Sternstunde der Planetenjäger

Bild: ESO

Heute vor genau 20 Jahren verkündete Michel Mayor die Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten, der einen sonnenähnlichen Stern umkreist

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Zwanzig Jahre sind vergangen, seitdem Michel Mayor und Didier Queloz im galaktischen Wüstenmeer mit dem extrasolaren Planeten 51 Pegasi b die erste Oase entdeckten und zugleich den ersten exoplanetaren Dominostein umkippten. Seither profitieren Planetenjäger von der Kettenreaktion, die sich dank neuer Strategien und Instrumente und eines gesunden Wettbewerbs untereinander immer weiter beschleunigt. Als Folge dieses Dominosteineffekts werden Astronomen schon bis Ende der nächsten Dekade hunderttausende Exoplaneten aufgespürt und in den Atmosphären einiger Supererden indirekt Spuren von Leben nachgewiesen haben.

Überraschung in Renaissance-Stadt

Die Nachricht kommt wie ein Paukenschlag. Keiner der Forscher im Auditorium hat mit dieser Neuigkeit auch nur im Entferntesten gerechnet. Keiner ist auf ein derart merkwürdiges Resultat vorbereitet. Die gut 300 Astronomen, die sich in dem großen Hörsaal in Florenz eingefunden haben, blicken den Referenten nach Beendigung seines Vortrags ungläubig an. In vielen Gesichtern spiegelt sich Skepsis. Einige überspielen ihre Verwunderung mit einem Augurenlächeln, andere kommentieren die neue vermeintliche Entdeckung mit deutlichen Worten oder strafen den Vortragenden mit Gleichgültigkeit. Bei wenigen liegen die Nerven blank. Die während des neunten "Cambridge Workshop on Cool Stars, Stellar Systems and the Sun" in der norditalienischen Renaissance-Stadt aufflammenden Reaktionen können unterschiedlicher nicht sein.

Dabei schöpft Michel Mayor wissenschaftlich aus dem Vollen, als er seine völlig ahnungslosen Kollegen an diesem historischen Tag mit einer sensationellen Neuigkeit überrumpelt. Es ist eine Nachricht, mit der man rechnen konnte, aber zu diesem Zeitpunkt nicht rechnet. "Als ich am 6. Oktober 1995 auf der Konferenz meine Forschungsresultate vorstellte, aus denen eindeutig hervorging, dass wir den ersten Planeten außerhalb des Sonnensystems gefunden hatten, waren die Meinungen sehr geteilt. Einige Kollegen waren sogar geschockt", erinnert sich der heute 73-jährige Schweizer Astronom an den denkwürdigen Tag, der das Gesicht der Astronomie für immer verändern sollte.

51 Pegasi b und Nature

Dabei war dieser Schritt in eine neue Ära der Astronomie so nicht geplant - zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Dass Mayor mit seiner Entdeckung auf dem Symposium vorpreschte, war der Tatsache geschuldet, dass das Rennen um den ersten Exoplaneten eng, sehr eng war und die Meldung über die Erstentdeckung praktisch jederzeit über die Agenturen tickern konnte. Der Druck war ebenso groß wie die Gefahr, das Nachsehen zu haben.

Als Mayor und Queloz mit dem 1,93 Meter großen Spiegelteleskop der Sternwarte von Haute Provence in Südfrankreich mit Hilfe eines hochauflösenden Spektrographen den Stern 51 Pegasi monatelang observiert hatten, ergaben die Messdaten Anfang Juli 1995 erstmals einen Sinn: "In der ersten Juliwoche begriffen wir, dass wir den ersten extrasolaren Planeten gefunden hatten."

Um keine Zeit zu verlieren, brachten die beiden Schweizer ihre Forschungsergebnisse zu Papier und sandten ihre Studie zu der Redaktion des Nature-Wissenschaftsmagazins. Als einen Monat später immer noch keine Nachricht von der Nature-Redaktion vorlag, weil die drei Gutachter sich mit der Peer Review viel Zeit ließen, entschlossen sich die beiden Forscher, ihre Beobachtungen auf dem "Cool Star Workshop" publik zu machen. Die für ihre strikte Embargo-Politik berüchtigte Nature-Redaktion stimmte zwar dem Vorhaben zu, nahm die beiden Schweizer aber zugleich in die Pflicht. "Ich erhielt einen scharfen Brief von Nature, worin mir verboten wurde, mit der Presse zu reden. Ich sollte den Vortrag nur vor Wissenschaftlern halten", so Mayor.

Michel Mayor. Er hat gute Chancen, mit dem Nobelpreis für Physik geadelt zu werden. Vielleicht morgen schon? Bild: ESO

In der Verkennung der Tatsache, dass derart große Konferenzen in der Regel immer von Fachjournalisten frequentiert werden, kam es so, wie es kommen musste. Während des 45-minütigen Vortrags von Michel Mayor am Freitag, den 6. Oktober 1995, war das italienische Fernsehen zugegen. Bereits einen Tag später ging die sensationelle Meldung rund um den Globus, aber erst am 23. November veröffentlichte Nature das wissenschaftliche Paper der beiden Schweizer.

Planetenjäger Michel Mayor

Michel Mayor selbst bezeichnet es als großen Zufall, dass er in der Astronomie landete: "Es gab fünfzig Gebiete, die mich ebenso faszinierten. Zum Beispiel die Hirnforschung, die Ozeanografie oder Biologie." Doch irgendwie war der Weg des 1942 in Echallens/Schweiz geborenen Planetenjägers dennoch vorherbestimmt. Der Grundstein für sein Liebe zur Astronomie wurde während seines Physikstudiums an der Universität Lausanne gelegt, als er sich der Frage widmete, warum manche Galaxien eine spirale Form haben und andere nicht. Nach seiner Promotion folgte er dem Ruf der Genfer Sternwarte, wo er als Assistent im Fachbereich Astronomie arbeitete.

Das Observatorium Haute-Provence in Südfrankreich, mit dem Mayor und Queloz 51 Pegasi b entdeckten.

Von einigen zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalten abgesehen, blieb der heimatverbundene Schweizer seinem Arbeitsplatz treu - bis heute. Wie ein Bauer an seiner Scholle hing Mayor jedoch zu keinem Zeitpunkt - vor allem intellektuell nicht. Als er sich 1993 dem Studium extrasolarer Planeten verschrieb, ging er als Neueinsteiger ein hohes Risiko ein, weil sich die Konkurrenz aus den USA bereits auf die Entdeckung des ersten Exoplaneten eingeschworen hatte.