Syrien: Erdoğan-Islamisten gegen al-Qaida-Islamisten
HTS nimmt NLF Darat Isa, Kafrantin, Huta und Mkalbis ab
Im Nordwesten Syriens kämpft das aus der örtlichen al-Qaida-Filiale hervorgegangene Islamistenbündnis Hajat Tahrir asch-Scham (HTS) jetzt mit einem von der Türkei unterstützten Bündnis aus islamistischen Milizen: der "Nationalen Befreiungsfront" Jabhat al-Wataniya lil-Tahrir, die in deutschsprachigen Medien meist mit "NLF" abgekürzt wird. Diesem Bündnis gehören mit der Ahrar asch-Scham, der Liwa Shuhada al-Islam ("Brigade Märtyrer des Islam") und der Harakat Nour al-Din al-Zenki auch Gruppen an, die vorher mit der syrischen al-Qaida verbündet waren.
Bei den Kämpfen, bei denen in den letzten Tagen etwa 30 Menschen ums Leben gekommen sein sollen, musste die Harakat Nour al-Din al-Zenki eine Niederlage hinnehmen und das formell zur Provinz Aleppo (aber faktisch zum Dschihadistenreservat Idlib) gehörige Darat Isa sowie die Dörfer Kafrantin, Huta und Mkalbis räumen. Die HTS verkündete nach diesen Eroberungen, es sei dabei nur darum gegangen, die NLF-Miliz für die angebliche Tötung von vier Qaida-Kämpfern zur Verantwortung zu ziehen, und appellierte an die anderen NLF-Gliederungen, es ginge nicht gegen sie, sondern nur gegen die Harakat Nour al-Din al-Zenki. Die NLF-Führung ließ sich darauf nicht ein und verkündete stattdessen, alle Mitglieder des Bündnisses würden jetzt darauf hinarbeiten, "die Attacken zurückzuschlagen, den Aggressor abzuschrecken und die verlorenen Areale vollständig zurückzuerobern".
Die nach einem Emir aus dem 12. Jahrhundert benannte Harakat Nour al-Din al-Zenki wurde in den Jahren 2014 und 2015 als Bestandteil des "moderaten Rebellenbündnisses" Asala wa-al-Tanmiya ("Front für Authentizität und Entwicklung") über das US Military Operation Centre (MOC) in Amman mit amerikanischem Steuergeld gefördert und erhielt über das Madschlis Qiyadat ath-Thawra as-Suriya, das "Syrische Revolutionäre Generalkommando", unter anderem BGM-71 TOW-Panzerabwehrraketen. Beschuldigungen von Amnesty International, dass die Gruppe für Entführungen und Folterungen verantwortlich ist, wirken insofern glaubwürdig, als ihre Kämpfer 2016 die Enthauptung eines Zwölfjährigen selbst filmten.
Zusammenhang mit Manbidsch?
Deutsche Leitmedien berichteten unter Berufung auf Angaben nicht näher benannter "Aktivisten", die Einnahme von Darat Isa durch die HTS sei auch deshalb möglich gewesen, weil Recep Tayyip Erdoğans NLF-Verbündete vorher Truppen in die Nähe der von der kurdisch dominierten SDF kontrollierten Region verlegt hatten. Diese SDF wurde bis vor kurzem von den Amerikanern unterstützt, die sie als Bodentruppe im Kampf gegen das IS-Terrorkalifat nutzten. Am 19. Dezember kündigte US-Präsident Donald Trump jedoch den Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien an, worauf hin Beobachter ein mögliches Vorrücken der türkischen Armee und ihrer Verbündeten in die bislang von der SDF gehaltenen Gebiete erwarteten. Um das zu verhindern, näherten sich die Kurden der syrischen Regierung an und zogen am 1. und 2. Januar aus dem Bezirk Manbidsch ab.
Inzwischen sollen die mit der Türkei verbündeten Islamisten der in England ansässigen Ein-Mann-Agentur "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" nach wieder von der Front nördlich von Manbidsch abgezogen worden sein. Der syrischen Nachrichtenagentur STEP nach geschah dies deshalb, weil Russen und Amerikaner die Türken am 30. Dezember davon überzeugten, von einem Einmarsch vorerst abzusehen.
IS tötet syrische Soldaten im Schlaf und muss weitere Ortschaft an Kurden abgeben
Während die syrische Armee Truppen nach Manbidsch verlegte, wurde sie bei as-Siyal am mittleren Euphrat von Kämpfern des Terrorkalifats angegriffen, wobei 20 Soldaten ums Leben kamen. Die meisten davon sollen im Schlaf ermordet worden sein. Dafür musste das Terrorkalifat mit as-Shaafah eine weitere arabische Euphrattalortschaft an die kurdisch dominierte SDF abgeben, die ihre 400 aus Manbidsch abgezogenen Kämpfer nun anderswo einsetzen kann.