Stadtwerke: Unter Druck von zwei Seiten
Seite 2: Welche Chancen sehen die Eigner der kommunalen Betriebe?
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Da die aktuelle Preisentwicklung nicht nur die Stadtwerke sondern auch deren Eigentümer fordert, hat Telepolis die Bundesverbände der Gebietskörperschaften (Städtetag, Städte und Gemeindebund sowie Landkreistag) und mit der Thüga Aktiengesellschaft in München einen der größeren Stadtwerke-Verbünde angefragt, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen wollen.
Wie steht die Thüga aktuell zu ihren Stadtwerke-Beteiligungen?
Thüga: In der aktuell sehr herausfordernden Lage unterstützt Thüga die Partnerunternehmen intensiv im Krisenmanagement; als Nukleus des Stadtwerke-Netzwerks fördert Thüga den Austausch der Partnerunternehmen untereinander, steht den Unternehmen mit den rund 100 Fachberatern zur Seite und bringt sich intensiv in die politische Diskussion zu den Themen Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit ein. Gerade in der aktuellen Krise zeigen sich die Stärken unseres Netzwerks.
Wie werden Stadtwerke geschützt, wenn deren Kunden ihr Rechnungen nicht mehr bezahlen (können)?
Thüga: Auf Bundesebene haben Bundestag und Bundesrat inzwischen Maßnahmen zur Sicherung und Stabilisierung des Energiesystems verabschiedet – Stichworte Energiesicherungsgesetz (EnSiG), Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) etc.) –, die aus unserer Sicht im Großen und Ganzen richtig und wichtig sind.
Dazu gehört insbesondere die staatliche Absicherung der Unternehmen der Gasimportstufe (z.B. Uniper), die einen befürchteten Dominoeffekt über die Wertschöpfungskette bis hin zu unseren Stadtwerken verhindern helfen kann, sowie die Möglichkeit zur Einführung einer Umlage, mit deren Hilfe Gaspreissteigerungen durch den Bund gesteuert (Möglichkeit der Streckung über die Zeit) und gerecht auf alle Gaskunden verteilt werden können, was deutlich besser geeignet erscheint als der bislang angedachte Preismechanismus im Energiesicherungsgesetz.
Außergewöhnlich hohe Beschaffungskosten für Energie, Lieferverpflichtungen gegenüber den Kunden und mögliche Zahlungsausfälle von Gewerbetreibenden und Privathaushalten, stellen für die Stadtwerke eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Deshalb fordern wir - gemeinsam mit den Branchenverbänden BDEW und VKU - weitere spezifische, vorbeugende Schutzmaßnahmen für die kommunalen Energieversorger sowie staatliche Unterstützung für bedürftige Bevölkerungsteile.
Dazu haben wir bereits konkrete Vorschläge gemacht. Ferner unterstützen wir die vom Bundesrat am 8. Juli 2022 gefasste Entschließung, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Einführung eines Schutzschirms für die komplette energiewirtschaftliche Lieferkette zu prüfen.
Wie werden Stadtwerke geschützt, wenn Händler den Betrieb einstellen und die Verbraucher in die Grundlastversorgung fallen?
Thüga: Die Kalkulation der Grund- und Ersatzversorgung geriet insbesondere Ende 2021 durch die von den Billiganbietern ausgelöste Kündigungswelle massiv unter Druck. Grundversorger sind gesetzlich verpflichtet, die gekündigten Kunden aufzunehmen und zuverlässig weiter mit Energie zu beliefern.
Weil nun plötzlich und unerwartet in so einem Fall zusätzliche Mengen Energie für die von Discountanbietern gekündigten Kunden vom Grundversorger beschafft werden müssen, kann dieser Bedarf nicht über die bei den Stadtwerken sonst üblichen langfristigen Lieferkontingente gedeckt werden.
Diese unvorhergesehenen Mengen müssen dann am Markt kurzfristig eingekauft werden. Hier hat nun der Gesetzgeber mit der Novellierung des EnWG angesetzt und den Grundversorgern dahingehend die Möglichkeit eingeräumt, dass die Ersatzversorgung für Haushaltskunden das Preisniveau der Grundversorgung übersteigen, d. h. das aktuelle Marktniveau widerspiegeln darf. In der Ersatzversorgung aufgefangene Kunden können diese dabei jederzeit verlassen. Ein Wechsel in den Grundversorgungstarif ist allerdings erst nach 3 Monaten möglich.
Sollte es zu einer Gasmangellage kommen und ggf. weiter steigenden Preisen sollte der primäre Ansatz staatl. Stützungsmaßnahmen bei den Unternehmen der Importstufe sein, damit es zu keinen Dominoeffekten kommt. Für etwaige Preissteigerungen im Endkundenbereich halten wir die Idee eines Schutzschirms für die gesamte Lieferkette für zielführend. Auf Endkundenseite sollte der Staat bedürftigen Bürger:innen über das Steuersystem entlasten bzw. über die Sozialsysteme unterstützen.
Der Deutsche Städtetag verwies im Zusammenhang mit der Telepolis-Anfrage auf das vielfach zitierte aktuelle Deutschlandfunk-Interview mit Helmut Dedy, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, der dort sagte:
40 Prozent der Haushalte sind nicht in der Lage zu sparen (…). Ich glaube, dass eine Verdreifachung der Energiepreise für viele Haushalte das wirtschaftliche Aus wäre. Und das kann für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland nicht richtig sein.
Helmut Dedy, Interview Deutschlandfunk
Hier müsse die Bundesregierung einspringen, denn Sozialpolitik sei Aufgabe des Bundes.