Strategien der Demontage, Teil II
Der Fall Public Netbase: Ein viel zu langer Weg zu viel zu wenig Geld
Bisweilen erstaunt immer wieder, wie lange in Österreich über Dinge gestritten, hin- und herbegutachtet, geprüft und wieder geprüft wird. Besonders, wenn es um öffentliche Gelder geht. Wie dabei alleine schon durch ewige Gefechte primär seitens der Beamtenschaft und der Politiker Gelder verschwendet werden, steht kaum zur Diskussion. Herumgesprochen hat sich mittlerweile hingegen der reine Zufall, dass es besonders gerne (regierungs-)kritische Institutionen und Initiativen, vor allem im Bereich der (Medien-)Kunst, trifft.
Die Vorgeschichte ist bekannt und war auch in Telepolis wiederholt nachzulesen. Der Paukenschlag kam vor zwei Wochen: Nachdem die Wiener Netzkultur-Initiative Public Netbase eineinhalb Jahre lang auf ihre Bundessubvention für 2000 wartete, fiel diese nunmehr gegenüber 1999 um 57 Prozent gekürzt aus. Noch 1999 betrug die Förderung 2,3 Millionen, für 2000 waren fünf Millionen angesucht worden. Nach schier endlosem Hin und Her hat der Bund Anfang März entschieden, Public Netbase für das Jahr 2000 und 2001 jeweils lediglich eine (!) Million Schilling auszuzahlen. Direktor Konrad Becker spricht im Netz von "struktureller Zensur", und Geschäftsführer Martin Wassermaier von einem "fatalen Ergebnis".
Ein konstruktivistisches Lehrstück: Aussagen gegen Aussagen
Geschichten wie die von Public Netbase stellen den Journalismus vor besondere Herausforderungen. Man kann entweder, wie die Medienbeobachterin Gaye Tuchman schon in den Siebzigern analysiert hat, vermeintliche Objektivität konstruieren, indem man Aussage und Gegenaussage einfach diametral zueinander stehen lässt: Der Medienkunstbeirat habe die künstlerischen Aktivitäten von Public Netbase als "sehr gering" eingeschätzt, sagt man im Kunststaatssekretariat. Das habe man nie gesagt, entgegnen die Beiratsmitglieder. Eine Wirtschaftsprüfung habe ergeben, dass "in der Finanzgebarung von Public Netbase formal keine Beanstandungen" zu finden waren, so Netbase-Aktivist Wassermaier. Es wurde sehr wohl einiges kritisiert, kontert man im Bundeskanzleramt. Also, was nun? Auf der Suche nach der "Wahrheit" findet man - wie etwa im Film "Rashomon" so schön gezeigt - nur Versionen, selbst Originaldokumente haben einen derart großen Interpretationsspielraum, dass man fast immer alles herauslesen kann.
Oder aber, man schwört dem vermeintlich "objektiven Journalismus" ab und betreibt Gesinnungs- oder, wie es neuerdings heißt, public journalism. Man gesteht also, parteiisch zu sein und für die gute Sache zu kämpfen. Ich gestehe: Ich kämpfe nicht für Public Netbase, aber vieles im Bundeskanzleramt kommt mir mehr als spanisch vor.
Gehen wir deshalb ein Stück tiefer in die Materie. Der Teufel steckt, wie so oft, im Detail: Wie ist es möglich, dass laut Kunststaatssekretariat sich der Medienkunstbeirat kritisch zu Public Netbase äußerte, die Austria Presse Agentur (in einer Meldung vom 8. März 2001) jedoch sowohl Beiratsmitglieder namentlich als auch eine schriftliche Stellungnahme des Beirats zitiert, in der kein kritisches Wort über Public Netbase verloren wird? Kritik an der Institution sei vom Medienkunstbeirat "nicht im Rahmen von Beiratsempfehlungen, sondern in Gesprächen mit der zuständigen Abteilung des Hauses" erfolgt, so die Pressesprecherin von Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP), Katharina Stourzh, zu "Telepolis".
Und weiter: Franz Morak müsse sich schon auf die Mitarbeiter seines Hauses verlassen können. Den Vorwurf einer selbsterfüllenden Prophezeiung (regierungstreue Beamte schreiben der Regierung kritische Berichte über regierungskritische Gruppen) weist sie strengstens zurück.
Loyale Beamtenschar durch Umstrukturierungen?
Bei näherem Hinsehen erscheint aber auch das in einem anderen Licht: Warum wurden im Kunstressort Abteilungen zusammengelegt, warum wurde im Zuge dieser "Reform" ein Abteilungsleiter, namentlich Herbert Timmermann, zum einfachen Sachbearbeiter degradiert und warum wird seine Stelle gerade neu ausgeschrieben? "Man hat zwei Abteilungsleiter aus der roten Reichshälfte geopfert. Der Vorwurf lautete bei Timmermann auch, er habe sich schützend vor Public Netbase gestellt", so Martin Wassermaier. Derartige Änderungen in der Geschäftseinteilung seien jedoch "ganz übliche verwaltungstechnische Abläufe", behauptet die Morak-Sprecherin.
Irgendwie kommt einem das alles bekannt vor: Erst unlängst hat Telepolis über die Schwierigkeiten der landeseigenen Salzburger Forschungsgesellschaft berichtet (Demontage kritischer Intellektueller). Wie bei "Salzburg Research", so gab es auch bei Public Netbase eine Prüfung der Finanzgebarung, offenbar zu kritische Köpfe in Führungsfunktionen und monatelange Verzögerungen von wichtigen Entscheidungen. Und obwohl auch im Salzburger Fall der Rechnungshof nichts festgestellt hat, blieben Vorwürfe hartnäckig im Raum, angeheizt durchs Boulevard.
Aber es gibt auch gute Nachrichten für Public Netbase: Nicht nur, dass der Verbleib im Museumsquartier gesichert ist, sondern auch, dass der Bund gerade an einem mittelfristigen Finanzierungsmodell arbeitet. Schon bald könnten also, wie bei Gemeinden seit Jahren üblich, Förderungen über einen Zeitraum von drei Jahren ausbezahlt werden, ohne jährliches Bittstellen. Man darf Morak-Sprecherin Stourzh hier hoffentlich beim Wort nehmen: Für Public Netbase würde dies etwa von 2002 bis 2004 gelten.