Syrien: Bedrohte Drusen
Richtet Israel eine Schutzzone ein?
Die ethnoreligiöse Gemeinschaft der Drusen entwickelt sich seit fast tausend Jahren getrennt vom schiitischen Islam (mit dem sie mehr gemein hat als mit dem sunnitischen). Viele Religionswissenschaftler sehen die Unterschiede zum Islam als so groß an, dass sie die Drusen nicht mehr als Teil davon, sondern als eigenständige Religion werten.
Drusen glauben beispielsweise nicht an eine Endgültigkeit der Regeln im Koran, aber dafür an Seelenwanderung und Wiedergeburt. Die Religion missioniert auch seit vielen Jahrhunderten nicht mehr: Ein Druse kann man nicht werden, man muss als solcher geboren sein.
Bislang konnten sich die Drusen aus dem Bürgerkrieg in Syrien weitgehend heraushalten. Ob das weiterhin so bleibt, ist offen: In der Provinz as-Suwaida, wo die weitaus meisten syrischen Drusen leben, nähern sich vom Osten her die salafistische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) und vom Westen die al-Nusra-Front und andere dschihadistische Gruppen. Der letzte Woche unternommene Versuch, den in der Nähe der Provinzhauptstadt gelegenen Militärflughafen al-Thaala zu erobern, misslang den Dschihadisten zwar vorerst - aber das muss nicht so bleiben.
Erobert der IS die Provinz, denn steht zu erwarten, dass er mit den Drusen nicht weniger genozidal umgeht als mit Schiiten oder Alawiten. Das wissen auch die Bürger, die letzte Woche den Abzug syrischer Armeeeinheiten mit Blockaden verhinderten. Ob die syrische Regierung mit diesem Abzug die Drusen dazu bringen möchte, stärker auf Eigenverantwortung zu setzen und sich selbst zu verteidigen, ist unter Beobachtern umstritten:
Dagegen spricht, dass sich der Drusenführer Wahid Balus darüber beschwert, dass die syrische Regierung keine schweren Waffen zur Verfügung stellt, die die Drusen zur Abwehr des IS und der al-Nusra-Front bräuchten. Dass dies nicht geschieht, hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass sich die syrische Regierung nicht sicher sein kann, was die Drusen mit diesen schweren Waffen machen würden: Denn trotz der Genoziddrohung von Seiten der sunnitischen Rebellen gibt es Drusenführer, die sich für eine Beteiligung am Sturz der syrischen Regierung aussprechen.
Der bekannteste davon lebt allerdings nicht in Syrien, sondern im Libanon: Walid Dschumblatt, der in der Vergangenheit bemerkenswert häufig die Allianzen wechselte und dessen Rolle bei den ethnischen Säuberungen und Massakern Anfang der 1980er Jahre nie gerichtlich geklärt wurde.
Bei syrischen Drusen stieß der Appel einer aktiven Beteiligung am Sturz Baschar al-Assads bislang jedoch auf wenig Widerhall (was Dschumblatt selbst einräumt). Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die syrischen Drusen nicht nur vom IS, sondern auch von anderen Rebellengruppen wenig zu erwarten haben: Am letzten Mittwoch tötete die al-Nusra-Front beispielsweise mindestens 20 Drusen im Dorf Qalb Loza in der Provinz Idlib.
In Israel, wo die Drusen als die mit Abstand am besten integrierte arabische Minderheit gelten, gab es am Samstag eine Demonstrationen für ein Eingreifen. Nun prüft man angeblich die Einrichtung einer Schutzzone im syrischen Teil der Golanhöhen. Das sagte eine nicht namentlich genannte Quelle aus dem Sicherheitsapparat dem Portal Walla! Vorher hatte Staatspräsidenten Reuven Rivlin US-Generalstabschef Martin Dempsey vor einem drohenden Genozid an einer halben Million Drusen in as-Suwaida gewarnt.
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