Studie zum Zustand der Welt: Sechs von neun planetaren Grenzen bereits überschritten
Globale Erwärmung, Biosphäre, Entwaldung, Schadstoffe, Stickstoffkreislauf und Süßwasser: Aktueller Zustandsbericht muss alarmieren. Wie geht es der Erde verglichen mit einem Körper?
Wasser zum Trinken, Frischluft zum Atmen, Getreide zum Backen, Holz zum Bauen – für die Spezies Mensch sind das überlebenswichtige Ingredenzien. Angesichts von aktuell mehr als acht Milliarden Menschen stellt sich die Frage: Wie viel ist davon eigentlich für alle vorhanden? Und wie steht es zukünftig um die Systemdienstleistungen des Planeten? Denn als solche werden das Generieren von Frischluft, das Wachstum von Holz und das Filtern von Trinkwasser in der Wissenschaft bezeichnet.
Ein internationales Forschungsteam hat jetzt die natürlichen Belastungsgrenzen der Erde untersucht. Die Wissenschaftler:innen um den Schweden Johan Rockström – er leitet das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK – definieren neun solcher Grenzen.
Vergleichbar mit dem Blutdruck
Dazu gehörten etwa der Süßwasserverbrauch, die Funktionsfähigkeit der Biosphäre, das Abholzen und andere Landnutzungsänderungen wie etwa das anhaltende Betonieren von Natur für Straßen oder Gewerbegebiete oder die Verschmutzung der Umwelt durch Plastik und Chemikalien. Das im Fachblatt Science veröffentlichte Ergebnis ist verheerend: Sechs der neun Grenzen sind bereits überschritten.
"Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht", urteilt Co-Autor Johan Rockström. Würden wir uns die Erde als einen menschlichen Körper vorstellen, wären die planetaren Grenzen so etwas wie der Blutdruck. "Ein Blutdruck von über 120/80 bedeutet zwar nicht, dass ein sofortiger Herzinfarkt droht, aber er erhöht das Risiko", erklärt Hauptautorin Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen.
Überschritten sei beispielsweise die Grenze für die "Verschmutzung der Umwelt durch Plastik und Chemikalien": Die Menschheit hat so viel Mikroplastik, Pestiziden oder Atommüll in die Umwelt eingebracht, dass der Planet dadurch nachhaltig verändert wird.
Auch die Grenze für "Süßwasser" ist überschritten: Die Wissenschaftler:innen unterschieden dabei in sogenanntes "grünes" Wasser, das in landwirtschaftlichen und natürlichen Böden und Pflanzen enthalten ist, und in "blaues" Wasser, das in Flüssen, Seen oder Mooren vorkommt. Ersteres wird übernutzt, letzteres verdreckt oder trocken gelegt.
"Neben dem Klimawandel ist die Funktionsfähigkeit der Biosphäre die zweite Säule der Stabilität unseres Planeten", erklärt Co-Autor Wolfgang Lucht. Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am PIK. Beim Klimawandel sind die Belastungsgrenzen erreicht, beim Artensterben aber bereits überschritten.
"Wie beim Klima destabilisieren wir derzeit auch diese Säule, indem wir zu viel Biomasse entnehmen, zu viele Lebensräume zerstören, zu viele Flächen entwalden", urteilt Lucht. Erstmals wertet die Studie wissenschaftliche Belege für die Quantifizierung der "Grenze für die Aerosolbelastung der Atmosphäre" aus.
Aerosole sind Schmutzpartikel, die durch menschliche Aktivität in die Luft gelangen, Rußpartikel aus den Autoabgasen beispielsweise. Zwar ist diese Grenze noch nicht komplett überschritten, allerdings gibt es Regionen, in denen die Wissenschaftler:innen eine Überschreitung konstatieren, zum Beispiel in Südasien.
Der Erdüberlastungstag erinnert jedes Jahr an das Problem
Waldvernichtung, Vergiftung mit Chemikalien, Klimaerwärmung, Artenverlust, Stickstoffkreislauf und Süßwasser, sind jene planetaren Grenzen, die überschritten sind, Ozonschicht, Ozeanversauerung und Luftverschmutzung noch nicht: Entwickelt hatte das Konzept der planetaren Grenzen 2009 eine Gruppe von 29 Wissenschaftlern, zu denen neben Johan Rockström, Åsa Persson vom Stockholm Resilience Centre, der Nobelpreisträger Paul Crutzen und eben auch die dänische Biologin Katherine Richardson gehörte.
Die jetzt vorgestellte Arbeit aktualisiert nicht nur den Wissensstand, sondern liefert auch neue Methoden zur Berechnung der planetaren Grenzen. Johann Rockström "Dieses Wissen zur Verfügung zu haben ist eine ausgezeichnete Grundlage dafür, durch systematischere Anstrengungen Schritt für Schritt die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten zu schützen, erholen zu lassen und wieder herzustellen."
Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen ist nicht das einzige, um den zügellosen Raubbau der Menschheit auf der Erde zu beschreiben: Das Global Footprint Network ermittelt jedes Jahr jenen Tag, an dem die menschliche Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen das Angebot und die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen in einem Jahr übersteigt. Erdüberlastungstag war in diesem Jahr der 2. August.
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