Steuerzahler haftet trotz Bankenunion
Seite 2: "Die deutschen Steuerzahler sollen doch an den Kosten der Bankenrekapitalisierung in Südeuropa beteiligt werden"
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Noch grundlegender als die Monopolkommission kritisiert der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, nicht nur die Schlupflöcher und die Ausgestaltung der Gesetze, sondern die Bankenunion an sich. Er resümiert in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): "Was lange bestritten wurde, wird nun wahr. Die deutschen Steuerzahler sollen doch an den Kosten der Bankenrekapitalisierung in Südeuropa beteiligt werden." Er sieht einen klaren Zusammenhang zu den WM-Erfolgen der Nationalmannschaft, dass gerade jetzt im Eilgang dieses Vorhaben auf den Weg gebracht wird.
Er rechnet vor, dass nach einer Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger von zusammen "nur 8 %" und einer möglichen Beteiligung des neuen Rettungsfonds "in Höhe von 5%" eine rechnerische Deckungslücke von 87 Prozent bestehe: "Dafür dürfen nun im Falle des Falles die Steuerzahler geradestehen." Angesichts einer Bilanzsumme der Banken allein in den Krisenländern von mehr als neun Billionen Euro hafte Deutschland im Prinzip für mehr als zwei Billionen Euro.
"Das Hauptproblem bei der Risikoübernahme ist allerdings nicht das Eintreten des Risikos selbst, sondern die Erpressbarkeit der Garantie gebenden Staaten." Denn um die Risiken und Abschreibungsverluste klein zu halten, würden die haftenden Länder gezwungen, die Rekapitalisierung der Banken Südeuropas durch eine exzessive Niedrigzinspolitik der EZB sehr lange hinzunehmen und vermutlich auch die Notenpresse anwerfen, um "unbegrenzt Anleihen" zu kaufen, wie der EZB-Chef Draghi schon angekündigt hatte.
Die EZB hatte genau das von Sinn angesprochene am Monatsbeginn angekündigt. Und obwohl die Notenbank schon eingesteht, dass diese ultralockere Geldpolitik schon gefährliche Blasen aufblähen lässt, soll sich daran nichts ändern (EZB warnt vor Folgen der eigenen Blasen-Politik). Draghi ging gerade sogar soweit und erklärte unmissverständlich in einer ersten Anhörung im frisch gewählten Europaparlament, dass sich an der ultralockeren Geldpolitik sogar nicht einmal etwas ändern werde, wenn die EZB "systemische Blasen" ausmachen würde. Für ihn gibt es auch noch keine allgemeine gefährliche Blasenbildung im Euroraum. Sinn sieht angesichts dieser Politik vorgezeichnet, dass die EZB bald "die toxischen Kreditforderungen der Banken direkt übernimmt". Insgesamt hält er den Weg in eine "Transferunion" nun vorgezeichnet, um die Wirtschaftssysteme jener Länder mit dauerhaften Zuwendungen zu stützen, "die ihre Wettbewerbsfähigkeit in der vom Euro erzeugten inflationären Kreditblase verloren".
Symptomatische Probleme beim Heiligen Geist
Bankenunion und Bankenaufsicht sollen schnell auf den Weg gebracht werden. Das hängt auch damit zusammen, dass die Lage, anders als stets behauptet, weiter kritisch ist. Die Banken werden durch die EZB-Politik zwar massiv subventioniert, doch auch das reicht bisweilen nicht einmal aus, um die Löcher zu stopfen. Es ist auch für die Zentralbank der Zentralbanken klar, dass "gravierende Risiken" bestehen und Zombie-Banken und überschuldete Gläubiger durch die EZB-Politik künstlich "über Wasser" gehalten werden (Gravierende Risiken im europäischen Bankensystem). Und so sorgt die portugiesische Großbank Espírito Santo für Schlagzeilen und für Ansätze von Panik.
Die Börsen gingen angesichts der Probleme beim "Heiligen Geist" in den Keller und die Risikoaufschläge für Staatsanleihen von Krisenländern stiegen wieder deutlich. Es zeigt sich, dass die Geldschwemme der EZB nur eine trügerische Ruhe geschaffen hat, mit der die Zinsen der Krisenländer heruntergeprügelt wurden, um die Show einer angeblich "erfolgreichen Rettung" abzuziehen.
Es wird davon ausgegangen, dass die Zahlungsunfähigkeit der Muttergesellschaft der Banco Espírito Santo (BES) droht, gegen die seit geraumer Zeit wegen massiver Unregelmäßigkeiten ermittelt wird. Sie soll Schulden in Höhe von sieben Milliarden aufweisen, die sie nicht bedienen kann. Die Bank und die portugiesische Regierung versuchen zu beschwichtigen, was zunächst über das Wochenende gelang. Behauptet wurde, die Bank sei weitgehend von den Problemen der Gründerfamilie und ihrer Holding isoliert und nur mit 1,2 Milliarden Euro dort engagiert. Allerdings fiel schon in einer Pflichtmitteilung die zurückhaltende Formulierung der Bank auf, dass "der Vorstand glaubt", dass durch potenzielle Verluste die Einhaltung der Kapitalvorschriften nicht gefährdet sei. Man habe noch deutlich höhere Kapitalreserven, wurde behauptet.
Doch schon am Dienstag kehrte die Nervosität zurück, denn die Realität spricht eine andere Sprache. So hat die Bank offensichtlich sogar Probleme, der Forderung nach Rückzahlung eines Kredits über 100 Millionen Euro an die japanische Nomura-Bank aufzutreiben. Das schickte die Aktie, deren Handel vergangene Woche ausgesetzt war, am Dienstag auf Talfahrt. Sie verlor bis zu 20% und war zeitweise nur noch 36 Cent wert. Die Talfahrt zog auch die gesamten europäischen Börsen mit nach unten.
Am Dienstag wurde zudem eine kurzfristige Anleihe von Rioforte in Höhe von 847 Millionen Euro an Portugal Telecom fällig. Rioforte gehört wiederum zur Espírito Santo Financial Group (ESFG). Und die kann den Kredit offenbar nicht zurückzahlen und deshalb wird berichtet, dass die im Steuerparadies Luxemburg angesiedelte Holding nun Insolvenz anmelden werde, um einen Konkurs zu vermeiden. Damit droht sich die Schieflage der größten börsenkotierten Bank Portugals noch deutlich zu verschärfen.
Die Gerüchte über eine staatliche Rettung der Bank, die schon vergangene Woche die Runde machten, werden nun wieder lauter. Letzte Woche hatte Portugals konservativer Ministerpräsident Pedro Passos Coelho noch ausgeschlossen, dass auch die Großbank vom Staat gerettet wird: "Privatunternehmen müssen die Konsequenzen ihrer schlechten Geschäfte selbst tragen. Die Steuerzahler müssen nicht für die Verluste privater Firmen aufkommen." Das kann angesichts der Steuer- und Rettungsmilliarden, die schon bisher in den Bankensektor geflossen sind, allerdings nur als schlechter Witz gesehen werden.
Es ist kaum anzunehmen, dass ausgerechnet die größte Bank des Landes nun fallengelassen wird und Schockwellen aussendet. Das Problem von Coelhos Konservativen ist, dass sie erst kürzlich eine sauberen Ausstieg aus dem Rettungsschirm gefeiert haben, der über die EZB-Geldschwemme wie in Irland produziert wurde. Sie hatten dafür sogar auf vorsorgliche Kreditlinien verzichtet, um möglichen auftretenden Problemen wie jetzt begegnen zu können. Schließlich waren die absehbar. Offenbar wird versucht, auf Zeit zu spielen, obwohl die Lage bei der Bank und bei der Holding dramatisch aussieht.
Offenbar weiß die Bank nicht einmal, an wen ein Kredit des Ablegers der Bank in der ehemaligen Kolonie Angola in einer Höhe von sogar 5,7 Milliarden Dollar geflossen ist, wie kürzlich die Zeitung Expresso gemeldet hat. Die Bank sitzt auf vielen faulen Krediten vor allem auch in Angola, weshalb auch die New York Times schnelle Schritte und eine Restrukturierung anmahnt.
So dürfte auch die letzte börsennotierte Bank des Landes kaum noch an einer teilweisen Verstaatlichung vorbeikommen, wofür Portugal möglicherweise erneut Rettungsgelder beantragen muss. Oder, und hier könnte sich der Kreis wieder schließen, sie könnte der erste Fall einer direkten Rekapitalisierung durch den ESM werden, sobald die Bankenaufsicht steht. Auch dann sind es wieder allein Steuergelder, die zur Rettung eingesetzt werden. Und dafür würde dann erstmals nicht einmal das Land haften, womit das Ausfallrisiko für die Steuerzahler noch höher als schon jetzt wäre.
Portugal ist das Paradebeispiel, wie mit der "Rettung" die Schulden regelrecht explodierten. Das Land kann sich angesichts einer Verschuldung zum Jahresende von fast 130% der Wirtschaftsleistung kaum leisten, für die Bankenrettung neue Staatschulden zu machen. Es wäre prädestiniert für die erste direkte Kapitalspritze. Was als Ausnahmefall dargestellt wird, könnte damit schon im ersten Fall zur Regel werden. Aber das sind wir in der Finanzkrise bereits gewohnt.