigen Zugeständnisse gegenüber der PSOE gerade massiv bei Wahlen im Baskenland und Galicien abgestraft wurde, erhöht den Druck weiter.
Zwar drücken sich Iglesias und Montero noch um die Frage herum, doch die dritte Vizeministerin der Regierung fordert längst offen das Ende der Monarchie. Gloria Elizo, die auch im Parlamentspräsidium sitzt, erklärt: "Die einzige Möglichkeit, um Juan Carlos und Felipe von der Staatsführung abzutrennen, ist ein Referendum und das Abdanken von Felipe VI."