Südkoreas Dilemma mit der Gefahr aus Japan
Der Präsident aus dem rechten Lager verstärkt die Bindung zur Nato und sucht die Nähe zu Japan. Die Bevölkerung hat damit ein großes Problem. Es gibt Proteste.
Südkoreas Präsident Yoon Soek-yeol hat ein Problem. Eigentlich hatte er vor, die Beziehungen zu Japan zu verbessern, was schon unter normalen Bedingungen auf einigen Widerstand in der Bevölkerung des geteilten Landes stoßen würde.
Korea war nämlich bis 1945 rund 50 Jahre japanische Kolonie – zunächst de facto, dann auch nominell. Wie andere von Japan besetzte Länder hatte es in dieser Zeit viel zu leiden. Namentlich wurden während des Zweiten Weltkrieges junge Koreanerinnen entführt und als Sexsklavinnen für das Militär eingesetzt.
Der Nachbarn auf den großen Inseln vor der Küste ist daher bis heute in der südkoreanischen Öffentlichkeit nicht sonderlich beliebt, zumal es in Japan an einer Auseinandersetzung mit den Kolonial- und Kriegsverbrechen sehr mangelt, was unter anderem die regelmäßigen Besuche hochrangiger Regierungsmitglieder an den Gräbern von Kriegsverbrechern zeigt.
Ungeachtet dieser belasteten Vergangenheit und der entsprechenden Vorbehalte auch in konservativen Kreisen ist Südkoreas seit einem Jahr regierender, der politischen Rechten angehörende Präsident um Verbesserung der Beziehungen mit Tokio bemüht.
Entsprechend hat er auch keine Einwände gegen Japans Vorhaben, große Mengen mit radioaktivem Tritium belastetes Wasser in den Pazifik abzulassen. Telepolis hatte kürzlich darüber berichtet: Japan will radioaktiv kontaminiertes Wasser ins Meer leiten.
Doch während die Beamten des mit einer ausgesprochen antifeministischen Agenda gewählten Wirtschaftsliberalen versuchen, die Bevölkerung zu beschwichtigen, scheint diese völlig andere Auffassung von der vermeintlichen Unbedenklichkeit des japanischen Tritiums zu haben.
Der Präsident selbst habe sich zu der Frage bisher nicht geäußert, schreibt die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Das könnte ein Versuch sein, den politischen Schaden für seine Person zu minimieren.
80 Prozent Ablehnung
80 Prozent der Südkoreaner lehnen nämlich laut Meinungsumfragen das japanische Vorhaben ab, und entsprechend kommt es in Südkorea – wie auch in Japan selbst – seit Wochen immer wieder zu Protesten. Die Hongkonger Zeitung erinnert in diesem Zusammenhang an eine schwere politische Krise, von der Südkorea 2008 erschüttert wurde.
Seinerzeit hatte die Regierung den Import US-amerikanischen Rindfleischs zugelassen, obwohl es in der Bevölkerung dagegen wegen der damals grassierenden BSE-Seuche bei Rindern eine große Ablehnung gab. BSE steht im Verdacht, beim Menschen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auszulösen. Die Woche waren Straßenproteste, die über Monate anhielten, bis die Regierung die Einfuhrerlaubnis zurücknahm und sich für ihre Entscheidung entschuldigte.
Das verunreinigte Wasser wird sich aus dem Pazifik allerdings sicherlich nicht zurückholen lassen, sodass Yoon entweder Japan mit Konsequenzen drohen müsste, wie es etwa Hongkong macht, oder aber hoffen muss, dass seine überwiegend junge und männliche Wählerbasis Umwelt vielleicht nicht so wichtig nimmt, wie der Rest der Bevölkerung.
Derweil hat der südkoreanische Präsident seinen Besuch des Nato-Gipfels im litauischen Vilnius dazu genutzt, engere Anbindung an das westliche Bündnis zu suchen, wie die Korea Times berichtet. Mit Verweis auf den jüngsten Start einer ballistischen Rakete durch Nordkorea nannte er die Sicherheitsfragen des Pazifiks und des Atlantiks als untrennbar miteinander verbunden.
Entsprechend forderte er, die Zusammenarbeit der sogenannten AP4-Länder (Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland) mit der Nato zu institutionalisieren.