Steigende Mietpreise, zu wenig Neubauten: Jeder Zehnte in Deutschland hat zu wenig Wohnraum
Besonders Familien leben oft in beengten Verhältnissen, bestätigt nun das Statistische Bundesamt. Gleichzeitig wird zu wenig gebaut. Sozialverband fordert verantwortungsvollen Umgang mit Wohnraum.
In vielen Städten Deutschland herrscht nicht nur ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum – es fehlt auch an ausreichend großen Wohnungen. Das Statistische Bundesamt teilte am Donnerstag mit: Rund 8,6 Millionen Menschen in der Bundesrepublik leben in überbelegten Wohnungen, was mehr als zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht.
Als überbelegt gilt eine Wohnung per definitionem, wenn sie über zu wenige Zimmer im Verhältnis zur Personenzahl verfügt. Das wäre etwa der Fall, wenn eine Familie das Wohnzimmer zum Schlafzimmer umfunktionieren müsste. Oder wenn in einer Familie Jungen und Mädchen über zwölf Jahren keine separaten Kinderzimmer haben.
Besonders betroffen sind Familien, und mit der Zahl der Kinder steigt das Risiko. Von allen Haushalten mit Kindern lebten 2021 knapp 15,9 Prozent beengt. Bei Familien mit drei oder mehr Kindern lag der Anteil dagegen bei 30,7 Prozent. Bei Alleinerziehenden mit Kindern lag die Quote bei 28,4 Prozent. Von den Haushalten ohne Kinder waren nur 6,5 Prozent betroffen.
Aber auch Singles können in Wohnungen leben, die zu klein sind. Bei ihnen gilt Wohnraum als überbelegt, wenn der Haushalt nicht mindestens über zwei Zimmer, also etwa ein getrenntes Wohn- und Schlafzimmer, verfügt. Knapp jeder achte Single (11,9 Prozent) lebte in einer solchen Wohnung.
Der Wohnraummangel betrifft häufig Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Mit 17,8 Prozent war die Überbelegungsquote bei ihnen rund sechsmal so hoch wie bei älteren Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren (3 Prozent).
Vor allem in Städten ist demnach der Wohnraum knapp und überbelegt. In größeren Städten (15,5 Prozent) lebten fast doppelt so viele Menschen in überbelegten Wohnungen als in den Vororten und kleineren Städten (8,6 Prozent). Im ländlichen Raum steht den Menschen dagegen am häufigsten angemessener Wohnraum zur Verfügung; der Anteil der überbelegten Wohnungen liegt dort bei nur 4,9 Prozent.
Im Vergleich mit anderen EU-Staaten steht die Bundesrepublik noch relativ gut da: EU-weit gelten 17,1 Prozent aller Wohnungen als überbelegt. In Lettland (41,3 Prozent) und Rumänien (41 Prozent) lebten anteilig die meisten Menschen in überbelegten Wohnungen, in Malta (2,9 Prozent) und Zypern (2,3 Prozent) die wenigsten.
In Deutschland werden zu wenige neue Wohnungen gebaut
Für viele Menschen dürfte es nur ein schwacher Trost sein, dass Deutschland im EU-Vergleich noch gut abschneidet. Die Überbelegung ist auch eine Folge von einem eklatanten Wohnungsmangel in der Bundesrepublik.
Die Bundesregierung plant, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen zu lassen; davon sollen 100.000 Sozialwohnungen sein. Doch dieses Ziel wird sie voraussichtlich nicht erreichen. Im vorigen Jahr wurden lediglich 300.000 gebaut – und in diesem Jahr dürften es weniger sein. Das erklärte kürzlich Ingeborg Esser im Gespräch mit dem ZDF. Esser ist Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW).
Mitte Oktober hatte auch das Statistische Bundesamt dazu Zahlen vorgelegt. Demnach wurden von Januar bis August 2022 insgesamt 244.605 Baugenehmigungen für Wohnen erteilt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von knapp drei Prozent.
Esser geht davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Jahren noch verschlechtern dürfte. "Der richtige Einbruch bei den Fertigstellungszahlen, der wird wahrscheinlich 2023 und 2024 kommen", sagte sie. Auf mittlere Frist bleibe das Ziel der Bundesregierung unerreichbar.
Vor diesem Hintergrund plädierte der kirchliche Sozialverband Caritas für einen "verantwortungsvollen Umgang mit Wohnraum in Deutschland". Viele Wohnungen stünden leer oder würden als Ferien- oder Zweitwohnung genutzt, obwohl man sie dringend benötige.
Es müssten "wirksamere Maßnahmen gegen das Verschwinden von preisgünstigen und geförderten Maßnahmen ergriffen werden", so der Verband. Dazu gehöre eine angemessene Quote von Sozialwohnungen mit langfristigen Bindungen bei Neubauten, ebenso die Verlängerung von bestehenden oder auslaufenden Bindungen und rechtsfeste Vorkaufsrechte der Kommunen.
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