Supreme Court: Trump nominiert irischstämmigen Katholiken
Brett Kavanaugh lässt offen, ob er ältere Entscheidungen zum Abtreibungsrecht antasten wird
Wird in Deutschland ein Verfassungsrichter ernannt, dann geschieht das in Hinterzimmerabsprachen der Parteien, von denen die Öffentlichkeit kaum etwas mitbekommt. In den USA, wo Supreme-Court-Richter vom Präsidenten nominiert und vom Senat nach ausführlichen öffentlichen Anhörungen bestätigt werden, war das bereits in den vergangenen Jahrzehnten ganz anders. Nun hat sich der Unterschied noch einmal vergrößert: Als Donald Trump gestern Abend zur besten amerikanischen Fernseh-Prime-Time seine aus einer Liste von 25 Kandidaten getroffene Wahl für den Ende des Monats frei werdenden Richterposten am Supreme Court bekannt gab, war das inszeniert wie ein großes Medienevent.
Brett Kavanaugh, den er der Öffentlichkeit dann präsentierte, hatte seine Frau und seine zwei Kinder mitgebracht und hielt eine Bewerbungsrede, in der er auch seine "Extracurricular Activities" wie die ehrenamtliche Tätigkeit als Basketballtrainer an der Schule seiner Töchter und die Essensausgabe an einer katholischen Suppenküche hervorhob. Außerdem waren in seiner Ansprache Frauen auffällig präsent: Nicht nur seine Mutter, die sich von der Lehrerin in einem Schwarzenviertel zur Richterin hocharbeitete, sondern auch die demokratische Supreme-Court-Richterin Elena Kagan, die ihm Zugang zur Harvard-Universität verschaffte, und seine mehrheitlich weiblichen Angestellten am Washingtoner Bundesberufungsgericht, an dem er seit zwölf Jahren Recht spricht.
Genehmigung hängt an zwei republikanischen Senatorinnen
US-Medien interpretieren diese auffällige Präsenz als Hinweis an zwei republikanische Senatorinnen, von denen Parteifreunde befürchten, dass sie die Genehmigung seiner Nominierung zusammen mit den Demokraten vereiteln könnten, weil sie befürchten, dass Kavanaugh die Roe-v.-Wade-Entscheidung aus dem Jahr 1973 aufhebt, die Schwangerschaftsunterbrechungen straffrei stellt. Ob das tatsächlich der Fall sein wird, ist offen.
Der 53-Jährige ist zwar irischstämmiger Katholik - aber beides trifft auch auf seinen noch von Ronald Reagan ernannten und jetzt aus Altersschwäche ausscheidenden 81-jährigen Vorgänger Anthony Kennedy zu, unter dem der Supreme Court Roe v. Wade nicht revidierte, obwohl die eher den Demokraten zuneigenden Richter zuletzt mit vier zu fünf in der Minderheit waren.
Kavanaugh lässt sich zu dieser Frage ebenso wenig in die Karten schauen wie Donald Trump, der meinte, persönlichen Einstellungen habe er im Auswahlverfahren nicht abgefragt. Gestern gab der Kandidat lediglich einen indirekten Hinweis, indem er meinte, die US-Verfassung müsse "im Rückgriff auf die Geschichte und auf die Tradition und auf Präzedenzfälle" ausgelegt werden - wobei Roe v. Wade unbestritten zu den Präzedenzfällen zählt.
Kavanaughs Umgang mit Abtreibung ist derzeit in US-Medien zwar das mit Abstand dominierende Thema - entscheidend für Trumps Wahl könnte aber eine ganz andere Frage gewesen sein: Der Kandidat interpretiert die US-Verfassung nämlich dahingehend, dass ein Präsident umfangreiche Handlungsbefugnisse hat, die während seiner ein oder zwei Amtszeiten nicht eingeschränkt werden sollten.
Vor- und Nachteile des deutschen und des amerikanischen Verfassungsrichterwahlverfahrens
Die Methode, mit der in den USA Verfassungsrichter ausgewählt werden, hat gegenüber der deutschen Vor- und Nachteile: Die Nachteile hat der ehemalige Verfassungsrichter Siegfried Broß 2011 in einem Interview mit Telepolis aufgeführt: Kandidaten sind "versucht, nicht mehr offen ihre Meinung zu sagen und zu schreiben, sondern eine Rolle zu spielen" - und sie können "durch eine Debatte beschädigt werden, obwohl sie nichts dafürkönnen, dass sie vorgeschlagen werden" (vgl. Wie Gewährleistungsstaat und Rechtsstaat zusammenhängen).
Die Vorteilte erklärte vorher indirekt der ehemalige Bundesrichter und damalige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković, der unter anderem darlegte, dass sich das Nominierungsrecht praktisch zu einem großen Teil in Koalitionsverhandlungen verlagert hat (vgl. Wenig transparent und der Bedeutung unangemessen).
Dadurch konnten beispielsweise die Grünen eine sehr umstrittene und fragwürdig qualifizierte Kandidatin wie Susanne Baer durchsetzen, die möglicherweise nicht Verfassungsrichterin geworden wäre, wenn es vorher eine öffentliche Anhörung gegeben hätte. Sie dürfte ein Grund dafür sein, warum es der Süddeutschen Zeitung zufolge bei anderen Karlsruher Richtern Widerstand gegen eine weitere Nominierung der Grünen gibt, die die Partei durch eine Blockade der Wahl eines Nachfolgers für den ausscheidenden Michael Eichberger im Bundesrat erzwingen will.
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