Syrien: 150 Christen von IS entführt

IS-Milizen in Tal Tamer. Foto: IS

Der Erzbischof von Hasaka wirft den USA, der syrischen Regierung, dem Roten Halbmond und der UN mangelnde Unterstützung vor

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Im Nordwesten Syriens, im Gouvernement al-Hasaka, sind nach Angaben des Syriac National Council of Syria 150 Christen von IS-Milizen entführt worden. Über die Zahl der Entführten gab es gestern und heute unterschiedliche Informationen, die Entführung selbst wird in mehreren Berichten bestätigt.

Befürchtet wird, dass der IS die Geiseln demnächst in einem Video vorführen wird. Der syrisch-katholische Erzbischof von Hasaka, Jacques Behnan Hindo, kritisiert, dass nicht genug zum Schutz der Christen unternommen wurde.

Wir haben das Gefühl, dass man uns dem IS schutzlos ausgeliefert hat. Amerikanische Bomber überflogen das Gebiet zum Zeitpunkt der Angriffe mehrmals, ohne dass sie eingriffen. Wir haben hunderte von assyrischen Familien, die in der Stadt Hasaka Zuflucht gefunden haben, aber wir erhielten weder vom Roten Halbmond noch von humanitären Helfern der syrischen regierung, vielleicht, weil sie Christen sind. Das UNHCR ist auch nirgends zu sehen.

Ein Großteil der assyrischen und chaldäischen Christen in Syrien, die insgesamt auf etwa 30.000 beziffert werden, lebt in Dörfern am Ufer des Chabur, einem Nebenfluss des Euphrat. Dort ist es in den letzten Tagen zu Kämpfen zwischen IS-Milizen und den kurdischen Verteidigungseinheiten YPG gekommen.

IS-Milizen in Tal Tamer. Foto: IS

An deren Seite kämpfen auch christliche Milizen, Angehörige der assyrischen Miliz Syriac Military Council (MFS) und der Sutoro-Miliz. Soweit dies aus Berichten zur militärischen Lage hervorgeht, haben die IS-Milizen Angriffe auf die von Christen bewohnten Dörfer unternommen, während die YPG-Einheiten dabei sind, diese Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen, um einen möglichst breiten Gürtel zwischen den kurdischen Gebieten in Syrien und im Irak zu etablieren.

Da die christlichen Verteidigungseinheiten zahlenmäßig unterlegen sind und schlecht bewaffnet, sind die Dörfer militärisch kein allzu schwieriges Ziel für die Attacken der IS-Milizen. Dass bislang über 3.000 Christen geflohen sind, zeigt an, wie unsicher die Situation ist.

Für den IS sind die Geiseln, unter denen sich auch Frauen und Kinder befinden sollen, ein weiterer Propagandaerfolg, der Angst verbreitet und Medien-Aufmerksamkeit erzielt, sowie eine mögliche Einnahmequelle. Dazu eröffnet es laut Beobachter Möglichkeiten, die Geiseln als menschliche Schutzschilde zu gebrauchen, um Luftangriffe der Anti-IS-Koalition zu verhindern.

Dass sich Christen in den Dörfern am Chabur ansiedelten, geschah laut Nah-Ost-Historiker Juan Cole als Reaktion auf ein Massaker, das die irakische Armee in den 1930er Jahren gegen die assyrischen Christen anrichteten.