Stillstand bei fahrerlosen Zügen
In deutschen Städten will man dem Nürnberger Beispiel nicht folgen
Mittlerweile gibt es bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert vollautomatische Züge. Anfangs hatten sie noch Aufseher an Bord, die den Betrieb überwachten - aber seit längerem kommt man ganz ohne Fahrpersonal aus. Trotzdem gibt es solche Züge in Deutschland bislang nur in Nürnberg, wo sie seit mittlerweile fünf (beziehungsweise sieben) Jahren die U-Bahn-Linien 2 und 3 befahren. Die örtlichen Erfahrungen damit sind so gut, dass sich die Frage stellt, warum nicht mehr deutsche Städte ihre Nahverkehrsprobleme mit vollautomatisierten Zügen lösen.
In Berlin bestätigt die BVG ihr Image, indem sie auf ein Anfrage dazu gar nicht antwortet. Auch in Stuttgart fühlt man sich nicht zuständig und verweist auf die DB Regio.
In Frankfurt wurde der Einsatz fahrerloser U-Bahnen nach eigenen Angaben "von der zuständigen Fachabteilung der VGF vor fast 15 Jahren geprüft und verworfen". Warum das so war, wisse man nicht mehr - und man könne es wegen Personalfluktuation und anderer Prioritäten auch nicht herausfinden.
In Köln heißt es, eine fahrerlose Betriebssteuerung komme für die Stadt nicht infrage, weil alle elf Stadtbahn-Linien auch im "straßenbündigen Verkehr" führen. Deshalb seien die Schienen auf den Kfz-Fahrbahnen angeordnet und es bestünden zahlreiche Berührungspunkte mit dem Auto- und Fußgängerverkehr. Bei Siemens, dem Hersteller der Nürnberger Rubin-U-Bahn, sieht man das ähnlich und hält die Sicherheit der Fahrgäste und anderer Verkehrsteilnehmer nur bei abgeschlossenen Transportsystemen wie U-Bahnen für gewährleistet.
Auch in der Ruhrgebietsmetropole Dortmund, wo die SIPEM-H-Versuchsbahn seit den 1980er Jahren zwischen zwei Campus-Standorten Studenten transportiert, ist der Stadtbahnbetreiber DSW21 der Auffassung, dass ein fahrerloser Betrieb nur im ausschließlichen U-Bahn-Betrieb möglich wäre. Die acht Dortmunder Stadtbahnlinien verkehren jedoch ausnahmslos auch an der Oberfläche - vielfach gemeinsam mit dem Individualverkehr.
Aber auch mit Fahrern könnten die Züge in Dortmund im 90-Sekunden-Takt fahren, mit dem man auf ein besonders starkes Fahrgastaufkommen reagiere - zum Beispiel auf dem Streckenabschnitt Hauptbahnhof-Markgrafenstraße, auf dem vier Linien parallel auf einem Gleis in je Richtung verkehrten. Dieser Takt könnte nach Meinung von DSW21 auch bei entsprechender signaltechnischer Ausrüstung für einen fahrerlosen Betrieb nicht unterschritten werden. Mögliche Zeiteinsparungen durch fahrerlose Züge gebe es nur durch eine Verkürzung der Wendezeit an Endhaltestellen oder durch kürzere Ablösezeiten bei Fahrerwechseln.
In Hamburg hält man den automatischen Betrieb nur auf einer Neubaustrecke, die unabhängig vom Bestandsverkehr betrieben wird, für wirtschaftlich vertretbar. Ob für die künftige U5 ein automatischer Betrieb umgesetzt wird ist der Hamburger Hochbahn AG zufolge noch nicht entschieden. Ein Grund, der dagegen spreche, seien die Investitionskosten. Diese sind Siemens zufolge höher, weil die Bahnsteige so gebaut werden müssen, dass Passagiere auch ohne Fahreraufsicht gefahrlos ein- und aussteigen. Außerdem wird die ganze Strecke durch Kameras und bauliche Maßnahmen so gesichert, dass keine Personen unbeabsichtigt oder fahrlässig in den Betriebsbereich eindringen.
In München, wo U-Bahn-Fahrer schon seit längerer Zeit nur noch Starts und Stopps einleiten und die Türen schließen, wird eine Umstellung auf komplett fahrerlose Züge nach Angaben der örtlichen Verkehrsgesellschaft MVG "in regelmäßigen Abständen geprüft". Bei den bisherigen Prüfungen kam man jedoch stets zum Ergebnis, dass diese Umstellung wegen eines Investitionsaufwands im "hohen mehrstelligen Millionenbereich" nicht wirtschaftlich sei. Details zu diesen Berechnungen bleibt die MVG allerdings schuldig.
Außerdem, so der Münchner ÖPNV-Betreiber, sei aufgrund der Haltestellenabstände und der Kapazitäten der Bahnhöfe eine Taktdichte von weniger als 120 Sekunden auch mit fahrerlosen Zügen nicht möglich: Eine höhere Zugzahl bei unveränderter Fahrgastwechselzeit würde angeblich einen Zugstau verursachen. Was man nicht erwähnt, ist, dass es durchaus sein könnte, dass die Fahrgastwechselzeit bei schnellerer Taktung deutlich sinkt, weil sich an Umstiegsbahnhöfen wie dem Sendlinger Tor sehr wahrscheinlicher weniger Fahrgaststaus bilden würden. Diesen Umstiegsstaus will der MVV abhelfen, indem er Treppen und Rolltreppen neu anordnet. Das könnte jedoch Jahre in Anspruch nehmen - und Kritiker bezweifeln, dass dadurch wesentlich mehr Platz geschaffen wird.
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