Stromspeicher im Zeitalter der Erneuerbaren Energien
Vanadium-Systeme können Alternativen zu Pumpspeichern und Lithium-Batterien sein
Der Bau von Pumpspeicherkraftwerken zum Ausgleich der unregelmäßigen Stromerzeugung aus PV und Wind stößt vielfach auf Widerstand - und die Sicherheit von Lithium-Polymerakkus ist durchaus umstritten. Unter der Marke Gildemeister Energy Solutions offeriert die europäisch-japanische Firmengruppe DMG Mori Seiki ein Vanadium-Redox-Flow Speichersystem, das in Photovoltaik- und Wind-Systemen für die Speicherung von Erzeugungsüberschüssen und die Stromabgabe bei Dunkelheit oder Flaute dienen soll.
Entwickelt wurde das System bei Cellstrom im Österreichischen Wiener Neudorf. Telepolis befragte Lars Möllenhoff, den Geschäftsführer der Cellstrom GmbH, zu den Eigenschaften und Besonderheiten dieses Vanadium-Speichersystems.
Herr Möllenhoff - für wie viele Lade- und Entladezyklen ist das CellCube-System ausgelegt?
Lars Möllenhoff: Die Anzahl der Lade- und Entladezyklen, die mit dem CellCube möglich ist, liegt bei 20.000. Und genau das ist auch wahrscheinlich der größte Vorteil dieser Speichertechnologie: die nahezu unbegrenzte Zyklenanzahl.
Welche Lebenserwartung wird derzeit angenommen?
Lars Möllenhoff: Wir gehen von einer Lebenserwartung von mehr als 20 Jahren aus.
Welche Komponenten sind Lebensdauerbegrenzend?
Lars Möllenhoff: Der CellCube beinhaltet natürlich auch Verschleißteile, wobei viel Wert darauf gelegt wird dass es sich um Standard-Produkte namhafter Hersteller handelt, um die Ersatzteilbeschaffung langfristig sicher zu stellen. Darunter fallen etwa Pumpen oder andere mechanische Kleinteile, aber auch das eine oder andere elektronische Bauteil.
Lassen sich dies Komponenten im Rahmen der Wartung austauschen?
Lars Möllenhoff: Ja, das ist ein ganz wichtiges Element der Wartungsstrategie.
Welche Wartungszyklen sind vorgesehen?
Lars Möllenhoff: Wir warten jeden CellCube routinemäßig einmal im Jahr.
Ist eine Fernwartung möglich?
Lars Möllenhoff: Ja. Wir haben von unserer Service-Zentrale aus online Zugang zu allen CellCubes und können so die Fernwartung durchführen. Zusätzlich verfügt jeder CellCube über ein Überwachungssystem, welches bei Auftreten eines Problems automatisch eine Mitteilung schickt.
Kann der Betreiber die Wartung nach Einweisung selbst vornehmen oder ist ein Wartungsvertrag zwingend?
Lars Möllenhoff: Der Kunde kann auf Wunsch die Wartung selbst vornehmen. Wir bieten dazu die Möglichkeit zu einem Training in unserer Fertigung.
Das Inselsystem auf Pellworm nutzt einen Hybrid-Speicher mit einer Lithium-Ionen-Parallel-Installation. Welchen Vorteil bietet dies?
Lars Möllenhoff: Das Ziel von E.ON ist es, die Vorteile verschiedener Speichertechnologien zu verbinden. Die Lithium-Ionen-Technologie eignet sich eher für eine sehr kurzzeitige Bereitstellung von Energie im Minutenbereich, während der CellCube für den langfristigen Einsatz mehrerer Stunden bzw. Tage gedacht ist.
Lässt sich ein solches System auch autonom - also ohne Netz-Anschluss - betreiben?
Lars Möllenhoff: Ja, der CellCube eignet sich sogar sehr gut für einen sogenannten Inselbetrieb.
Ist nach einem lokalen Verteilnetzausfall ein Schwarzstart möglich?
Lars Möllenhoff: Ja, auch das kann der CellCube. Es kommt hier auf die richtige Leistungselektronik an, die wir anwendungsspezifisch in unsere Systeme integrieren.
Lassen sich Systemteile des CellCube recyclen?
Lars Möllenhoff: Wir gehen einen Schritt weiter: Besser als recyclen ist das Vermeiden! Die Vanadium-Elektrolyt-Lösung wird nicht "kaputt" und kann nach Ablauf der Lebensdauer eines CellCube einfach im nächsten CellCube weiter verwendet werden.
Lithium-Systeme fallen aufgrund der hohen Energiedichte mit teils dramatischen Störfällen auf. Ist CellCube sicherer und wenn ja warum?
Lars Möllenhoff: Der CellCube ist deutlich sicherer, was mehrere Gründe hat. Zunächst die Tatsache, dass keine Wärme entwickelt wird. Weiters ist der Elektrolyt im CellCube weder brennbar noch explosiv.
Unterbrechungsfreie Stromversorgunger arbeiten bislang zu 95% mit Blei/Säure-Speicher. Ist CellCube auch für den Einsatz als USV geeignet?
Lars Möllenhoff: Natürlich. Allerdings muss man beim Thema USV immer hinterfragen, was genau darunter zu verstehen ist. Wenn es etwa darum geht, alle fünf Jahre bei einem Netzausfall drei Minuten zu überbrücken, dann reichen Bleibatterien vollkommen aus. Wenn wir aber von einem täglichen Einsatz des Speichers sprechen, der im Stundenbereich liegt, dann wäre der CellCube das Mittel der Wahl.
Bei Blei/Säure-Akkus besteht der begrenzende Faktor inzwischen beim Angebot an Blei. Gibt es einen ähnlichen begrenzenden Faktor beim Vanadium-System von CellCube?
Lars Möllenhoff: Nein, zum Glück nicht. Vanadium ist ein Element, welches in mehr als ausreichenden Mengen auf der Welt vorhanden ist.
Unterliegt der Nachschub mit den benötigten Ressourcen politischen Einschränkungen oder Begrenzungen?
Lars Möllenhoff: Vanadium ist nicht nur mehr als genug vorhanden, sondern die Vorkommen sind auch über den ganzen Erdball verstreut. Daher ist die Lieferung immer gewährleistet.
Bei der Finanzierung von Investitionen wird oft nach der Absicherung gegen einen Ausfall des Lieferanten oder des Wartungsunternehmens gefragt. Gibt es da ein Modell?
Lars Möllenhoff: Als Teil der DMG MORI SEIKI Gruppe sind wir mehr als abgesichert gegen einen "Ausfall" und haben damit einen Vorteil gegenüber vielen anderen Start-ups.
Seit wann wurde CellCube entwickelt?
Lars Möllenhoff: Seit 1999 läuft die Forschung und Entwicklung, erste Feldtestanlagen wurden 2004 in Betrieb genommen, im Jahre 2008 wurde der CellCube am Markt eingeführt.
Wo werden CellCubes produziert?
Lars Möllenhoff: In Wiener Neudorf, südlich von Wien.
Wieviele CellCubes sind installiert?
Lars Möllenhoff: Rund 100 Projekte in den vergangenen 4 Jahren.
Gibt es Angaben zur Effizienz?
Lars Möllenhoff: Der Gesamtwirkungsgrad liegt zwischen 70 und 80%.
Lassen sich CellCube-Systeme im Betrieb erweitern?
Lars Möllenhoff: Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir sind in der Lage, sowohl die Leistung als auch die Speicherkapazität vor Ort zu erweitern. Dies ermöglicht unseren Kunden eine hohe Flexibilität bei der Verwendung unserer Speicher.