Subprime-Krise: Credit Crunch erreicht Asien
Die asiatische Wirtschaft darf nun beweisen, ob sie tatsächlich so stark ist, wie in Europa und den USA gehofft wird, während in den USA nun auch Kreditkarten- oder Leasing-Firmen in Not geraten
Während die führenden westlichen Finanzinstitute bislang schon Abschreibungen von mehr als 65 Milliarden USD auf ihre Bestände an strukturierten Finanzanlagen meldeten, hieß es bislang, dass immerhin bei asiatischen Geldhäusern dahingehend kaum relevante Engagements vorliegen würden. Tatsächlich hatte sich die asiatische Finanzszene eher auf den China-zentrierten Aktienmarkt konzentriert und die Probleme der amerikanischen und europäischen Geldhäuser lange beiseite geschoben.
In den letzten Wochen dürften sich die Märkte jedoch auf die Frage konzentriert haben, ob denn nicht auch in Asien „toxic waste“ vorhanden sei und so manche ruinösen Abschreibungsbedarf haben könnten. In der Folge liegen wie die westlichen Aktienbörsen jetzt auch die asiatischen Indizes allesamt trotz der dieswöchigen Kursavancen um die zehn Prozent unter den jüngsten Höchstständen. Denn angesichts der anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten sah sich Federal Reserve Vice Chairman Donald Kohn genötigt, in einer Rede die Befürchtung zu äußern, dass diese Turbulenzen auch die Kredite an Unternehmen und Konsumenten verringern könnten. Das deuteten die Finanzmärkte als klaren Hinweis auf weitere Leitzinssenkungen, was der New Yorker Aktienbörse die stärkste Zwei-Tages-Rally seit 2004 einbrachte und die Börsen weltweit stärkte.
Vergangene Woche war in Asien jedoch eine „Flucht in die Qualität“ erfolgt, die nicht weniger rapide und kräftig ausfiel, als jene im August an der Wall Street und in Europa. So fiel die Umlaufrendite von chinesischen und koreanischen 3-Monats-Papieren mit staatlicher Garantie durch die gewaltige Nachfrage innerhalb weniger Tage von vier auf ein Prozent, was überhaupt noch nie vorgefallen ist.
Verkauft wurde letzte Woche aber nicht nur alles, was typischerweise mit Risiken behaftet ist, wie z.B. Aktien, sondern auch sonst eigentlich als risikolos geltenden Geldmarktfonds. Das hat in der Folge zu Stress an den Märkten für kurzfristige verbriefte Unternehmensfinanzierungen geführt und sollten die Geldmarktfonds das Vertrauen nicht rasch zurück gewinnen, könnte das drastische Folgen für die asiatische Wirtschaft haben. Und diese Woche kam es zwar zu einer leichten Befestigung der Aktienmärkte, der Stress an den CP-Märkten habe sich aber nur geringfügig abgeschwächt.
Denn die meisten Investmentfonds halten fünf bis zehn Prozent Liquidität und wohl mehr als die Hälfte davon in der Form von Geldmarktfonds. Diese Fonds bilden normalerweise kostengünstig den Geldmarktsatz ab und investieren in Commercial Paper (CP), kurzfristige Schuldtitel von z. B. Unternehmen; aber auch in die nun so anrüchig gewordenen strukturierten Papiere wie CDOs (Doppelte Niederlage für Wall Street-Mathematik). Jedenfalls fließt die Liquiditätshaltung der in Summe billiardenschweren Investmentfonds über die Geldmarktfonds in die kurzfristige Finanzierung von Unternehmen und Finanzinstituten, was ökonomisch eine sehr effiziente Angelegenheit ist und den Interessen beider Seiten dient. Fließen jetzt aber Gelder aus Geldmarktfonds ab, müssen diese ihre CDs und CDOs verkaufen um die Rückflüsse auszuzahlen. Diese dürften (verlässliche Zahlen gibt es nicht) erheblich gewesen sein, wie die Kursexplosion der sicheren Anlagen eindrucksvoll demonstriert, als diese Gelder plötzlich in Staatspapiere umgeleitet wurden.
Zur aktuellen Instabilität der Finanzmärkte dürfte auch beitragen, dass derzeit die Yen-carry-trades (der Kauf hochrentierlicher Anlagen/Währungen mit Yen-Niedrigzinsen) den Rückwärtsgang eingelegt haben. So stieg seit Anfang Oktober der Yen zum Dollar von Y118 auf Y108, was auf einen gewaltigen Yen-Bedarf aus dem Abbau an Yen-finanzierten Positionen schließen lässt. Betroffen ist nicht zuletzt die Tokioter Börse, wo der marktbreite Topix-Index heuer bereits 15 Prozent verloren hat. In den letzten Tagen dürfte sich zudem der Abbau bei riskanten koreanischen Anlagen beschleunigt haben. Jedenfalls hat der koreanische Won zuletzt sogar gegenüber dem Dollar verloren, von der Börse ganz zu schweigen, die in den letzten Wochen bereits mehr als zehn Prozent abgebröckelt ist.
Obwohl die Chinesische Börse wegen der internen Dynamik vom Carry-trade nicht so stark beeinflusst werden dürfte wie andere Märkte, haben die Kurse zuletzt ebenfalls stark nachgegeben, wobei die Aktien aber noch immer gut doppelt so hoch stehen wie vor einem Jahr. Angesichts der hohen Zahl an hysterisch-euphorischen Privatanlegern, die noch dazu gerne Gelder aus angeblichen Konsum- oder Hypothekartkrediten an die Börse leiten, könnte sie nun schwer unter einer Regierungsmaßnahme zu leiden haben. Denn die chinesische Regierung hat die Banken eindringlich aufgefordert, am Jahresende keinesfalls höhere Kredite ausstehen zu haben als am 31. Oktober. Angesichts der chinesischen Neigung, auf Kredit zu spekulieren, ergibt sich aus diesem behördlich verordneten Einfrieren der Kreditvergaben viel Potential für eine Dynamisierung einer eventuellen asiatischen Finanzkrise.
In Europa und in den USA bleibt die Unicherheit hoch
Der "European Covered Bond Council" hat den Handel mit Hypotheken bezogenen Bonds gerade ausgesetzt, weil sich die Ankauf/Verkauf-Spreads übermäßig stark ausgeweitet hatten und die Interbank-3-Monats-Zinsen so weit über den vergleichbaren Staatspapieren liegen wie zuletzt während des Börsencrash von 1987. Daran änderte sich auch wenig, nachdem die EZB auch bei ihrem dieswöchigen Tender wesentlich mehr Geld zugeteilt hat, als erwartet worden war.
Noch größer dürfte das Misstrauen gegenwärtig aber in den USA sein, jedenfalls ließ die gewaltige Nachfrage nach soliden Staatspapieren die Rendite der zehnjährigen US-Treasurys in den letzten drei Wochen um 48 Basispunkte (Bp.) auf 3,84% sinken, die damit erstmals seit Frühling 2004 wieder unter der vergleichbaren deutschen Euro-Anleihen rentierten.
Dennoch sollte man die USA ökonomisch vielleicht nicht so rasch abschreiben, wie es die aktuelle Dollar-Hysterie nahe legen würde. Denn da sich die Kosten für langfristige Kredite generell an den Renditen der Staatsanleihen orientieren, werden die jetzt höheren Risikoaufschläge für viele Unternehmen von den sinkenden Basiszinsen mehr als kompensiert. Die Rettung könnte aber diesmal vielleicht sogar nicht durch „Corporate-Amerika“, die großen börsenotierten Multis, erfolgen, sondern durch amerikanische Klein- und Mittelbetriebe. Denn während die Multis ihre Produktionen eher an ausländische Standorte verlagert haben, sind kleine Unternehmen in den letzten Jahren zusehends in Exportmärkte vorgedrungen, was seit dem Jahr 2000 stetig einfacher wurde, da der USD gegenüber dem Euro seither im Schnitt jährlich zehn Prozent verloren hat. Dementsprechend entfällt seit 2000 der gesamte Beschäftigungszuwachs auf Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern, und angesichts des zweifelsfrei unternehmerfreundlichen Umfelds scheinen Schätzungen realistisch, die allein vom Exportwachstum der KMUs für 2008 einen wenigstens einprozentigen BIP-Wachstumsbeitrag erwarten.
Derartige Impulse dürfte die US-Wirtschaft allerdings immer nötiger bedürfen, da neben den Immobilienkrediten gerade zwei weitere Säulen des amerikanischen Privatkonsums ins Wanken geraten: Zum einen zeigen die jüngsten Quartalsergebnisse der Auto- und Ratenfinanzierungsgesellschaften rapide verschlechterte Kreditqualität; zum anderen steigen die Probleme mit den Kreditkarten, wobei jeder US-Haushalt im Schnitt Kreditkartenschulden in Höhe von 6.600 USD hat, die mit bis zu 18 % Zinsen belastet sind. Die hohen Zinsen machten diese Schulden bislang allesamt zu höchst gefragtem Material für strukturierte Kreditprodukte, was mit Ausbruch der Subprime-Krise nun aber stark nachgelassen hat. Dadurch können die Kreditkarten- oder Leasing-Firmen diese Kredite nicht mehr verkaufen und müssen ihrerseits Refinanzierungsschwierigkeiten befürchten.
Für die Märkte für strukturierte Anleihen, an denen derzeit praktisch kein Handel stattfindet, weil sich Käufer und Verkäufer nicht auf Preise einigen können, könnte indes im Dezember die Stunde der Wahrheit herannahen. Denn da läuft bei einigen großen und in solchen Papieren engagierten Hedge Fonds – von denen im Verlauf der Krise erstaunlicherweise nichts mehr zu hören war - die Kapitalbindungsperiode aus, die ihre Investoren abzuwarten hatten, die im Sommer ihr Geld abziehen wollten. Sollten die betroffenen Fonds dafür keine Finanzierung auftreiben können, müssten größere Mengen dieser derzeit ja als unverkäufliche geltenden Papiere auf den Markt kommen, was kaum zur Beruhigung der Lage beitragen wird.