Syrien: Die Aufrüstung des bewaffneten Widerstands
Saudi-Arabien und der CIA bauen an einer neuen Südfront, die nun auch Flugabwehrsysteme bekommen soll. Zugleich gibt es öffentlichen Druck, auch vom Physiker Hawking, an den Zuständen im Land dringend etwas zu ändern
Wer aus den ergebnislosen Verhandlungen den Schluss gezogen hatte, dass Genf II zu keinen Resultaten geführt habe, sieht sich getäuscht. Ende vergangener Woche berichtete das Wall Street Journal über neue Waffenlieferungen an Gegner der syrischen Regierung. Dabei geht um schultergestützte Flugabwehrwaffen (Manpads), deren Lieferung sich die Aufständischen schon lange erhofft hatten. Der militärische Druck auf Baschar al-Assad wird erheblich verstärkt. Waffenlieferungen und wie auch größere Finanzströme, die nun mit einer neuen Welle an die Gegner der Regierung im Süden fließen, sind Teil einer größeren Strategie.
Was die politischen Verhandlungen in der Schweiz nicht erreicht haben - dass die syrische Regierung Machtpositionen räumt und sich auf die Bildung einer Übergangsregierung einlässt -, wird nun mit wieder mit verstärkten Mitteln über die kriegerischen Auseinandersetzungen versucht.
Jetzt also doch Flugabwehrwaffen an eine dubiose Opposition, die in der öffentlichen Wahrnehmung mit al-Qaida, Innereien der Gegner fressende Dschahidisten und Salafisten mit Talibanistan-Agenda verbunden wird? Hatte nicht US-Geheimdienst-Chef Clapper vor Kurzem dem Kongress gegenüber davor gewarnt, dass von den syrischen al-Qaida-Kämpfern Gefahr auch fürs Homeland ausgeht?
Bislang ist der Bericht über die Waffenlieferung noch nicht offiziell bestätigt. Die obige Frage zielt mittenhinein in die - nicht neue - Grundannahme der Strategie, die die Kämpfe in der Peripherie der Hauptstadt Damaskus im Visier hat: Dass es doch eine Art "good guys" im bewaffneten Widerstand gibt; Gruppen mit einer politischen Zielsetzung, in der das Wort "islamisch" fehlt. Aufständische, die auf das hören, was ihnen von den Zahlmeistern und Unterstützern, Saudi-Arabien, anderen Golfstaaten, den USA, der Türkei sowie den westlichen Freunden als militärische und politische Weisungen erteilt werden.
Die Südfront
Die neue Allianz, genannt Südfront, wäre zu kontrollieren, sie ist am Zügel der Geldgeber und deren politischer Agenda, davon geht der Plan aus. Die Unterstützung für die Operation im Süden ist groß, laut Beobachtern gibt es auch aus Israel Äußerungen, die auf Sympathie und Support für die Strategie schließen lassen, in dem Jordanien eine große Rolle spielt. Dass dessen König kürzlich zu Besuch bei Obama war, ist kein Zufall. Auch beim angekündigten Besuch Obamas in Saudi-Arabien wird die Südfront Thema sein.
Zum Relaunch des Südfront-Konzepts (vgl. dazu In Jordanien sollen westliche Militärs unter Führung der USA säkular orientierte Rebellen als Sicherheitstruppen ausbilden und Die CIA, Waffenlieferungen und Feuerwehrhilfe) passt auch die gestrige Meldung, dass Salim Idriss seinen Posten als Chef des SMC (Supreme Military Command), der von Saudi-Arabien und den USA unterstützten Vereinigung des bewaffneten, nicht-salafistischen Widerstands, abgeben musste. Idriss war ein wichtiger Verbindungsmann zwischen den arabischen und westlichen Unterstützern und den sogenannten moderaten Aufständischen, die mit der FSA verbunden sind.
Neue Männer statt der alten FSA-Riege
Nun haben die Unterstützer der "moderaten Opposition" neue Ansprechpartner ausgewählt: Baschar al-Zoubi, der die etwa 10.000 Mann der neuen Allianz Südfront anführen soll, und Jamaal Maarouf, der die SRF, die Syrische Revolutionäre Front, anführt, die im nördlichen Teil Syriens opieriert. Über Baschar al-Zoubi gibt es drei wichtige Gründe zu nennen, die verdeutlichen, warum er derzeit der Mann der Wahl ist für die Freunde Syriens, die am Machtwechsel in Syrien arbeiteten.
Al-Zoubi, auch Abu Fadi genannt, verfügt über direkte Kontakte zu westlichen und arabischen Geheimdiensten, die von Amman aus operieren und dort ein militärisches Kommandozentrum unterhalten. Er eignet sich also als Befehlsempfänger. Zum anderen ist der frühere Geschäftsmann, der in der Tourismusbranche zu Vermögen gekommen ist, ein Milizenführer, der bislang zumindest nie den Wunsch geäußert haben soll, dass Syrien islamisch werden müsse. Und zum dritten gehört er einem großen Clan an, dem Stamm der al-Zoubis, der in Syrien und in Jordanien zuhause ist. Das ist eine Machtbasis.
Der Kommandoraum in Amman lanciert neue Offensiven
Während man Jamaal Maroufs Front im Norden als eine Art "Muskel" der FSA in Gebieten ansieht, die von Dschihadisten und strengen Salafisten dominiert werden, konzentriert sich die millionenschwere, logistisch sehr viel bedeutendere Unterstützung auf den Süden. Schon während der Genfer Verhandlungen wurden von Amman aus militärische Operationen durchgeführt, mit dem bezeichnenden Namen "Geneva of the Hauran" (vgl. Syria’s Southern Spring Offensive). Es soll sich gezeigt haben, wie schnell sich die Unterstützung, Soldzahlungen aus amerikanischen Geldtöpfen, in militärische Operationen umsetzen lassen.
Ob die schultergestützten Flugabwehrsysteme, die nun dem Arsenal hinzugefügt werden, eine Wende im Kampf um die Peripherie Damaskus herbeiführen, wie dies die Milizen behaupten, wird sich bald zeigen. Beobachter gehen davon aus, dass die syrische Armee nicht mehr so viel mit Hubschraubern operieren kann. Das lässt von Ferne an den Krieg in den 1980er Jahren in Afghanistan denken, als sich das Kriegsgeschick der Mudschahedin entscheidend durch die Lieferung von Flugabwehrraketen veränderte. Die Folgen sind bekannt: sehr gut ausgerüstete militärische Gruppierungen, die sich radikalisierten, von den politischen Zielen ihrer Geldgebern aus dem Westen völlig abrückten, zu deren Gegnern wurden und das Land in einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg führten.
Obskure Verbindungen
Liest man bei den Beobachtern der militanten Widerstandsszene über die Verbindungen nach, welche die syrische revolutionäre Front und auch Gruppierungen der neu gebildeten Südfront haben (siehe The Southern Front, so zeigt sich das Übliche: dass es zwischen den "good guys" und den "bad guys" mannigfaltige Verbindungen gibt. Es ist immer damit zu rechnen, dass sich Allianzen auflösen und sich neue bilden, je nachdem, was regional gerade opportun ist. Dass dann Flugabwehrsysteme bei der al-Nusrah-Front landen, ist nicht ausgeschlossen.
Stephen Hawking: Der Krieg muss beendet werden
Womit die USA, Saudi-Arabien, Frankreich, Großbritannien und andere Unterstützer der Südfront-Milizen rechnen können, ist der Druck der Öffentlichkeit. Nach dem Scheitern von Genf II und den Nachrichten darüber, dass es nicht einmal gelang, einen Hilfskorridor nach Homs zu etablieren, ist die Empörung über die katastrophale Situation in Syrien noch einmal gewachsen. Wurde Baschar al-Assad zwischenzeitlich in der Öffentlichkeit als die weniger schlechte Lösung dargestellt, so ändert sich das gerade wieder, so der Eindruck
Auch der weltberühmte Physiker Stephen Hawking meldete sich in der Washington Post zu Wort: Syria's war must end - um auf die unerträgliche Situation der Kinder hinzuweisen und auf die Verantwortung, die dadurch erwächst.
We must work together to end this war and to protect the children of Syria. The international community has watched from the sidelines for three years as this conflict rages, engulfing all hope. As a father and grandfather, I watch the suffering of Syria’s children and must now say: No more.
Wie man weiß, wird "Verantwortung" in solchen Situationen von der Politik häufig mit "militärischem Eingreifen" verbunden. Nach Ansicht arabischer Kommentatoren ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Thema offene Militärintervention wieder auf dem Tisch ist.