Streumunition: Bundespräsident Steinmeier gegen Kritik an USA
In den USA und in der Nato wird Kritik an Lieferung von Streubomben an die Ukraine laut. Deutschland steht hinter Weißem Haus. Das sind die verschiedenen Positionen.
Krieg ist immer brutal – aber es gibt Waffen, die einfach nur barbarisch sind. Streubomben gehören ohne Zweifel dazu, weil die hohe Zahl an Blindgängern über Jahre hinaus eine Gefahr für Zivilisten darstellen. Die US-Regierung will sie dennoch in die Ukraine liefern, was hitzige Debatten ausgelöst hat.
Wichtige US-Medien wie die New York Times oder die Washington Post veröffentlichten Artikel, in denen sie vor der Lieferung warnten. Menschenrechtsorganisationen protestierten gegen die US-Pläne. Verbündete rieten vom geplanten Schritt ab.
Anders dagegen Deutschland. Die Bundesregierung zeigte jüngst Verständnis dafür, dass die USA der Ukraine die geächteten Streubomben liefern will. Und nach Auffassung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss die Bundesregierung die US-Pläne akzeptieren.
Die deutsche Position zu Streubomben
Im ZDF-Sommerinterview am Sonntag machte Steinmeier in dieser Frage einen Spagat. Es sei zwar richtig, sich gegen Streumunition auszusprechen. Aber die Bundesregierung könne "in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen".
Diese Position lässt viel Raum für Interpretationen, denn Steinmeier machte nicht deutlich, warum die Bundesregierung die Führungsmacht kritisieren sollte. Schließlich sprach sich mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak auch ein Verbündeter gegen die Lieferung von Streumunition an die Ukraine aus.
Auch die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles hatte sich am Samstag im spanischen Fernsehen gegen die Lieferung dieser Waffen ausgesprochen. Selbst bei einer "legitimen Verteidigung" dürfe Streumunition nicht eingesetzt werden.
Im Jahr 2008 hatte Steinmeier noch anders geklungen, als er als deutscher Außenminister in Oslo das internationale Abkommen zur Ächtung der Streumunition unterschrieb. Eigentlich hatte sich Deutschland mit dem Abkommen verpflichtet, Länder wie die USA vom Gebrauch der Streubomben abzuhalten. Nun zeigt sich in Steinmeiers Haltung, dass sich die deutsche Staatsführung offenbar bereitwillig Entscheidungen des Weißen Hauses unterordnet.
Zwei vermeintliche Gründe für die Lieferung von Streubomben
In Washington ist offenbar die Verzweiflung groß, dass die ungezählten Lieferungen von Waffen und Munition an die Ukraine keine entscheidenden Fortschritte zeigen. Einer Reporterin von ABC News sagte Biden, der Ukraine gehe die Munition aus. In einem Video, das auf Twitter kursiert, sagte Biden, der USA gehe die Munition aus.
Ähnliches hatte er zuvor auch in einem Interview mit CNN gesagt. Weil sowohl der Ukraine als auch den USA die Munition ausgehe, sollen Streubomben geliefert werden, bis die USA wieder in der Lage seien, mehr von der benötigten herkömmlichen Artilleriemunition zu produzieren.
Die Lieferung von Streubomben könnte allerdings auch ein Eingeständnis sein, dass die Offensive der ukrainischen Armee an den russischen Verteidigungsanlagen zu scheitern droht. Die Clusterbomben könnten den ukrainischen Truppen aber einen militärischen Vorteil im Kampf gegen die russischen Verteidigungsanlagen bringen, schreibt die New York Times.
Warum der Einsatz dennoch falsch ist
Die Annahme eines militärischen Vorteils sei allerdings "eine fehlerhafte und beunruhigende Logik". Denn ihr Einsatz stelle hauptsächlich für Zivilisten eine erhebliche Gefahr dar und sollten daher von den USA nicht verbreitet werden.
Der Grund dafür ist, dass nicht alle Bomblets so explodieren, wie sie sollen, und dass Tausende von kleinen, nicht explodierten Granaten jahrelang, ja sogar jahrzehntelang herumliegen können, bevor jemand - oft ein Kind, das ein buntes, batteriegroßes Dingsbums auf dem Boden entdeckt - es versehentlich auslöst.
New York Times
Es gebe zudem eine berechtigte Debatte darüber, ob die Lieferung von Streubomben auf eine "Art von Mission Creep" hinauslaufe, also auf eine schrittweise Ausweitung der Intervention. "Die Entsendung von Streumunition in die Ukraine stellt eine klare Eskalation eines Konflikts dar, der bereits viel zu brutal und zerstörerisch geworden ist."
Eskalation des Konflikts
Auch in Russland wird die Entscheidung Washingtons als Eskalation des Krieges wahrgenommen. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat wegen der angekündigten Lieferung von Streubomben an die Ukraine den USA vorgeworfen, einen Atomkrieg zu provozieren. "Vielleicht hat der von kranken Fantasien geplagte sterbende Opa einfach entschieden, schön abzutreten, ein atomares Armageddon zu provozieren und die halbe Menschheit mit sich in den Tod zu reißen", schrieb er am Samstag auf Telegram.
In anderen Telegram-Kanälen wird darauf hingewiesen, dass Russland seinerseits sein Arsenal an Streubomben zum Einsatz bringen könnte. So sei die russische Armee im Besitz von 500-kg-Bomben mit Streumunition, die eine etwa einhundertmal so große Sprengkraft habe, wie die Artilleriemunition, die nun von den USA geliefert werden soll.
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