Syrien: Russischer Pilot abgeschossen [Update]
Woher bekam die syrische al-Qaida-Filiale eine tragbare Flugabwehrrakete?
Gestern wurde in der Nähe der in der Provinz Idlib gelegenen syrischen Ortschaft Sarakeb eine russische Suchoi Su-25 abgeschossen. Der Pilot der Maschine konnte sich erst über den Schleudersitz retten, kam aber anschließend ums eben, wie das russische Verteidigungsministerium inzwischen bestätigte. Zu dem Abschuss bekannte sich das Dschihadistenbündnis Hai'at Tahrir asch-Scham, das den größten Teil der Provinz Idlib kontrolliert und von der syrischen al-Qaida-Filiale Fathh asch-Scham angeführt wird. Auf einem Video, das nach dem Abschuss entstanden sein soll, sagt ein Dschihadist über eine am Boden liegende blutige Leiche: "Es ist ein Russe".
Der Abschuss der Maschine kommt insofern überraschend, als die russischen Anti-Terror-Truppen in Syrien bislang nur drei Maschinen verloren: Zwei durch Unfälle und eine weitere durch die türkischen Streitkräfte, die 2015 eine Verletzung ihres Luftraums behaupteten. Dass den Dschihadisten der Abschuss gelang, lag dem russischen Verteidigungsministerium nach daran, dass sie über eine tragbare Flugabwehrrakete verfügten. Woher sie diese hatten, ist bislang unklar.
Stinger und Igla haben passive Zielsuchköpfe
Während der stellvertretende Föderationsratsvorsitzende Franz Klinzewitsch eine über Drittländer erfolgte Belieferung durch die Amerikaner ins Spiel brachte (die vom Pentagon bestritten wird), verwies der Militärexperte Konstantin Siwkow von der Moskauer Akademie für geopolitische Probleme gegenüber dem Portal Sputniknews auf den Schwarzmarkt und die Möglichkeit, dass die Waffen aus Militärbeständen in Syrien oder im Irak entwendet wurden.
Weil er sehr tief und in eine Deeskalationszone einflog, ahnte der russische Pilot Siwkow zufolge nach nicht, dass eine Gefahr droht. Auch die technischen Anlagen der Su-25 konnten ihn nicht warnen, weil schultergestützte Flugabwehrraketen vom Typ Stinger oder Igla passive Zielsuchköpfe haben, die nicht abstrahlen. Dass der Pilot getötet wurde, zeigt seiner Ansicht nach, "dass sich diese Menschen an keinerlei Kriegsführungsregeln halten und dass man sie ebenfalls nicht gefangen nehmen sollte." Bei dem Vergeltungsschlag, den die russischen Streitkräfte unmittelbar nach der Tötung des Piloten durchführten, sollen etwa 30 Dschihadisten ums Leben gekommen sein.
[Update: Inzwischen meldet die Zeitung Kommersant unter Berufung auf einen Militärsprecher, der Pilot sei doch nicht von Dschihadisten erschossen worden, sondern habe sich nach einem Schusswechsel mit diesen selbst mit einer Granate in die Luft gesprengt, um einer Folter zu entgehen.]
Kämpfe in den Provinzen Aleppo, Damaskus, Hama und Idlib
Im Nordwesten der Provinz Aleppo, in der Nähe der Stadt Masarat al-Khan schafften es die syrische Armee und ihre Verbündeten währenddessen, einen Angriff Hai'at-Tahrir-asch-Scham-geführter "Rebellen" abzuwehren. In Ostghuta in der Nähe von Damaskus hatten Dschihadisten von Hai'at Tahrir asch-Scham und Ahrar asch-Scham einige Tage vorher gemeinsam einen Anschlag auf einen Militärposten verübt und dabei mindestens 13 Soldaten umgebracht.
Ebenfalls in der Nähe von Damaskus, im Nordwesten des Bezirks Irbin und im Süden des Bezirks Harasta, gelangen den syrischen Streitkräften am Samstag kleinere Geländegewinne, wobei unter anderem ein Medienzentrum von Ahrar asch-Sham zerstört worden sein soll. Nun versuchen die Soldaten, eine Verbindungsstraße zwischen den Bezirken Irbin und Mudayrah einzunehmen, mit der sie Ahrar asch-Sham und Faylaq al-Rahman von einem Versorgungsweg abschneiden würde.
Zusammen mit Verbündeten gelang es der syrischen Armee gestern außerdem, die im Nordosten der Provinz Hama gelegenen Dörfer Tulayhat, Abu Kusur und Ma'saran zurückzuerobern. Bereits am Dienstag hatten sie die südlich davon gelegenen Orte al-Aww, Abyan und Jubb Zrayq befreit, in denen aus Deir ez-Zor entwischte Kämpfer des Islamischen Staates (IS) versucht hatten, sich zu reorganisieren.
In der Provinz Idlib, wohin sich ebenfalls IS-Terroristen flüchteten, steigen derweil die Spannungen zwischen der Bevölkerung und den verschiedenen bewaffneten Gruppen. Hai'at Tahrir asch-Scham entsandte deshalb mehrere hundert Mann Verstärkung in die zwölf Kilometer nördlich von Sarakeb gelegene Stadt Binnish, nachdem dort Demonstranten ein "Sicherheitsbüro" des Dschihadistenbündnisses stürmten.