Stehaufmännchen Sánchez: Blinkt gerne links und überholt dann rechts
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Von der eigenen Partei zunächst abgesägt, stieg der PSOE-Chef wie der Phönix aus der Asche wieder auf, wurde nun sogar spanischer Regierungschef und musste gerade seinen untragbaren Kultusminister schon wieder entlassen
Der Generalsekretär der spanischen Sozialdemokraten (PSOE), der gerade über einen konstruktiven Misstrauensantrag zum spanischen Regierungschef gewählt worden ist, ist ein wahres Phänomen. Anders kann man den politischen Werdegang des 46-jährigen Pedro Sánchez Pérez-Castejón nicht nennen, der auf sehr gewundenen Pfaden seinen Weg nun sogar bis an die Regierungsspitze gegangen ist. Allerdings trat erst mit vier Jahren Verspätung das ein, was Sánchez nach der Urwahl angekündigt hatte. "Heute hat das Ende von Mariano Rajoy als Regierungschef begonnen", erklärte der Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsdozent 2014 nachdem er an die Parteispitze der PSOE gewählt worden war.
Der junge weitgehend unbekannte Politiker aus Madrid hatte sich gegen den Parteilinken José Antonio Pérez und den bekannten Basken Eduardo Madina durchgesetzt und wurde von 49 Prozent der Basis zum Generalsekretär gewählt. Entscheidend war sein gewieftes Ränkespiel. Er ließ sich von eigentlichen Gegnern unterstützen. Für ihn hatte die andalusische Regionalfürstin Susana Díaz geworben, heute seine mächtigste Widersacherin. Der verheiratete Familienvater von zwei Kindern sollte sich für sie in der schwierigen Lage als Übergangskandidat verschleißen.
Erst danach wollte Díaz dann aus der PSOE-Hochburg im Süden den Marsch an die Partei- und Regierungsspitze antreten. Ihr Kalkül ging aber nicht auf, denn der ewige Nachrücker besiegte sie. Denn eigentlich kam Sánchez nur mit Glück in die Kandidatenposition. Nur als Nachrücker kam er 2013 wieder ins Parlament, da es wegen starken Stimmverlusten nicht mehr für seinen Sitz reichte. Nur als Nachrücker war er erstmals 2009 ins Abgeordnetenhaus eingezogen. Und nur als Nachrücker begann der Newcomer 2004 seine politische Karriere im Madrider Stadtrat.
Sánchez versuchte 2014 der gebeutelten PSOE wieder Selbstbewusstsein einzuhauchen. Er versprach illusorisch, sie bei den Wahlen 2015 zum Sieger über Rajoys rechte Volkspartei (PP) zu machen. Doch in der Krise hatte die PSOE unter José Luis Rodríguez Zapatero mit Einschnitten ins Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem begonnen und sogar einen Generalstreik provoziert. Zudem hatte die PSOE mit Rajoys Volkspartei (PP) erstmals die Verfassung geändert, um den Schuldendienst über alle anderen Aufgaben des Staates zu stellen.
Darüber waren Wähler und Parteilinke besonders entsetzt, viele kehrten der PSOE den Rücken zu. Wegen der aufstrebenden Protestpartei "Podemos" (Wir können es) versprach Sánchez deshalb plötzlich einen Linksruck: "Ich werde eine Führung bilden, die so links wie die Parteibasis ist." Er wollte an Protestbewegungen andocken, die unter der PSOE-Regierung entstanden und sich unter der PP-Herrschaft verstärkt hatten. Er wollte gleichzeitig Podemos begegnen, denn die schickte sich an, die PSOE als linke Kraft abzulösen.
Sturz und Wiederauferstehung
Was an seiner Basis funktionierte, ging bei Wählern schief. Die ließen sich nicht von dem hübschen Gesicht und Worten verführen. Sie erinnerten sich, dass auch Sánchez für die Schuldenbremse und für die Austeritätspolitik gestimmt hatte. Bei Wahlen fuhr er mit gut 22 Prozent sogar das schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte ein. Nachdem er im Wahlkampf links geblinkt hatte, wollte er aber nicht mit Podemos an die Regierung. Er versucht lieber rechts zu überholen und schloss einen Pakt mit den rechtsneoliberalen Ciudadanos (Bürger). Da Podemos eine Regierung aus Sozialdemokraten und neoliberalen spanischen Ultranationalisten nicht unterstützen wollte, scheiterte Sánchez beim Sturm auf dem Regierungssitz.
Nach dem zweiten Wahlgang, in dem er sein Ergebnis nur unwesentlich verbessern konnte, versuchte er es dann plötzlich mit Podemos. Dabei hatte sich die Lage für ein Linksbündnis insgesamt verschlechtert. Dagegen ging die Parteirechte, angeführt von Díaz, auf die Barrikaden, um die Versuche zu beerdigen, eine Linksregierung zu bilden. Für die Frau vom rechten Rand der PSOE ist Podemos ein rotes Tuch, weshalb sie sich in Andalusien auf die neoliberalen rechten Bürger stützt. Sánchez wurde putschartig im Oktober 2016 zum Rücktritt gezwungen. Und die PSOE verhalf, gegen alle Wahlversprechen, erneut dem Postfaschisten Rajoy an die Macht.
Erneut zeigte sich aber sein machtpolitisches Gespür. "Nein heißt Nein", machte er zum Slogan. Er zeigte sich als Opfer und gab, für viele überraschend und verrückt, sogar seinen Parlamentssitz zurück. Er zog sich aber nicht aus der Politik zurück, sondern widmete sich ganz seinem Comeback außerhalb des Parlaments. Er organisierte die parteiinterne Opposition gegen Díaz. "Am Montag werde ich ins Auto steigen und in die hintersten Ecken Spaniens reisen, um zuzuhören", erklärte er nach dem Sturz. Als Ziel gab er aus, die "PSOE, Kohärenz, interne Demokratie zurückzugewinnen, um sie zur linken Erfolgspartei" zu machen.
Sein Kalkül ging auf. Im Mai 2017 wurde er von mehr als 50 Prozent erneut zum Parteichef gewählt und deklassierte Díaz. Seither wartete er geduldig auf eine Chance. Auf Podemos-Versuche, Rajoy schnell zu stürzen, ging er nicht ein. Erst als dessen PP wegen ihres "Korruptionssystems" verurteilt wurde, stellte er den Misstrauensantrag. Die geschwächte Parteirechte wagte nun keinen Aufstand mehr, obwohl Sánchez sogar auf baskische und katalanische Parteien angewiesen war, um Regierungschef zu werden.