Sprache der Verdinglichung

Seite 4: Angst wird in Hass transformiert

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Die Rechte praktiziert damit genau das, was sie schon immer in Krisenzeiten gemacht hat: Sie transformiert die in der Bevölkerung krisenbedingt aufkommende Angst in Hass - gegen Gruppen, die zu Personifikationen der unverstandenen Krisendynamik gerinnen. Gestern waren es Griechen und Südeuropäer, heute sind es Flüchtlinge, morgen ist es eventuell wieder der Jude. Deutschlands Halb- und Vollnazis laden die Ängste mit Hass und Irrationalität auf, doch sind diese Ängste selbst keineswegs reine Chimären.

Die irreversible systemische Krise des Spätkapitalismus hat einen Reifepunkt erreicht, der sie selbst in den erodierenden Zentren kaum noch übersehbar macht (von einigen duchgeknallten Forentrolls abgesehen). Die reihenweise in der Peripherie scheiternden Staaten, die um sich greifenden Bürgerkriege vor Europas Haustür, die eskalierenden geopolitischen Spannungen, die mühsam mit widerlichen geopolitischen Deals eingedämmte Flüchtlingskrise - sie sedimentieren im kollektiven Unbewussten der spätkapitalistischen Metropolengesellschaften zu der alles erstickenden Angst, die in rechtsextremer Ideologie und Praxis ein irrationales Ventil findet. Und der nächste Krisenschub auf den mittels Liquiditätsschwemme überhitzten Finanzmärkten kommt bestimmt.

Und gewissermaßen sind die rechten Internettrolle sogar weiter als die neoliberalen Apologeten in den Redaktionsstuben, die sich über sie empören. Der Erfolg des amerikanischen, europäischen wie deutschen Präfaschismus beruht gerade darauf, dass diese Krisenverwerfungen zumindest dumpf wahrgenommen und in entsprechende Krisenideologien eingebaut werden - während der neoliberale Medienmainstream aller Evidenz zum Trotz so tut, als ob es ewig so weitergehen könnte wie bisher. Der berüchtigte "Angstmob" von Clausnitz etwa hat die dumpfe Ahnung der kommenden Verwerfungen dem neoliberalen Mainstream voraus. Mit den debilen rechtsextremen Rufen nach einer Abriegelung der Grenzen soll ja letztlich die Krise "draußen" gehalten werden.

Die Ängste dieser Menschen ernst nehmen, hieße somit, ihnen zu sagen, was Sache ist: dass sie angesichts der eskalierenden Krisendynamik wohlbegründet sind. Die Angst muss daher klar benannt und der theoretischen Reflexion zugeführt werden. Es hieße für die Linke, zu einer radikalen Kritik am Kapitalismus überzugehen. Nicht, weil es aus wahltaktischen oder gar "revolutionären" Erwägungen geboten ist, sondern weil die Kategorien und Vermittlungsebenen des Kapitals in Auflösung übergehen, wie selbst ein flüchtiger Blick in die Peripherie des Weltsystems offenbart.

Es geht darum, zumindest zu versuchen, einen öffentlichen Diskurs über Alternativen zum drohenden kapitalistischen Kollaps zu initiieren. Auf die letale Krise des Kapitals müsste die Linke mit einer radikalen Suche nach grundlegenden gesellschaftlichen Alternativen antworten. Die unbewussten, ins Irrationale abdriftenden Ängste - die Triebfeder des Faschismus - könnten so der bewussten Reflexion zugeführt werden, indem die Systemkrise als deren Ursache benannt wird. Die Suche nach, der Kampf um eine Alternative zur kapitalistischen Dauerkrise würde zu einer neuen Perspektive, zu einer blanken Überlebensnotwendigkeit menschlicher Zivilisation.

In der Krise steht auch die Linke am Scheideweg: Wird der Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis gewagt oder verfestigt sich das Abdriften in Ressentiments? Es gibt kein Zurück zur "sozialen Marktwirtschaft" oder zur Wirtschaftswunderzeit. Stattdessen müsste endlich wieder nach vorn geblickt und der kategorische Bruch gewagt werden. Denn es macht einen bedeutenden Unterschied, ob der Kapitalismus an seinen inneren Widersprüchen in Barbarei kollabiert oder von einer emanzipatorischen Bewegung überwunden wird. Das hieße, die weit verbreiteten Ängste ernst zu nehmen - und an deren Überwindung in einer transformatorischen Bewegung zu arbeiten.

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