Streit in der FPÖ

Im Burgenland soll es keine großen "Grundversorgungszentren" für Asylbewerber geben. Foto: Ratfink1973. Lizenz: CC0

Der österreichische Bundesinnenminister Kickl möchte Asylbewerber in großen Zentren unterbringen - die burgenländische Landesregierung will das nicht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der seit Ende Dezember amtierende neue österreichische Bundesinnenminister Herbert Kickl hat angekündigt, Asylbewerber künftig verstärkt in staatlich geführten "Grundversorgungszentren" unterzubringen. Damit stößt er auf Widerstand im Burgenland, in dem seine FPÖ nicht (wie im Bund) mit der christdemokratischen ÖVP, sondern mit der sozialdemokratischen SPÖ regiert. Deren Landeshauptmann Hans Niessl verlautbarte gestern: "Wir gehen im Burgenland - und das mit unserem Koalitionspartner FPÖ - einen vollkommen anderen Weg."

Dieser von Sozialdemokraten und Freiheitlichen 2015 beschrittene Weg sieht vor, dass in Ortschaften nicht mehr als ein Prozent der Einwohner Asylbewerber sind. Außerdem werden die Asylbewerber "in kleinen Einheiten untergebracht", was die Integration erleichtern soll. Wenn Kickl nun Großquartiere einrichten wolle, müsse er damit rechnen, dass sich die burgenländische Landesregierung dagegen "wie schon in der Vergangenheit gemeinsam mit der Bevölkerung erfolgreich zur Wehr setzt."

Vermögenszugriff

Die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Freiheitlichen betreffen Niessl zufolge aber nicht nur diese Frage, sondern auch andere Vorhaben der Regierung Kurz, die seinen Worten nach einen "neoliberalen Weg" eingeschlagen hat und eine "Politik gegen Arbeitnehmer" macht, wie sie "eine rot-blaue Koalition niemals machen würde". Als Beispiel dafür nennt der burgenländische Landeshauptmann das Einstellen der Aktion 20.000 (mit der 20.000 Langzeitarbeitslosen über 50 eine Stelle beschafft werden sollte) und die Pläne, dass Langzeitarbeitslose ihr Vermögen angreifen müssen, bevor sie das "Arbeitslosengeld neu" bekommen (vgl. Austro-Hartz-IV?).

Solch einen von der ÖVP geforderten Vermögenszugriff hatten letzte Woche unter anderem der burgenländische FPÖ-Obmann Johann Tschürtz, der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer, der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger, der Kärntner FPÖ-Vorsitzende Gernot Darmann und die neue FPÖ-Generalsekretärin Marlene Svazek öffentlich abgelehnt. Tschürtz hatte dabei gemeint, so ein Zugriff komme nur bei "Millionären" infrage, die missbräuchlich Arbeitslosengeld beziehen wollten - und Landbauer versprach: "Wenn jemand unverschuldet in die Situation kommt, dann darf und wird es auch keinen Zugriff geben."

Bei den niederösterreichischen Wahlen, die am 28. Januar auf Landbauer zukommen, können die Freiheitlichen einer gestern veröffentlichten Market-Umfrage nach mit einer Ergebnisverdoppelung von 8,2 auf 17 Prozent rechnen - wenn ihnen die Debatte um ein "österreichisches Hartz IV" nicht noch schadet. Die ÖVP muss dagegen einem Absacken von 50,8 auf 46 Prozent befürchten. Die SPÖ, für die 2013 nur 21,6 Prozent der Wähler stimmten, könnte sich auf 24 Prozent verbessern.

Einen Monat nach den Niederösterreichern, am 25. Februar 2018, wählen die Tiroler ein neues Landesparlament, am 4. März sind dann die Kärntner an der Reihe. In Tirol könnten die Freiheitlichen einer Umfrage vom 28. Dezember nach ihre 9,34 Prozent von 2013 praktisch verdreifachen, aus Kärnten liegen keine keine aktuellen Erhebungen vor.

Werbung mit Bruno Kreisky

Für einen Sozialdemokraten überraschend kritisierte Niessl gestern nicht nur die oben aufgeführten arbeitspolitischen Vorhaben, sondern auch die von der neuen türkis-blauen Bundesregierung geplante stärkere Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Ausländer. Sie fördert seiner Meinung nach "Lohn- und Sozialdumping", während "400.000 Österreicher ohne Arbeit dastehen". Das sieht er als "völliges Gegenteil" der Politik des SPÖ-Altkanzlers Bruno Kreisky, mit dem die FPÖ neuerdings wirbt und behauptet, er würde heute für sie stimmen.

Kreisky, so Niessl,

würde niemals solchen Aktionen gegen Arbeitnehmer zustimmen, Kreisky hätte auch keinem 12-Stunden-Tag ohne Verhandlungen mit den Sozialpartnern zugestimmt, Kreisky würde niemals einfallen, über eine Schwächung der Arbeiterkammer zu diskutieren, und Kreisky hätte niemals eine Koalition mit einer Partei gemacht, die gleich am Beginn massive Verschlechterungen für Arbeitnehmer beschließt.

(Hans Niessl)

"Wer Wahlen gewinnen will, muss auch die Meinung der Mehrheit vertreten"

Eine andere Äußerung des burgenländischen Landeshauptmanns macht deutlich, dass die Richtungsdebatte bei den österreichischen Sozialdemokraten nach der Wahlniederlage im Oktober nur bis zur Wahl des neuen Wiener Landeschefs am 27. Januar aufgeschoben, aber noch nicht beendet sein könnte: Niessl rät seiner Partei nämlich: "Die SPÖ muss sich für Minderheiten einbringen. Aber: Wer Wahlen gewinnen will, muss auch die Meinung der Mehrheit vertreten. Das muss die SPÖ in der Opposition auch tun."

Ein Politiker, der das "glaubwürdig vertreten" kann, ist seinen Worten nach sein burgenländischer Landsmann Hans Peter Doskozil, der als Verteidigungsminister im Kabinett Kern dafür eintrat, Asylanträge nur noch dann anzunehmen, wenn sie in dafür vorgesehenen UNHCR-geführten Einrichtungen außerhalb der EU gestellt werden. Der Kronen-Zeitung sagte der Sozialdemokrat damals, er halte das für notwendig, um "Schleppern das Handwerk zu legen" und "dem Sterben im Mittelmeer ein Ende [zu] setzen".