Syrien: Der Deal mit dem Islamischen Staat
Die kurdischen SDF ließen den IS aus Tabqa abziehen, die Türkei droht wegen der Waffenlieferungen an die syrischen Kurden
Es sind nicht nur die Türken, die Abkommen mit dem Islamischen Staat aushandeln. Bekannt wurde, dass die Einnahme von Dscharablus an der türkischen Grenze und anschließend von Al-Bab, wo allerdings lange heftig gekämpft wurde und sich die Türkei noch den Zugriff vor den syrischen Truppen und den SDF-Verbänden sichern wollte, unter Absprache erfolgte. Der IS zog sich aus den nicht haltbaren Stellungen zurück, die türkischen Truppen und ihre Milizen konnten die Städte besetzen. Ob den IS-Kämpfern mehr als der freie Abzug zugestanden wurde, blieb im Dunklen.
Gerade wurde bekannt, dass auch die syrischen Kurden den letzten, groß propagierten Erfolg mit einem Abzugsabkommen mit dem IS verdanken. Letzte Woche wurde berichtet, die SDF hätten mit Unterstützung des US-Militärs den Damm, den Flugplatz und die Stadt Tabqa eingenommen und den IS von dort vertrieben. Damm und Stadt sind strategisch wichtig für die geplante Offensive auf Raqqa.
Trotz andauernder türkischer Beschwerden und auch Drohungen, dass Bomben schon mal in Syrien auf US-Soldaten fallen könnten, hatte US-Präsident Trump gerade erst angekündigt, die syrischen Kurden weiter zu unterstützen und den SDF sogar schwere Waffen liefern zu wollen. Offenbar wurde vereinbart, dass die YPG-Verbände der syrischen Kurden garantieren, dass die Waffen nicht in die Hände der PKK gelangen und nicht gegen türkischen Truppen verwendet werden dürfen.
Das Pentagon räumte ein, dass der vollständigen Übernahme der Kontrolle über die Stadt und den Damm Verhandlungen vorausgingen. Deren Ergebnis war, dass der IS abziehen durfte. Man habe die Kapitulation akzeptiert, so John Dorrian, der Sprecher US-geführten Koalition, "um das Leben unschuldiger Zivilisten zu schonen und die Infrastruktur des Damms zu schützen, von dem Hunderttausende von Syrern für die Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft und Elektrizität abhängen." Nach dem Statement seien aber die abziehenden IS-Kämpfer verfolgt und beschossen worden, wo dies ohne Risiko für Zivilisten gemacht werden konnte. Konkret ist allerdings nur die Rede von 70 IS-Kämpfern, die sich ergeben hätten. Das habe den Abbau von Sprengsätzen am Damm, die Abgabe von schweren Waffen und die Vertreibung der verbliebenen Kämpfer aus der Stadt eingeschlossen. Versichert wird, dass der Deal zwischen den SDF und dem IS geschlossen wurde, das US-Militär habe damit nichts zu tun und fliehende IS-Kämpfer weiter beschossen, sagte auch Pentagon-Sprecher Jeff Davis.
Das Pentagon verkauft den Deal als Erfolg der Strategie, mit lokalen Kampfverbänden, sprich SDF, gegen den IS vorzugehen: "Die SDF kämpfen, um ihre Menschen und Territorien zu befreien." Die SDF kündigen nun die vierte Phase der Kampagne an, in der die noch vom IS kontrollierten Dörfer um Raqqa erobert werden sollen und mit den Vorbereitungen zur "Befreiung" der Stadt begonnen wird. Anders als im Fall von Mosul werde die Einwohner von Raqqa aufgefordert, sich von den vom IS gehaltenen Häusern und Stellungen zu entfernen und sich in sichere Gebiete zu begeben, "um den Befreiungsprozess zu erleichtern". Mittlerweise sollen die ersten Verbände in Vororte von Raqqa vorangekommen sein.
Wie schon im Fall von Manbij geschehen kündigten die SDF am Samstag an, die Stadt einem zivilen Rat von Einheimischen und lokalen Sicherheitskräften zu übergeben, sobald alle Minen beseitigt sind. Ob das mehr als Symbolik nach außen ist, bleibt abzuwarten.
Die SDF berichten, es hätten sich viele IS-Kämpfer ergeben, deren Strategie, sich unter die Zivilbevölkerung zu mischen oder am Damm zu verstecken, sei nicht erfolgreich gewesen. Gedankt wird der Unterstützung durch das Pentagon und den "Märtyrern der Raqqa-Offensive, allen voran den Märyrern von Karacok". Damit sind die 20 kurdischen Kämpfer gemeint, die bei einem türkischen Luftangriff getötet wurde.
Yildirim: "Wir werden den USA nicht den Krieg erklären"
Die USA scheinen ebenso wie zuvor im Fall von Manbij der Türkei versichert zu haben, dass die Kurden nicht in Raqqa nach der Eroberung bleiben werden. Das stößt auf nicht unberechtigte Skepsis. Der türkische Regierungschef Yildirim wies erneut darauf hin, dass die YPG ebenso wie PKK eine Terrorgruppe sei: "Man kann nicht mit einer Terrorgruppe eine andere vertreiben", sagte er, obgleich die Türkei sich auch islamistischer Gruppen in Syrien bedient.
Die Ankündigung, Waffen an die SDF zu liefern, wird scharf kritisiert, auch wenn dies aus taktischen Überlegungen heraus geschehe. Yildirim: "Wir werden den USA nicht den Krieg erklären. Wir werden sagen, wir sind von Beginn an in der Nato Alliierte, daher sind wir strategische Partner. Um den Terror in der Region zu bekämpfen, kann man das nur mit der Türkei, nicht mit einer Terrororganisation machen." Man werde die YPG, d.h. die SDF, in Syrien weiter bombardieren, wenn von dort eine Gefahr droht, warnte er.
Thema wird dies beim Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan bei US-Präsident Trump am Dienstg sein. Erdogan hofft weiterhin, mit Trump einen Neuanfang der Beziehungen einleiten zu können. Dazu würden die Auslieferung von Gülen und die Einstellung der Unterstützung der syrischen Kurden gehören.