Südamerikanische Rinder-Ohrenhaare für die Verteidigung
Rund zwei Milliarden Euro verschleudert - Der Bericht des Bundesrechnungshofs
Der Bericht des Bundesrechnungshofs gewährt alljährlich einen stets interessanten und nicht selten auch unterhaltsamen Einblick in die Wunderwelt der Bundesverwaltung. Besonders die Bundeswehr bietet mit ihrem Beschaffungs(un)wesen Anlaß zum Staunen. Auch in diesem Jahr.
Wer weltweit mitschießen will, muß das auch üben. Folglich wurde 2004 eine Halle zur Zielsimulation fertiggestellt. Dort sollten komplexe Waffensysteme kostengünstiger als zuvor getestet und weiterentwickelt werden. Erhoffte Ersparnis - rund 4 Mio. Euro. Doch es kam anders. Die Bundeswehr kann diese Erprobungshalle bis heute nicht nutzen und gekostet hat das unbrauchbare Ding bis heute schon 16 Mio. Euro. Die nicht nutzbare Halle verursacht jährliche Betriebskosten von 1,5 Mio. Euro.
Gebaut wurde die Halle bereits 1998. Schon vor Baubeginn hatte ein Architekt davor gewarnt, dass die Projektionsoberfläche durch Abgase der getesteten Waffensysteme verunreinigt werden könne. Egal was so ein Zivilist sagt – gebaut wurde sie trotzdem. Bei Baubeginn stellte man jedoch fest, dass es noch keine, den millitärischen Anforderungen genügende Projektoberfläche gab. Also wurde eine, wie sich zeigen sollte, nur scheinbar geeignete Oberfläche vom Bundesverteidigungsministerium gemeinsam mit einem – namentlich nicht genannten – Anbieter erst noch entwickelt und danach in einen Kuppelbau mit einem Durchmesser von 46 Metern integriert.
Auf ihr sollten u.a. mithilfe von Lasern wirklichkeitsnahe Szenarien dargestellt werden. Schon bei der baulichen Abnahme der Projektionswand im Jahr 2004 fiel auf, dass sich bereits Staub- und Rußpartikel sowie ölhaltige Substanzen darauf abgelagert hatten. Also kaufte das Verteidigungsministerium für rund eine Million Euro eine vom Hersteller der Projektionsoberfläche entwickelte Reinigungsanlage, deren Bürsten „mit Ohrenhaaren südamerikanischer Rinder bestückt sind.“
Ein Fehlkauf, denn bereits das Angebot des Herstellers machte deutlich, dass die Ohrenhaar-Anlage „nur trockene, nicht aber öl- und fetthaltige Verunreinigungen entfernt." Gekauft wurde sie trotzdem, allein die Halle ist weiterhin unbrauchbar. Nun soll zusätzlich eine Rüsthalle gebaut werden, um die Waffensysteme vor den Tests zu reinigen. Man wird sicher auch im nächsten Jahr wieder davon hören.
Was sind schon sechs Jahre?
Wenn man Krieg führen will, dann ist eine funktionierende Kommunikation ganz wichtig. Also machte sich das Verteidigungsministerium daran, ein neues Führungsinformationssystem zu entwickeln. Doch auch nach sechs Jahren Entwicklung klappt das immer noch nicht.
Was sind schon sechs Jahre? Der Luftwaffe ist auch nach zwanzig Jahren noch nicht gelungen, ein standardisiertes Verfahren zur Ermittlung des sogenannten Ersatzteilerstbedarfs einzuführen.Dennoch wurden bisher 5,5 Mio. Euro dafür ausgegeben. Etwas höher schlägt die geplante Organisation der Eurofighter-Geschwader zu Buche: Sie ist den Berechnungen des Bundesrechnungshofes zufolge rund 1,2 Milliarden Euro zu teuer.
Leere Obstwiese und leere Diplomatenwohnungen
Das Auswärtige Amt verfügt über eine ansehnliche Vertretung in Genf. Seitlich von diesem Gebäude findet sich eine 11.000 Quadratmeter große, nicht bebaubare Obstwiese. Dass sie die nicht brauchen, hatten die Diplomaten zwar bereits im Jahr 1999 festgestellt, zum Verkauf freigegeben wurde sie dennoch bis heute nicht.
Nicht ganz überzeugend fand der Bundesrechnungshof auch die Darstellung des Auswärtigen Amtes zum vermeintlichen Bedarf von Dienstwohnungen. So steht in Kuala Lumpur eine solche Dienstwohnung mit einem Marktwert von etwa 850.000 Euro seit 2004 leer. Die dorthin entsandten Bediensteten bevorzugen stattdessen Wohnungen vom freien Markt und erhalten dafür vom Auswärtigen Amt Mietzuschüsse.
Im Bereich des Bundesjustizministeriums deckten die Ermittler des Bundesrechnungshofes einen Flop in der Hard- und Softwarebeschaffung auf. 1999 hatte sich das Patent- und Markenamt ein sogenanntes „Rundum-Sorglos-Paket“ zugelegt. Für fast 8 Mio. Euro wurde der Großteil seiner Computer sowie Software und Dienstleistungen für drei Jahre gemietet. Das Amt gab so im Vergleich zum Kauf und fünfjähriger Nutzungsdauer über eine Mio. Euro mehr aus.
Lohnsteuergeschenk an die Reeder
Wer Geld ausgeben will, sei es für leerstehende Diplomatenwohnungen oder unsinnige Militäranlagen, muß sich erst welches beschaffen. Doch auch in der Finanzverwaltung findet der Bundesrechnungshof Seltsames. So bemäkelt er, dass die Reeder seit 1999 40 Prozent der Lohnsteuer ihrer Seeleute für sich behalten dürfen - und dies natürlich auch weiterhin gerne tun. Das 1999 mit dieser Sonderstellung erhoffte Ziel, nämlich Arbeitsplätze auf See zu fördern, wurde nicht erreicht.
Kaum jemand zahlt gerne Steuern – folglich hat die Steueraufsicht durch die Finanzämter eine wichtige Funktion. Doch obwohl allgemein bekannt ist, dass Steuerermittler ein Vielfaches ihrer eigenen Personal- und Sachkosten erarbeiten, stellt der Bundesrechnungshof seit 1999 immer wieder fest:
(...), dass die Steuerfahnder wegen erheblicher Arbeitsbelastung und hoher Arbeitsrückstände die Steueraufsicht nur noch in geringem Umfang durchführten.
Daran hat sich auch 2006 nichts geändert Viele Steuerfahnder verfügten auch 2006 noch nicht im ausreichenden Maße über Internetanschlüsse.
Luftbuchungen beim Zoll
Bei der Schwarzarbeitsbekämpfung wird viel heiße Luft produziert. Die beim Zoll geltenden „Ermittlungsvorhaben“ bergen nach Auffassung der Rechnungsprüfer „Fehlanreize“. Das Ministerium hat die, für die Schwarzarbeitsbekämpfung 2004 gegründete "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" (FKS) in einem sogenannten „Zollverwaltungszielekatalog“ 2005 verpflichtet, eine „Schadenssumme von mehr als 165.000 Euro pro Ermittler zu erreichen“. Für die Jahre 2006 und 2007 waren die Vorgaben ähnlich hoch.
Bundesweit summierte die FKS daraufhin die aufgedeckten Schäden für das Jahr 2005 auf stolze 553,6 Mio. Euro; für 2006 sogar auf 601,7 Mio. Euro.
In der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums wurden diese Beträge regelmäßig als Beleg für die erfolgreiche Arbeit der FKS angeführt. Andere Schäden wurden schlicht nur geschätzt. Für das Jahr 2005 blieben danach nur 105 Mio. und für 2006 gerade noch 57 Mio. Euro als tatsächlich aufgedeckte Steuerschäden.
In ihren Jahresbilanzen wies die FKS 222 Mio. Euro aufgedeckte Sozialversicherungsschäden für 2005 und 329 Mio. Euro für 2006 auf. Nachfragen des Bundesrechnungshofs bei der Deutschen Rentenversicherung ergaben, dass in den Fällen, in denen die Forderung gegen einen Arbeitgeber mehr als 100.000 Euro betrug, die Rentenversicherung leer ausging, weil die Arbeitgeber in den meisten Fällen insolvent waren. 80 % der Forderungen waren uneinbringlich, nur 2,6 % der nachgeforderten Beträge wurden von der DRV tatsächlich vereinnahmt.
Bei den vom Bundesrechnungshof geprüften Fällen entspricht dies 1,7 % der Schadenssumme, die von der FKS verbucht wurde.
Die Ursache dafür sieht der Bundesrechnungshof in der falschen Zielvorgabe durch den Bundesfinanzminister. Denn anstatt die Kontrolle in Absprache mit den Staatsanwaltschaften auf die strafrechtlich relevanten Aspekte zu beschränken, verleitet sie die Bediensteten der FKS zu aufwändigen Ermittlungen - auch dann, wenn die Unternehmen bereits insolvent geworden sind. Schlußfolgerung der Rechnungsprüfer:
So werden zwar hohe Schadenssummen aufgedeckt, die eingetriebenen Beträge sind jedoch gering.
Mit Sicherheit hat der Bundesrechnungshof auch im kommenden Jahr seinen Spaß mit dem Zoll. So kursiert derzeit in Zollkreisen die E-Mail eines Insiders, in der im Zusammenhang mit der Zoll-Abteilung von einem „Dilettanten-Apparat“ die Rede ist, von „Günstlingswirtschaft“ und davon, dass „Geheimdossiers aus mehreren Dienststellen zur politischen Zuverlässigkeit von Kollegen“ zusammengestellt würden. Weiter heißt es:
Als Krönung erhielten wir die Leistungsbezahlung für Tarifbeschäftigte, bei der die Berechnung mehr als die auszuzahlenden Gehälter kostete: Ein klarer Fall für den Bundesrechnungshof...