Syrien: IS-Offensive mit Unterstützung der Türkei?

Seite 2: Bruch der Waffenruhe

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Vergangene Woche griff Erdogan zu einer simplen Rhetorik: "Al-Nusra kämpft auch gegen den IS. Warum nennt ihr sie schlecht? Ihr sagt Al Nusra sei schlecht, aber die PYD und YPG seien gut. Die Wahrheit ist anders. Nur weil der Standpunkt von Al-Nusra ein anderer ist, sagt ihr das sind gute Terroristen und das schlechte Terroristen." Damit offenbarte er seine Frustration über den Ausschluss der al-Nusra von den Waffenruhevereinbarungen und demonstrierte, wie wenig er von der Waffenruhe in Syrien an sich hält.

Dass die Türkei möglicherweise sogar aktiv das Einschleusen von IS-Kräften unterstützt hat, würde einen direkten Bruch der Waffenruhe darstellen. Doch hatte man zuvor schon darauf hingewiesen, dass die Waffenruhe aus Sicht der Türkei nur mit Einschränkungen gelte. So stellte Ministerpräsident Davutoglu frühzeitig klar, dass die Waffenruhe nicht für Gruppen gelte "welche die Türkei bedrohen".

Präsident Erdogan präzisierte am 24.02.16, dass - wie auch der IS und al-Nusra - die "Terrororganisationen PYD und YPG" nicht in die Waffenruhe eingeschlossen werden (Türkische Regierung gefährdet Feuerpause).

Der Anschlag und das Konstrukt

Spätestens seit dem Anschlag der nordkurdischen TAK in Ankara am 17.02., bei dem 28 Militärangehörige ums Leben kamen, setzt die türkische Regierung und die ihr nahestehenden Medien ganz offen das Konstrukt um, das die YPG und die PYD "Terrororganisationen" seien, die hinter diesem Anschlag in der Türkei steckten (Türkische Regierung erzählt verwirrende Geschichte vom Ankara-Attentäter).

Trotz der Nachweise, die bestätigen, dass die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) - wie sie das auch selbst reklamieren - hinter dem Anschlag stecken, so zum Beispiel ein DNA-Test, der die Identität des Attentäters bekräftigt, hält die türkische Regierung an ihrer Version fest und bombardiert die Region um Afrîn.

Die Angriffe werden von Siegesmeldungen wie "Mitglieder der türkischen Streitkräfte haben 29 PYD-Terroristen durch Mörserbeschuss neutralisiert" begleitet. Mittlerweile werden Aktionen von rechtsextremen turkmenischen Milizen in staatsnahen türkischen Medien ganz offen als "Siege gegen PYD-Terroristen" gefeiert.

In Aleppo gefallene Mitglieder der rechtsextremen türkischen MHP werden als Helden dargestellt und wie Mitglieder der türkischen Armee mit dem Begriff Shehit - also Märtyrer - bezeichnet.

Die UN und das Waffenstillstandsbeobachtungszentrum der USA sind gefragt

Währenddessen fordert das Forum der Zivilgesellschaft von Gîre Sipî eine Untersuchung der Vorfälle bei den Vereinten Nationen: "Als zivilgesellschaftliches Forum von Gire Sipi rufen wir den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, diese vom türkischen Staat geführten Angriffe zu untersuchen."

Auch der Sprecher der russischen Waffenstillstandsbeobachtungskomission in Syrien, Sergey Kuralenko erklärte, man habe Beweise, dass der IS im Feuerschutz türkischer Artillerie angegriffen habe. Das russische Verteidigungsministerium wandte sich wegen des Bruchs der Waffenruhe durch die Türkei an das Waffenstillstandsbeobachtungszentrum der USA in Amman.