Spinat oder schlimmer: Veganismus als Kasteiung

Über das Verschwinden der Mehlspeisen

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Seit gut einer Woche erregt ein Wahlprogrammpunkt der Grünen spätes Aufsehen: Die Forderung, dass öffentliche Kantinen als "Vorreiter" an Donnerstagen nur "vegetarische oder vegane" Speisen anbieten sollen. An diesem Vorschlag fällt auf, dass man nicht den traditionell fleischfreien Freitag als "Veggie Day" auswählte. Oder den Mittwoch, der strenggläubigen Katholiken ebenfalls als Fasttag gilt.

Die offizielle Begründung dafür bleibt die Partei schuldig. Eine mögliche Erklärung wäre, dass man die Bürger nicht zu sehr auf Ähnlichkeiten zur katholischen Kirche aufmerksam machen will, die in ihrem Herrschaftsbereich das Fleischverbot an Freitagen lange konsequent durchsetzte. Das hat sich erst seit den 1960er Jahren geändert. Ganz vom Tisch ist das Verbot aber noch nicht: Gläubige Katholiken sind auch jetzt noch angehalten, an diesen Wochentagen auf etwas zu verzichten, was ihnen Freude bereitet.

Kaiserschmarrn mit Zwetschgentauch. Foto: Martina Malzer. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Dass die Kirche das Fleischverbot in ein allgemeines Verzichtsgebot änderte, hat möglicherweise auch damit zu tun, dass kreative Köche über die Jahrhunderte hinweg Speisen entwickelt hatten, die durchaus wohlschmeckender sind als viele Fleischgerichte. Die meisten davon sind sogenannte Mehlspeisen: Kaiserschmarrn, Apfelstrudel und Dampfnudeln kennt man davon heute noch. Aber viele andere sind nicht nur aus den Küchen und Kantinen, sondern auch von den meisten Speisekarten verschwunden: Um Erdäpfelmaultaschen zu kosten, muss man heute eine Pilgerreise zum Geburtsort Josef Ratzingers machen, und Hollerkücherl werden in Bayern nur noch in Ortschaften mit einem gewissen Fremdenverkehrsaufkommen serviert.

Hollerkücherl

Warum gerieten solche Speisen in Vergessenheit, obwohl sie ausgesprochen gut schmecken? Eine Erklärung dafür wäre, dass es einem bedeutenden Teil der Personen, die heute kein Fleisch essen, gar nicht um mehr, sondern um weniger Genuss geht - beziehungsweise um einen "perversen" Genuss zweiter Ordnung, den sie sich durch eine Selbstkasteiung und einen damit verbundenen Distinktionsgewinn bereiten. Darauf, dass diese Gruppe auch beim grünen "Veggie Day" eine gewisse Rolle spielt, deutet der explizite Verweis auf "vegane" Speisen im Wahlprogramm und in einem Beschluss der Bundestagsfraktion hin. Für "vegane" Speisen dürfen nämlich weder Eier noch Milch und Milchprodukte oder Honig verwendet werden, weshalb alle oben aufgeführten wohlschmeckenden Mehlspeisen tabu sind. Was dann noch übrig bleibt - zum Beispiel Spinat (ohne Rahm), Hefeschmelz (als Käseersatz) oder veganer Leberkäs - bereitet vielen Menschen (vorsichtig formuliert) nur bedingten Gaumengenuss.

Für Ernährungswissenschaftler wie Ulrike Gonder ist der Veganismus eine Ideologie, die verkennt, dass zwei Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche auf der Welt zur Viehhaltung und nicht zum Ackerbau taugt. Eigentlich, so Gonder, dürften Veganer auch keine Bio-Produkte essen - denn diese müssen ja statt mit Kunstdünger mit Mist gepäppelt werden, für den wiederum die Viehzucht notwendig ist. Viele Veganer ficht so etwas allerdings genauso wenig an wie ihre historischen Vorläufer.

Nahrungsverzichtsbewegungen gab es nämlich auch vor ihrem Erscheinen. Darunter zum Beispiel den Nürnberger Apotheker August Engelhardt und seine Kokovoristen, die LA Nature Boys, die eine Diät aus Obst und Gemüse mit Nudismus und Vorstellungen von der Überlegenheit einer "arischen Rasse" kombinierten, oder die "Makrobiotiker", die in den 1970er Jahren als "Körnerfresser" bekannt wurden.

Ebenso wie die Veganer heute behaupteten auch die historischen Essensreformbewegungen, dass ihr Speiseplan gesünder mache und dass das, was schmeckt, krankheitsfördernd sei. Die Realität widerlegte dies teilweise auf tragische Weise: Auf der von den Kokovoristen 1902 besiedelten Südseeinsel Kabakon fielen alle die Siedler ernährungsbedingten Mangelerscheinungen zum Opfer oder verließen die Kolonie, bevor es dazu kam.

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