Strache tritt nach Ibiza-Video-Affäre zurück
Ehemaliger Bundespräsidentenkandidat Norbert Hofer übernimmt FPÖ-Vorsitz und Vizekanzlerschaft
Nach einem Termin beim österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz gab der bisherige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache heute Mittag bekannt, dass er mit sofortiger Wirkung nicht nur von seinem Regierungsamt, sondern auch von seinem Posten als Vorsitzender der FPÖ zurücktritt. Straches Nachfolger auf beiden Positionen wird der ehemalige FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer, der Medienberichten nach einen eher ruhigen Lebenswandel führt.
Anlass der Rücktritte ist das so genannte Ibiza-Video - eine gestern öffentlich gewordene heimliche Filmaufnahme aus dem Jahr 2017, in der Strache zusammen mit dem (ebenfalls zurückgetretenen) geschäftsführenden FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus mit einer vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen spricht und ihr im Gegenzug für "Investitionen" Staatsaufträge in Aussicht zu stellen scheint (vgl. Der Ibiza-Supergau).
"Sex-Orgien von Kurz in den Drogen-Hinterzimmern"
Das brachte Strache nun nicht nur Ärger mit seiner Partei ein, sondern auch mit seiner "verletzten" Ehefrau Philippa, die er mit anscheinend nassen Augen um Entschuldigung für sein "typisch alkoholbedingtes machohaftes Verhalten" bat, mit dem er seine "attraktive Gastgeberin" beeindrucken wollte. Den Bundeskanzler bat er ebenfalls um Vergebung für die "katastrophale und peinliche […] b’soffene G’schicht".
In einem erst heute öffentlich gewordenen Videoausschnitt scheint Strache von "Sex-Orgien von Kurz in den Drogen-Hinterzimmern" zu sprechen. Vom ehemaligen SPÖ-Bundeskanzler Kern will er von einem Informanten Fotos "mit minderjährigen Schwarzen in Kapstadt" geschickt bekommen haben.
Die Bitte um Verzeihung an alle, denen er mit seinem Verhalten geschadet hat, dürften sich auch an den Waffenhersteller Glock (vgl. Der Hype um die Pistole aus Österreich), den Glücksspielkonzern Novomatic (vgl. Grüne fliegen aus Kärntner Landtag), den Tiroler Investor René Benko und die Kaufhauserbin Heidi Goëss-Horten gerichtet haben. Sie werden von Strache in der Aufnahme als angebliche Großspender genannt, bestreiten das jedoch.
Außerdem kündigte der Ex-Vizekanzler rechtliche Schritte gegen die Urheber des Videos und gegen andere Beteiligte an. In diesem Zusammenhang erwähnte er auch den in Österreich nicht nur bei ihm angeeckten deutschen Fernsehkomiker Jan Böhmermann (vgl. Peinlich, peinlicher, Böhmermann), der im April die Teilnahme an einer Preisverleihung mit der Bemerkung absagte, er hänge "gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rum" und verhandle über eine Übernahme der Kronen-Zeitung. Ein Sprecher Böhmermanns bestätigte inzwischen die damalige Vorabkenntnis der Aufnahmen.
Ausländische Geheimdienste?
Die Tatsache, dass sie seit 2017 zurückgehalten und gut eine Woche vor der EU-Parlamentswahl veröffentlicht wurden, zeigt Straches Ansicht nach, dass es sich um "Dirty Campaigning" handelt - um eine absichtlich gelegte Falle, um ihn und der FPÖ zu schaden. Als mögliche Hintermänner kommen für ihn neben politischen Gegnern auch ausländische Geheimdienste infrage.
Der ehemalige FPÖ-Chef betonte, dass sich aus dem Treffen mit dem "Lockvogel" weder eine Parteispende noch ein weiterer Kontakt ergeben habe. Außerdem habe er sogar in betrunkenem Zustand auf die Rechtslage zu Parteispenden in Österreich hingewiesen. Anderslautenden Behauptungen werde er "mit allen rechtlichen Mitteln entgegentreten".
Auch Gudenus gibt alle Ämter ab
Gudenus, der Strache zufolge den Kontakt mit der vermeintlichen Oligarchennichte herstellte, gab neben dem geschäftsführenden FPÖ-Fraktionsvorsitz auch sein Nationalratsmandat ab. In einer Pressemitteilung erklärte er sein "tiefstes Bedauern über die zwei Jahre zurückliegenden Vorkommnisse", mit denen er "das in [ihn] gesetzte Vertrauen der Wähler, Funktionäre und Mitarbeiter enttäuscht" habe.
Gudenus' Nachfolgerin ist vorerst seine bisherige Stellvertreterin Veronika Matiasek, die zweite Präsidentin des Wiener Landtags. Den dortigen Landesverband der FPÖ, den Strache und Gudenus anführten, wird bis auf weiteres der FPÖ-Rathausfraktionschef Toni Mahdalik leiten.
Andere Landesverbände scheinen von der Affäre personell bislang nicht direkt belastet. Der burgenländische FPÖ-Chef Johann Tschürtz, der 2017 ebenfalls auf Ibiza weilte, ist nicht auf dem Video zu sehen und gibt an, nichts von dem Gespräch seiner beiden Parteifreunde mit der vermeintlchen Oligarchennichte gewusst zu haben. Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil will die Koalition mit ihm trotzdem "hinterfragen", aber der FPÖ die Möglichkeit lassen, sich im Koalitionsausschuss "darzulegen", weil sie sich in den vergangenen vier Jahren fair verhalten habe.
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