Streit um Pixel-Polizisten
Schweizer Minister stört sich an der Möglichkeit, in einem staatlich mitfinanzierten Shockwave-Game Polizisten zu attackieren
Claude Hêche, Minister für Gesundheit, Soziales und Polizei im Schweizer Kanton Jura wehrt sich für seine Mannen. Hêche hat entdeckt, dass in einem Shockwave-Game auf einer vom Kanton unterstützten Seite auf Pixel-Polizisten gezielt werden kann. Nun fordert der Minister, das Spielchen von der Site zu entfernen. Die Betreiber haben dies allerdings nicht vor.
Ob die Aufregung bereits der sommerlichen Sauren-Gurken-Zeit geschuldet ist? Als ob keine wichtigeren Geschäfte anstünden, hat sich ein Minister der Republik und des Kantons Jura, in ein harmloses Shockwave-Spielchen verbissen. Claude Hêche, zuständig für die Polizei im Jura, hat am 6. Juni einem Zeitungsbericht entnommen, dass auf der Website der Mobilen Arteplage des Jura AMJ - eine zur Ausstellungsplattform umgebaute Kiesbarke, die als offizieller Beitrag des Kantons zur Schweizer Landesausstellung Expo.02 fungiert - ein Computerspiel läuft, bei der unter anderem virtuelle Polizisten ins Visier des Spielers geraten können.
Was Hêche da zu sehen gekriegt hat (wenn er denn das durchaus knifflige Game je gespielt hat), war für den obersten Polizisten des Jura zu viel. Nach einer knappen Woche Bedenkzeit folgte die deutliche Reaktion. Am vergangenen Mittwoch griff der für einen Polizeivorstand durchaus sympathisch wirkende Sozialdemokrat in die Tasten und formulierte einen zweiseitigen Brief, in dem er die Betreiber von amj.ch auffordert, das Spielchen zu entfernen. Hêche spricht dabei im Namen der gesamten Polizei und betont die Bemühungen, die unter seiner Ägide unternommen wurde, um das Verhältnis zwischen Ordnungshütern und Bevölkerung zu verbessern. Es sei nicht tolerierbar, die Beamten ins Lächerliche zu ziehen, auch nicht unter dem Deckmantel eines Spieles.
Als Reaktion auf den Brief erteilen die Verantwortlichen der AMJ dem jurassischen Polizeivorstand eine Lektion in Shockwave-Spielkunde und erklären dem Magistraten den Hintergrund des Games. An ein Abschalten des Games denken sie hingegen nicht.
Unter dem kryptischen Namen "Find the Secret of Egalpetra 6" muss sich der Spieler in der Rolle als Kapitän der Ausstellungsbarke auf die Suche nach einem verborgenen sechsten Standort der Expo.02 machen. Im Verlaufe des Spiels gilt es verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Unter anderem muss man dabei Polizisten und andere Wachpersonen mit einem Lichtstrahl verscheuchen. Als Kompromiss im Streit um die Pixel-Polizisten haben die Game-Verantwortlichen die Formulierung "Fuck the police", die an einer Stelle des Spiels eingeblendet wurde, durch das harmlosere "Annoy the guards" ersetzt, dabei aber nicht vergessen zu betonen, dass "'Fuck the police' seit über 20 Jahren zum Standardrepertoire jedes zweiten Rocksongs gehört und längst seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat." Im Rahmen der künstlerischen Ausdrucksfreiheit müsse es möglich sein, auch Figuren wie Soldaten oder Polizisten in einem Spiel zu verwenden.
"Es ist uns auch wichtig festzustellen, dass die Gewaltdarstellung im Spiel weit harmloser als diejenige in jeder Vorabendserie des Fernsehen ist", kann man in der offiziellen Mitteilung weiter lesen. Außerdem hat die Crew der AMJ bewiesen, dass sie mit dem (Medien)Thema "Gewalt" vorzüglich umzugehen weiß. Mit der Aufführung von Shooting Bourbaki, in dem fünf jugendliche Laiendarsteller in nüchtern-dokumentarischer Weise ihre Faszination fürs Schießen, Ego-Shooten oder düstere Rollenspiele kritisch reflektieren, wurde eine brandaktuelle und kontrovers debattierte Thematik aufgegriffen, ohne dass sich jemand an den Gewaltdarstellungen auf der Bühne gestört hätte. Pixel scheinen die bessere Angriffsfläche zu bieten. Aber eben: Augenmaß ist nicht immer die Sache der Politiker.