Syrien: US-Spagat in Manbij
US-Militärs unternehmen gemeinsame Patrouillen mit türkischen Streitkräften, aber auch die Unterstützung der SDF wird bekräftigt
Die kurdisch dominierten Syrisch Demokratischen Streitkräfte (SDF) operieren, wie angekündigt, seit ein paar Tagen wieder im Südosten Syriens angeblich bei Hajin, wo sie gegen IS-Milizen vorgehen. Die Kampfpause zuvor hatten die Kurden mit türkischen Angriffen auf ihre Gebiete im Norden Syriens begründet.
Türkisches Militär hatte Dörfer in der Nähe von Kobane (auch: Kobani) beschossen. Dazu kam Ankündigung Erdogans, dass die nächste türkisch geführte Militäroperation in Syrien, den grenznahen Norden östlich des Euphrat von "Terroristen" säubern werde. Das war eine unmissverständliche Kampfansage an die Kurden in Rojava - und stellt deren Verbündete, die USA, vor Probleme.
Der akrobatische Spreizschritt, von dem man nicht weiß, wie lange er durchgehalten werden kann, sieht so aus: Seit 1. November patrouillieren US-Soldaten mit türkischen Soldaten bei Manbij (auch: Manbidsch), ganz wie es zwischen der Türkei und den USA vereinbart war, um den Interessenskonflikt zwischen den beiden Nato-Partnern möglichst niedrig zu halten - allerdings enthält der türkisch-amerikanische Manbidsch-Deal einige Unklarheiten.
Dass die Türkei in den letzten Monaten zeigte, dass sie in Syrien gut mit Russland kooperiert, spielt in die Spannungen zwischen den USA und der Türkei mit hinein.
Anderseits sind die USA von Kurden in Syrien abhängig, weil sie die Präsenz von Militärberatern, amerikanischem Kriegsgerät auf syrischem Boden und den Einsatz der US-Luftwaffe rechtfertigen. Der offizielle Grund der militärischen Präsenz der USA ist der Kampf gegen die IS-Terroristen, die SDF sind die Partner, sie stellen die Bodentruppen im Kampf gegen IS-Milizen. Zuletzt kam zur Begründung der USA noch die Präsenz iranischer Milizen in Syrien hinzu, aber das ist ein anderer Aspekt. Gleichwohl macht die Begründung anschaulich, wie wichtig den USA ihre "Einflusszone" in Syrien ist.
Dass nun die SDF wieder militärisch im Südosten operieren und da mit die Kooperation mit den USA weiterführen, legt nahe, dass es zu neuen Verabredungen zwischen den beiden gekommen ist. Für die SDF sind die USA die Schutzmacht gegen die türkischen Expansionspläne in Syrien, die für sie existentiell bedrohlich sind. Die Erfahrungen in Afrin führen vor Augen, dass die Befürchtungen kein Phantasieprodukt sind.
Nach dem Einmarsch des türkischen Militärs zu Anfang dieses Jahres, der sich weitgehend auf islamistische syrische Milizen stützte, kam es zu Plünderungen, Entführungen und Gewalttaten gegen die Bevölkerung, Berichte von Menschenrechtsvereinigungen sorgen kurzzeitig für Aufmerksamkeit (vgl. Türkei begeht Menschenrechtsverletzungen in Afrin).
Der syrische Distrikt Afrin steht de facto unter türkischer Verwaltung. Wie sehr damit auch wirtschaftliche Herrschaft verbunden ist, zeigte sich in jüngster Zeit durch den Abtransport der Olivenernte in Afrin in die Türkei, was der der Militäroperation "Olivenzweig" im Nachhinein noch eine besondere Pointe beschert.
Beobachter, die aus Afrin stammen, wie der Nahost-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido, befürchten die Wiederholung schlimmer Erfahrungen nun in den syrischen Kurdengebieten weiter östlich (vgl. Wird die Türkei nach Afrin auch Kobani besetzen?).
Dass Erdogan die Gebiete von "PKK-Terroristen" säubern will, worunter die Selbstverteidungseinheiten der YPG genauso fallen wie die politische Verwaltung und natürlich der große Spielraum, der mit "Sympathisanten" verbunden ist, zeigt den einen blutigen Preis an, den sein Plan hat, eine lange Pufferzone auf der syrischen Seite der Grenze zu schaffen. Was ansonsten damit einher geht, ist, wie erwähnt, in Afrin zu verfolgen.
Der Stadt Manbij kommt eine zentrale Rolle zu sowohl für die Interessen der türkischen Regierung an der Ausdehnung ihrer "Einflusszone" wie auch für die Interessen der USA am Schutz der SDF, die, wie erwähnt, eng mit ihren Interessen in Syrien verbunden sind. Dass US-Soldaten dort mit türkischen patrouillieren, liefert das Bild für einen Aspekt dieses komplizierten Beziehungsgeflechts.
Das andere Bild zur Situation stammt von einem gemeinsamen Essen zwischen dem Militärrat in Manbij, der offiziellen für die Verwaltung zuständig ist, und US-Vertretern in offensichtlicher Eintracht. Das Foto datiert aus den letzten Tagen. Die türkische Führung sieht es verärgert, wie einem Bericht der regierungsnahen Zeitung Daily Sabah unmissverständlich zu entnehmen ist. Dem Militärrat in Manbij ist man in Ankara feindlich gesinnt.
Laut Beobachtern des SOHR, das auf ein großes Netzwerk zurückgreift, aber auch häufig falsche oder unzulässige Informationen verbreitet hat, sollen 1.200 islamistische Milizenkämpfer an der Peripherie Aleppos für einen Einsatz unter Order der türkschen Armee bereitstehen.