Steigende Zahl der Syrienkämpfer aus Deutschland

Seite 3: Die Internationale der Dschihadisten

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Terroranschläge von Syrienheimkehrern sind eine Gefahr für alle europäischen Staaten. Schließlich ist der Bürgerkrieg in Syrien der größte Aufmarsch einer internationalen Kämpferfront seit dem Kampf der afghanischen Mudschaheddin gegen die sowjetische Besatzung in den achtziger Jahren.

Aaron Y. Zelin und Sami David vom International Center for the Study of Radicalization (ICSR) am britischen King's College in London veröffentlichten am 17. Dezember 2013 eine internationale Übersicht. Demnach kämpfen 11.000 Ausländer in Syrien, davon kommen 3.000 aus dem Westen, davon zwei Drittel, also etwa 2.000, aus Westeuropa. Die Soufan Group legte im Juni 2014 ihrerseits eine aktuelle Studie über "Foreign Fighters in Syria" vor, die von dem früheren MI6-Agenten Richard Barrett verfasst wurde. In einer Zusammenfassung heißt es:

Over 12,000 fighters from at least 81 countries have joined the civil war in Syria, and the numbers continue to grow. Around 2,500 are from Western countries, including most members of the European Union, the United States, Canada, Australia, and New Zealand. There are also several hundred from Russia. But the great majority are from the Arab World. Most are fighting with rebel groups, and increasingly with the most extreme among them; but many are also fighting with the Government, or with ethnic or faith communities that are trying to protect themselves from both sides. A lot are young, often teenagers, and a fair percentage of those arriving from non-Muslim majority countries are converts to Islam. These and others who share their faith commonly express their motivation as a religious obligation to protect fellow Muslims from attack.

Auch "Wikipedia" hat eine Übersicht "Foreign rebel fighters in the Syrian Civil War" erstellt. Da ein Ende des Bürgerkrieges in Syrien noch nicht absehbar ist, rechnen die europäischen Geheimdienste langfristig damit, dass sich voraussichtlich bis zu 5.000 Europäer am Dschihad in Syrien beteiligen werden. Wenn davon nur eine Minderheit von zehn Prozent den Dschihad nach ihrer Rückkehr in ihre europäischen Herkunftsländer fortsetzen würde, wäre dass eine Geheimarmee aus 500 Attentätern.

Zur Zahl der ausländischen Kämpfer in Syrien kommen all die angehenden Dschihadisten hinzu, die von den türkischen Sicherheitskräften vor einem Grenzübertritt abgefangen und inhaftiert wurden. Bereits 2013 inhaftierten die türkischen Behörden über 1.000 Dschihadaspiranten:

Die türkischen Sicherheitsbehörden haben nach Medienberichten in diesem Jahr rund 1100 Westeuropäer gefasst, die über die Türkei nach Syrien reisen wollten, um dort an der Seite von Al-Qaida-Gruppen gegen die Armee von Präsident Baschar al-Assad zu kämpfen. (…)

Die Gotteskrieger seien inzwischen in ihre Heimatländer abgeschoben worden, meldeten mehrere türkische Zeitungen. Weitere 1.500 Europäer seien noch in der Türkei und würden überwacht. (…) Die mutmaßlichen al-Qaida-Kämpfer aus dem Westen stammen demnach vor allem aus Frankreich, Deutschland, Belgien und Dänemark. (…)

Mit ihrer 900 Kilometer langen Landgrenze zu Syrien ist die Türkei seit dem Ausbruch der Gewalt im Nachbarland 2011 zu einem Aufmarsch- und Rückzugsgebiet für syrische Oppositionskräfte geworden. (…) In jüngster Zeit hatte sich die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die Assads Rücktritt fordert und die syrische Opposition unterstützt, unter anderem wegen der aufgedeckten Waffenlieferungen mehrmals den Vorwurf anhören müssen, sie helfe radikal-islamischen Kräften im syrischen Bürgerkrieg. Der Hinweis auf die Gotteskrieger aus EU-Ländern entlastet die Türkei nun etwas.

Schon länger nutzt der syrische Diktator Bashar al-Assad den Verweis auf die Präsenz ausländischer Dschihadisten, um deren Herkunftsländer vor den langfristigen Folgen zu warnen. Im Juni 2013 erklärte er: "Wenn die Europäer Waffen liefern, wird der Hinterhof Europa terroristisch, und Europa wird den Preis dafür zahlen. (…) Terroristen werden kampferfahren und mit extremistischer Ideologie ausgerüstet zurückkehren."

Da sich die dschihadistische Gefahr nicht im nationalen, sondern nur im europäischen Rahmen lösen lässt, kamen die Innenminister der EU-Staaten am 6. Juni 2014 in Luxemburg zu einer Konferenz zusammen. Dabei wurde über Maßnahmen zur Bekämpfung der Bedrohung durch zurückgekehrte Syrien-Kämpfer beraten. Bis zum Juli will man gemeinsame Schritte vereinbaren. So wird überlegt, dass die bisherigen "verdeckten Grenzkontrollen" im Rahmen des Schengener Informationssystems (SIS) zu einer Festnahme des Terrorverdächtigen führen. In diesem Zusammenhang erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maiziére Anfang Juni 2014 nach dem Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel durch Mehdi Nemmouche: "Es gab da eine verdeckte Kontrolle, das bedeutet, dass ohne (das) der Betroffene etwas merkt, ein Hinweis an Frankreich gegeben worden ist von Deutschland. Trotzdem ist es zu diesem Anschlag gekommen."

Dabei ist der Aufmarsch der dschihadistischen Kriegsfreiwilligen nur ein Aspekt der ausländischen Einmischung in den syrischen bzw. syrisch-irakisch-iranischen Bürgerkrieg. Nun erwägt die US-Regierung, ob sie möglicherweise eine dritte militärische Intervention innerhalb von 25 Jahren starten soll.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).