Streit um Zensur von Newsgroups in Großbritannien

Vorstandsmitglied der Internet Watch Foundation zurückgetreten

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In einem Streit über die Zensur von Newsgroups hat die britische Internet Watch Foundation (IWF) "den letzten Bürgerrechtler" in ihrem Vorstand verloren. Am Dienstag trat Vorstandsmitglied Malcolm Hutty zurück, nachdem die Richtlinien der IWF über die Vorgehensweise bezüglich kinderpornographischer Inhalte in Newsgroups geändert wurden. Angestellte der IWF werden ab nun den Providern empfehlen, Newsgroups zu sperren, in denen regelmäßig Kinderpornographie zirkuliert oder deren Namen die Vermutung nahelegen, dass sie hauptsächlich diesem Zweck dienen. Für Hutty besteht die Gefahr, dass damit auch legitime Diskussionsforen rein auf Verdachtsbasis gesperrt werden könnten.

Die IWF war Mitte der neunziger Jahre als eine Art freiwilliger Selbstkontrolleinrichtung der Industrie gegründet worden, um möglichen legalen Risiken der Provider bezüglich der inhaltlichen Verantwortlichkeit zuvorzukommen. Bisher hatte sich die IWF darauf beschränkt, gegen einzelne Postings mit kinderpornographischen Inhalten in Newsgroups vorzugehen. Ab nun sollen aber ganze Newsgroups entweder allein auf Basis ihres Namens oder auf Empfehlung einer IWF-Arbeitsgruppe von den Servern britischer Provider gesperrt werden.

Für Vorstandsmitglied Malcolm Hutty ist das nicht akzeptabel. "Sie sind nicht bereit, Kritik anzuhören", sagte er in einem Statement über seinen Rücktritt am Dienstag. Laut Hutty hatte der Vorsitzende der IWF, Roger Darlington, die Änderungen in einer Sitzung durchgedrückt, ohne die Meinungen anderer Vorstandmitglieder überhaupt anzuhören. Hutty betrachtet die Sperre ganzer Newsgroups in der von der IWF nun beschlossenen Form als bedenklichen Akt der Zensur, da in diesen Diskussionsforen auch legitime Diskussionen erfolgen könnten, die unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fallen. "Das ist Zensur einer legalen Diskussion durch ein nicht gewählte, niemandem verantwortliche Clique, die im Geheimen agiert", sagte Hutty.

Laut der IWF werden nur Newsgroups gesperrt, die dem Tausch oder Handel von kinderpornographischen Inhalten dienen. Nach Angaben von Hutty jedoch sollen auch Newsgroups mit Bildern von Prinz William, den Spice Girls, jegliche Newsgroups mit Bildern von Kindern, auch wenn diese inhaltlich völlig unschuldig sind, sowie Newsgroups mit Bildern aus Penthouse Magazine und Darstellungen von Jugendlichen über 18 gesperrt werden. Besonders stört Hutty, wie die Entscheidungen über zu sperrende Newsgroups im Internet zustande kommen sollen. Eine Gruppe von IWF-Mitarbeitern werde die Liste erstellen und direkt an die ISPs weiterleiten. Jegliche unabhängige Kontrolle oder die Möglichkeit der Berufung würden damit entfallen.

Die IWF jedoch steht zu den neuen Maßnahmen. In einer gestern herausgegebenen Presseerklärung hieß es, die IWF habe seit der Gründung im Jahr 1996 einem Prozedere gefolgt, das darin bestand, Provider auf individuelle Inhalte, die als illegal beurteilt und auf einem britischen Server gehostet wurden, aufmerksam zu machen und deren Löschung zu verlangen; gewöhnlich habe es sich dabei um Kinderpornographie gehandelt und für gewöhnlich finde sich diese in Newsgroups. Das Arrangement habe sich bewehrt. "Mehr als 40.000 kinderpornographische Inhalte wurden entfernt und kein ISP wurde je gerichtlich belangt", sagte die IWF, "trotzdem hat sich der Vorstand nun entschlossen, das Netz in zwei entscheidenden Belangen enger zu ziehen."

Der IWF zufolge sind es von den derzeit ca. 40.000 Newsgroups nur 30, in denen regelmäßig kinderpornographische Materialien auftauchen. Deshalb werde man ab nun den Providern empfehlen, Newsgroups zu sperren, in denen regelmäßig Kinderpornographie zirkuliert oder deren Namen die Vermutung nahelegen, dass sie hauptsächlich diesem Zweck dienen.

Laut Caspar Bowden, Direktor der Foundation for Information Policy Research (FIPR), hat mit Hutty "der einzige echte Bürgerrechtsaktivist im Vorstand der IWF" dieser den Rücken gekehrt. Auch der Rücktritt des im Dezember zurückgetretenen Clive Feather sei aus ähnlichen Motiven erfolgt. Hutty ist Generaldirektor der "Kampagne gegen Internetzensur" in Großbritannien und Mitglied im Beirat von FIPR. Unter den neuen Vorstandsmitgliedern, die Hutty und Feather ersetzen, befinden sich eine Kinderpsychologin und ein ehemaliger Polizist, der fünf Jahre die Anti-Kinderpornographie-Einheit von New Scotland Yard geleitet hat. Auch der zukünftige CEO der IWF, der im April den Posten übernehmen wird, ist ein Ex-Polizist.