Sudan nach dem Putsch: Machtpoker mit ungewissem Ausgang

Der Umsturz unter General Abdel Fatah al-Burhan zeigt, dass die zivil-militärische Koalition keine Zukunft hat. Regionale Instabilität wird verstärkt

Im April 2019 wurde Sudans langjähriger Diktator Omar Al-Bashir gestürzt. Vorausgegangen waren monatelange Proteste weiter Teile der Bevölkerung. Entscheidend für den Machtwechsel war, dass sich – nach langem Zögern – auch die Militärs gegen Bashir stellten.

Es gelang der Protestbewegung nach intensivem Ringen, eine Beteiligung an der Macht durchzusetzen. Mit Billigung von den USA, Großbritannien, Saudi-Arabien sowie den Emiraten entstand so eine einmalige – und, wie sich jetzt, zeigt – fragile Übergangsregierung aus Militärs und zivilen Kräften.

Abdel Fatah al-Burhan. Bild Kremlin.ru / CC-BY-4.0

Am 25. Oktober 2021 putschte das Militär unter General Abdel Fatah al-Burhan gegen den seit 2019 amtierenden zivilen Regierungschef Abdalla Hamdok. Hamdok und weitere Mitglieder der Regierung wurden festgesetzt.

Das Militär verkündete den Ausnahmezustand, und das Internet wurde blockiert. Weite Teile der Bevölkerung wollen das nicht hinnehmen und gehen – mobilisiert von der Dachorganisation der zivilen Kräfte Forces of Freedom and Change (FFC) – auf die Straße.

Das Militär geht gegen die Demonstranten vor, es gab Tote und Verletzte. Die mit der Hoffnung auf einen friedlichen Übergang zur Demokratie und wirtschaftliche Verbesserung gestartete Regierung aus Militärs und zivilen Kräften ist vorerst am Ende.

Welche Aufgaben hatte die Übergangsregierung und warum ist sie gescheitert?

Der Antritt der Übergangsregierung vor zwei Jahren wurde mit Hoffnungen auf Fortschritt in folgenden Bereichen verbunden:

  • ökonomische Stabilität und Entwicklung,
  • Frieden und Sicherheit,
  • Übergang zu einem demokratischen System.

An allen drei Aufgaben ist die Übergangsregierung mehr oder weniger gescheitert.

Ökonomische Herausforderungen

Die Ökonomie des Sudan ist seit der Abspaltung des Südsudan mit der Herausforderung konfrontiert, das damit verbundene Wegbrechen von ca. dreiviertel der wichtigen Öleinnahmen zu kompensieren. Eine Aufgabe, die nur langfristig zu lösen und mit grundlegendem Strukturwandel verbunden ist.

In den Wochen vor dem Putsch spitzte sich obendrein die Versorgungslage dramatisch zu, da im Osten des Sudan Kräfte der Beja-Bevölkerung die Verkehrswege zur Hafenstadt Port Sudan blockierten. Es gibt Spekulationen, dass hinter diesen Blockadeaktionen Militärs stecken, um den zivilen Teil der Übergangsregierung unter Druck zu setzen. Eine Hyperinflation verschärft die Lage auch für große Teile der Bevölkerung zusätzlich.

Hinzu kommt, dass die Wirtschaft im Sudan traditionell eng mit dem Militär verflochten ist. Weite Teile der Wirtschaft sind im Besitz oder unter Kontrolle von Militärs und somit für notwendige Reformen kaum zugänglich – zumindest nicht ohne Pfründe zu gefährden und damit eine Zuspitzung der Machtfrage zu riskieren. Möglicherweise haben Versuche der zivilen Kräfte in dieser Richtung Putschgelüste befeuert.

Ein weiteres Problem ist die Auslandsverschuldung, bzw. der Zugang zu frischen Krediten – Mittel, ohne die eine Umgestaltung der Wirtschaft kaum machbar ist. Hier wurde durch die Übergangsregierung zumindest erreicht, dass über einen Schuldenerlass sowie weitere Finanzhilfen diskutiert wurde.

Allerdings machte der IWF zur Bedingung, dass die Subventionen für Brot und Öl gestrichen werden - eine Maßnahme, die nicht unbedingt zur politischen Stabilität im Land beiträgt.

Schnelle wirtschaftliche Verbesserungen für die Bevölkerung war eines der Versprechen der Übergangsregierung. Möglicherweise ein unrealistisches Versprechen, welches schnell zu enttäuschten Hoffnungen führte.

Gleichzeitig schlug der Versuch der Militärs fehl, für die wirtschaftlichen Probleme einseitig die zivilen Kräfte in der Übergangsregierung verantwortlich zu machen. Vergleichsweise wenig Menschen ließen sich in diesem Sinne mobilisieren.

Unruhe und Aufstände in einer Reihe von Regionen

Weiterhin ist der Sudan in einer ganzen Reihe von Regionen weit entfernt von Stabilität und Frieden. Es wurde versucht, die unterschiedlichen bewaffneten Regionalgruppen im sogenannten Juba Agreement zu einer Art Friedensabkommen zu bewegen. Es gelang allerdings nur einen Teil dieser aufständischen Gruppen zu einer Unterzeichnung zu bewegen.

Andere wie das Sudan Liberation Movement in der Region Darfur und das Sudan People’s Liberation Movement im Norden haben das Agreement bisher nicht unterzeichnet. Beide Gruppen unterstützen tendenziell eher den zivilen Teil der Regierung unter Premierminister Hamdok.

Zwei weitere Gruppierungen - Sudan Liberation Army und Justice and Equality Movement - stehen eher aufseiten der Militärs.

Es gelang der Übergangsregierung nur teilweise aufständische Gruppen einzubeziehen. Im Machtpoker zwischen zivilen Kräften und Militär schienen beide Seiten auch bei den regionalen bewaffneten Kräften nach Bündnispartnern zu suchen.

Schwieriger Übergang zur Demokratie

Eine der Hauptaufgaben der Übergangsregierung war, einen friedlichen Übergang zu einem demokratischen System zu organisieren.

Dazu gehörte nicht nur die Vorbereitung von Wahlen, sondern auch die Schaffung einer gesetzgebenden Versammlung.

Diese Aufgaben kamen unter anderem nicht voran, weil auch innerhalb der zivilen Kräfte Uneinigkeit vorherrschte und darüber hinaus eine Einigung mit einigen Rebellengruppen noch ausstand.

Während sich die Militärs der Unterstützung durch die Golfstaaten und Ägypten relativ sicher wähnen, kommen vonseiten der USA und seiner westlichen Verbündeten Kritik. Im Sicherheitsrat wurde der Putsch verurteilt und die angekündigte wirtschaftliche Unterstützung wurde erst einmal auf Eis gelegt.

Welche Perspektive ergibt sich für den Sudan?

Der Putsch hat die teilweise in sich zerstrittenen Zivilkräfte vorerst geeint. Die Bereitschaft trotz Repression auf die Straße zu gehen, scheint eher noch größer zu sein als 2019. Eine stabile Regierung seitens der Militärs ist vor dem Hintergrund der erstarkten Demokratiebewegung auf der einen und der Fülle an ökonomischen und politischen Herausforderungen auf der anderen Seite fraglich.

Hinzu kommt, dass aufseiten der Militärs kein wirkliches politisches Konzept jenseits von reinem Machterhalt erkennbar ist. Das Konzept sich ein ziviles Feigenblättchen an Bord zu holen, ansonsten alles beim Alten zu lassen und so internationale Unterstützung einzuwerben ist für Abdel Fatah al-Burhan nicht aufgegangen.

Zusätzlich kompliziert wird die Situation dadurch, dass sich zurzeit nahezu das gesamte Horn von Afrika - Äthiopien, Eritrea und Somalia - in einer Phase der Instabilität, des Krieges und des wirtschaftlichen Niederganges befindet.

Ungelöste Konflikte wie der Grenzkonflikt mit Äthiopien, der Konflikt um den Gerd-Staudamm und die wachsende Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem benachbarten Äthiopien tragen ebenfalls nicht zur Stabilität bei.

Die weitere Entwicklung ist schwer zu prognostizieren, es ist jedoch zu befürchten, dass der Sudan – ebenso wie die Nachbarregionen – in eine langandauernde Instabilität taumelt und Probleme sich eher verschärfen als lösen werden.