Studie: Vertrauen in ARD und ZDF auf Alllzeittief

Untersuchung zu Glaubwürdigkeit, Entfremdung und "Medienzynismus". Es geht um etablierte und "alternative" Medien. Warum wir die Ergebnisse kritisch nutzen sollten.

"Etwas Besseres als eine gesunde Skepsis kann doch dem Journalismus gar nicht passieren!" Das sagte Journalistik-Wissenschaftler Michael Haller jüngst im Gespräch auf der Hörsaalbühne nach seinem öffentlichen Vortrag an der Universität Leipzig, anlässlich eines großen Treffens von ehemaligen und heutigen Leipziger Journalistik-Leuten, zum Thema "Kritische Anmerkungen zum Zustand des deutschen Journalismus".

In der Tat: Journalistische Medien, denen (fast) alles schlicht geglaubt würde, wären im Sinne von Demokratisierung nicht weniger problematisch als solche, die gesellschaftlich einfach ignoriert würden. Was also sollen und dürfen wir "den Medien glauben"?

Ironie der Geschichte zum Beispiel an der Stelle: Ein Bericht im Berliner Tagesspiegel behauptet in der Unterzeile seiner Zusammenfassung der aktuellen neuesten, also achten Ausgabe der Langzeitstudie "Vertrauen in Medien" der Universitäten Mainz und Düsseldorf: Fernsehen bleibt das glaubwürdigste Medium".

Mal abgesehen davon, dass "Glauben" und "Vertrauen" ziemlich Unterschiedliches bedeutet, stimmt das schlicht nicht: Wie es im Artikel dann selber heißt, ist laut jener Studie weiterhin (wenn auch mit sinkender Tendenz und selbst auf einem "Allzeittief") das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Medienvergleich jene Gattung, der hierzulande am meisten vertraut wird – mit 62 Prozent Antworten für "sehr/eher vertrauenswürdig", während es zum Beispiel mit Blick auf das privat-wirtschaftliche TV nur 21 Prozent Antworten "sehr/eher vertrauenswürdig" gibt (und während merkwürdigerweise Radio/Audio als Mediengattung auch diesmal gar nicht auftaucht in der Studie, obwohl doch manche/r sich auch dort informationell grundversorgt bei Deutschlandfunk etc.).

Schauen wir kritisch auf einige Aspekte dieser aktuellen Studie in ihrer Langfassung, veröffentlicht in der empirischen Fachzeitschrift Media Perspektiven, die vom Intendanten des Hessischen Rundfunks, Florian Hager, herausgegeben wird. Die Zeitschrift, die seit 2023 nur noch online erscheint, ist Teil der ARD-MEDIA GmbH in Frankfurt am Main und wird damit aus unseren Rundfunkbeiträgen finanziert.

Die Studie wiederum sei, schreiben deren Verfasser:innen, weiterhin "wissenschaftlich unabhängig", allerdings werde sie seit dieser neuen Welle finanziell unterstützt von der Bundeszentrale für politische Bildung. Wichtig zu wissen! Laut Studie wurden im Dezember 2022 insgesamt 1.200 Bundesbürgerinnen und -bürger ab 18 Jahren durch das Meinungsforschungsinstitut "Kantar" per Telefon und computergestützt repräsentativ befragt.

Die folgenden vier Punkte werden von den neun (!) Autorinnen und Autoren selbst als das Wichtigste "kurz und knapp" zusammengefasst:

• 2022 ist das Medienvertrauen zurückgegangen, liegt aber nach wie vor auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie.

• Die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg führte bisher zu keinem vergleichbaren Anstieg im Medienvertrauen wie nach dem Ausbruch der Pandemie.

• Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat das höchste Vertrauen aller Gattungen, verzeichnet aber den niedrigsten Wert seit Beginn der Langzeitstudie.

• Der Anteil an Menschen, der auf etablierte Medien extrem kritisch bis feindselig blickt, ist leicht gestiegen.

Jeder dieser Punkte birgt Spannendes: Das Vertrauen in (große) Medien sinkt laut Studie - und selbst der Kriegs-Einschnitt seit Ende Februar 2022 führt hier jedenfalls zu keiner "Zeitenwende" im Sinne eines deutlichen "Sich-um-die-Regierung-Scharen" (wie noch eingangs der Corona-Pandemie).

Das öffentlich-rechtliche TV bleibt relativ vertrauenswürdig, büßt aber mit acht Prozentpunkten im Vergleich zu 2020 deutlich ein bis hinab auf ein "Allzeittief".

Und die Gruppe von Menschen, die deutliche Skepsis – bis hin zu Ablehnung –gegenüber etablierten Medien zeigen, wachse ein wenig weiter, im Bereich von knapp 20 Prozent der Menschen:

Es besteht nach wie vor ein harter Kern an Kritikern, die den (sic!) Medien regelrecht feindselig und ablehnend gegenüberstehen.

In der Studie wird für solche Kontexte auch das Wort "Medienzynismus" verwendet, was merkwürdig abwertend klingt: Laut Duden bedeutet "zynisch" heutzutage und hierzulande vor allem "auf grausame, den Anstand beleidigende Weise spöttisch".

Im Vergleich zur Corona-Zeit sei der Anteil der Menschen, die "extrem kritisch bis feindselig" auf etablierte Medien blickten – man spreche in der Langzeitstudie daher eben auch von "Medienzynismus" – leicht gestiegen: In der neuen Umfrage bejahten 14 Prozent die Aussage, die Bevölkerung in Deutschland werde "von den Medien systematisch belogen". Am Ende des ersten Pandemiejahres 2020 war die Zustimmung dazu laut Studie auf elf Prozent gesunken, in den Jahren zuvor habe sie zwischen 13 und 19 Prozent gelegen.

Covid-Nebenwirkung: Schwindendes Vertrauen in etablierte Medien

Nach Abklingen der Covid-19-Pandemie habe sich im Rückblick die Wahrnehmung der Medienrealität geändert:

Die Berichterstattung der Medien über Corona wird nach der Pandemie kritischer beurteilt als während der Pandemie: Hatten 2020 noch 63 Prozent Vertrauen in die Corona-Berichterstattung der etablierten Medien in Deutschland, waren es am Ende des Jahres 2022 nur noch 43 Prozent.

Interessant der Befund zum Thema "Krieg in der Ukraine": Hier sind es laut Studie (nur) 45 Prozent der Befragten, die den etablierten Medien voll und ganz/eher vertrauen, und damit weniger als beim allgemeinen Vertrauensniveau hinsichtlich wichtiger Themen (49 Prozent). Von allen abgefragten konkreten Themenbereichen ist laut Studie das Vertrauen übrigens am geringsten beim Thema "Energieversorgung in Deutschland" mit insgesamt nur 36 Prozent Vertrauen (sehr/eher).

Bemerkenswert die Sicht der Studie auf nicht-etablierte Medien: Bezüglich Informationsangeboten im Internet hielten – wie in den Vorjahren – nur wenige Menschen Informationen von Videoplattformen für vertrauenswürdig (sieben Prozent). Unverändert niedrig sei auch das Vertrauen in Informationen sogenannter Sozialer Netzwerke (fünf Prozent) und Messenger-Dienste (fünf Prozent).

Ein sehr deutlicher Vertrauensrückgang sei bei "alternativen Nachrichtenseiten" zu verzeichnen: Vertrauten im Jahr 2020 noch 14 Prozent diesen Angeboten, seien es Ende 2022 nur noch fünf Prozent gewesen – das wäre ein Rückgang auf gut ein Drittel des Niveaus innerhalb von zwei Jahren.

Wie so oft lohnt an der Stelle ein Blick in das "Kleingedruckte", hier in die Fußnoten am Ende der Studie: "Neben einer etwaigen steigenden Unzufriedenheit mit diesen Angeboten könnte hierfür auch eine Aktualisierung der Beispiele für alternative Medientitel verantwortlich sein, die den Befragten im Jahr 2022 vorgelesen wurden."

In früheren Fällen seien diese Beispiele gewesen: "Politically Incorrect, Compact, Deutsche Wirtschaftsnachrichten oder Russia Today". Im Dezember 2022 habe man – unter anderem aufgrund der Sperrung von Russia Today in Deutschland – als Beispiele nunmehr "Junge Freiheit, Reitschuster, Compact, Tichys Einblick" verwendet. Das erscheint als eine erstaunlich einseitige Auswahl aus dem Spektrum möglicher "alternativer Nachrichtenseiten". 2022 noch "einseitiger" als schon 2020.

Jedenfalls: Diese – laut Studie – schwachen und tendenziell sinkenden Werte für wie auch immer "alternative Medien" scheinen die Wissenschaffenden vor allem als Hoffnung für etablierte Medien zu sehen:

Jene Ausgangssituation könne nämlich als "Chance für etablierte journalistische Medien interpretiert werden, mit den eigenen professionellen Angeboten sowohl über traditionelle Verbreitungswege als auch über starke eigene Auftritte im Internet beim Publikum zu punkten und sich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger durch ein ebenso breites wie informatives und substanzielles Angebot langfristig zu sichern".

Man kann dies als dankenswerte Offenheit hinsichtlich der eigenen Position und Interessenlage der Studien-Verantwortlichen interpretieren.

Erhellend auch der Bereich "differenzierte Einstellungen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Insgesamt halten – wie gesagt – laut Studie 62 Prozent der Befragten das öffentlich-rechtliche TV für sehr/eher vertrauenswürdig.

In den alten Bundesländern seien dies dabei 66 Prozent, in den neuen Bundesländern nur 41 Prozent. Zwischen diesen beiden Teil-Populationen scheinen also auch in jener Hinsicht Welten zu liegen.

Noch krasser ist die Ost-West-Differenz bei der Antwort: "keine angemessene Darstellung der gesellschaftlichen Meinungsvielfalt": Nur 22 Prozent im Westen, aber fast doppelt so viele Menschen (41 Prozent) im Osten stimmen dem zu. Deutschlandweit scheint zu gelten: In urbanen Milieus wird dem öffentlich-rechtlichen TV deutlich mehr vertraut als in ländlichen.

Besonders bemerkenswert die Übereinstimmung von parteipolitischer Orientierung der Befragten und ihrer vertrauensvollen Haltung zu ARD und ZDF: Einsame Spitze hier die Grünen: 84 Prozent ihrer Anhängerinnen und Anhänger äußern hohes Vertrauen zu diesen Medien, und auch andersherum wird ein (grüner) Schuh daraus: Nur zwölf Prozent der "Grünen" im Panel finden, die Programme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens stellten die gesellschaftliche Meinungsvielfalt nicht angemessen dar.

Eine Art Gegenstück hierzu die Befragten mit angegebener AfD-Präferenz: 18 Prozent Vertrauen (immerhin, mag man sagen) und 72 Prozent Kritik wegen fehlender Meinungsvielfalt. Generell sagten nur 40 Prozent der Befragten, ARD und ZDF stellten die gesellschaftliche Meinungsvielfalt angemessen dar.

Das mag nicht zuletzt mit folgender Wahrnehmung zusammenhängen: Insgesamt sagen laut Studie nämlich immerhin 37 Prozent der Befragten, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei "zu eng mit der Politik verbunden".

Verbesserung hinsichtlich der Entfremdung gegenüber großen Medien?

Während also die Studien-Verantwortlichen einerseits die Verfestigung eines Kernbestandes von Menschen als "Medienzyniker" beschreiben, die vor allem etablierten Medien "feindselig und ablehnend" gegenüberstünden, sei andererseits hinsichtlich einer allgemeineren "Entfremdung" gegenüber großen Medien "Verbesserung" zu beobachten, womit offenbar gemeint ist, dass diese Mess-Werte für weite Teilen der Bevölkerung sänken.

Das betrifft laut Daten der Studie vor allem (aber nicht nur) Leute, die sich den Ampel-Regierungsparteien verbunden sehen: Das Maß der Entfremdung sei gesunken zwischen 2018 und 2022 gerade bei Grünen-Anhängern (von 39 Prozent auf zwölf Prozent um 27 Prozentpunkte, auch hier der absolute Spitzenwert), bei SPD-Anhängern (von 40 Prozent auf 23 Prozent um 17 Prozentpunkte) und bei FDP-Anhängern (von 50 Prozent auf 35 Prozent um 15 Prozentpunkte).

Aber selbst bei der CDU/CSU-Anhängerschaft wurden 14 Prozentpunkte Entfremdungsminderung gemessen (von 46 Prozent auf 32 Prozent), und sogar bei der Linken-Klientel (5 Prozentpunkte weniger, von 45 Prozent auf 40 Prozent) und selbst bei jener der AfD (zwei Prozentpunkte weniger, von 79 Prozent auf 77 Prozent).

Insofern wenig verwunderlich, dass insgesamt der Faktor "Entfremdung den Medien gegenüber" als nunmehr deutlich geringer gemessen werden kann: Mehrere gravierende Krisen und einen Regierungswechsel später im Vergleich zu 2018 haben sich bestimmte Synchronisierungen zwischen Regierungspolitik, etablierten Medien und offenbar weiteren Teilen der Publika hierzulande als noch 2015 oder 2017 anscheinend messbar verstärkt.

Gerade in der aktuellen Militärpolitik gibt es ja eine riesengroße Koalition und parlamentarische Mehrheiten weit über die faktischen Regierungsparteien hinaus. Was nicht unbedingt repräsentativ sein muss für die tatsächliche Stimmung der Menschen hierzulande – Stichworte: Wer beteiligt sich noch an Wahlen, oder eben auch an solchen Umfragen?

Es dürfte bestimmte, womöglich nicht gerade geringe, aber öffentlich kaum sichtbare Teile der Bevölkerung geben, die sich weitgehend aus den herrschenden politischen und publizistischen Abläufen verabschiedet haben.

Heiko Hilker, MDR-Rundfunkrat und Medienexperte aus Dresden, sagt zu dieser Studie und insbesondere zum gerade skizzierten Problembereich, dass hier weniger Vertrauen in Medien gemessen werde, sondern die Ergebnisse vielmehr eine allgemeine Haltung zur jeweiligen Regierung deutlich machten.

Wichtiger seien etwa Fragen, wie sie in früheren Studien noch gestellt wurden: Inwieweit Medien wahrheitsgemäß berichteten, ihre gesellschaftlichen Aufgaben erfüllten, die Wirklichkeiten der Menschen wiedergeben würden.

Hilker weist darauf hin, dass in derselben Fachzeitschrift Media Perspektiven, die auch die aktuelle Studie veröffentlichte, bereits im November 2017 ein Artikel zum Thema "Medienvertrauen und Informationsverhalten von politischen Zweiflern und Entfremdeten" erschien, mit folgender Zusammenfassung durch die Verfasser:

Dabei zeigt sich, dass Medienvertrauen in einem deutlichen Zusammenhang mit der generellen Unzufriedenheit mit dem politischen System und der Wahrnehmung einer geringen politischen Wirksamkeit steht. Je stärker die Zweifel am politischen System sowie das Gefühl der eigenen Wirkungslosigkeit ausgeprägt sind, umso kritischer ist das Bild von der Berichterstattung in den klassischen Medien (…). Menschen, die starke politische Zweifel und ein geringes Wirksamkeitsempfinden haben, vertrauen den Printmedien und den öffentlich-rechtlichen Sendern weniger, stattdessen stärker den Informationen in sozialen Netzwerken.

Solcher Tenor scheint skeptische, abweichende Haltungen fast schon als pathologische zu markieren und in der Tendenz auszugrenzen, siehe das Schlagwort "Medienzynismus". Um stattdessen auf den Vorschlag von Michael Haller (s.o.) mit seiner "gesunden Skepsis" gegenüber Medien zurückzukommen: "Kritische Mitte" nennen die Autorinnen und Autoren der Langzeitstudie jene Leute, die typischerweise mit "teils/teils" antworten auf die Frage, inwiefern sie welchen Mediengattungen vertrauen.

Mit dieser Antwort "teils/teils" ist mehr eigene Anstrengung und Abwägung im Einzelfall verbunden. Die entsprechende Haltung scheint unbequemer sowohl für die Einzelnen als auch für ihre Gemeinschaften und für die Gesellschaft. Scheinbar einfacher wäre es, alles zu glauben oder alles zu ignorieren, was gerade große Medien anbieten.

Vielleicht ist daher "kritische Masse" treffender, auch bezüglich des Änderungsbedarfes und mit Blick auf tatsächlich gebrauchswerte Medien. Journalismus als Mittel von Demokratisierung bleibt Aufgabe, nicht zuletzt im Sinne jenes Argumentes, das u.a. (und wohl fälschlicherweise) George Orwell zugeschrieben wird und jedenfalls bedenkenswert bleibt: Journalismus heiße, etwas zu veröffentlichen, was manche Leute gerade nicht veröffentlicht sehen wollen. Alles andere sei Auftragskommunikation, also Werbung oder Marketing, PR oder Propaganda, meist im Sinne der wirtschaftlich Starken und/oder politisch Mächtigen.