Unklarheit über türkisch-amerikanischen Manbidsch-Deal
Wahlkampfgeschenk für Erdogan oder Bluff, dass türkische Soldaten die syrische Stadt übernehmen?
Die Ankündigungen der türkischen Regierung, mit Washington einen Deal über Manbidsch (Manbij) ausgehandelt zu haben, scheinen zutreffend gewesen zu sein, auch wenn die amerikanische Seite sich eher bedeckt hielt. Seitdem die kurdisch-arabischen Kampfverbände der YPG/SDF den Euphrat im Kampf gegen den Islamischen Staat Richtung Westen überschritten hatten, kam von der Türkei lauter Protest.
Nachdem der IS Anfang 2016 aus der Stadt Manbidsch vertrieben wurde und diese unter Kontrolle der Kurden kam, verlangte Ankara einen sofortigen Rückzug der SDF, was die US-Regierung auch zusagte, was aber nicht wirklich umgesetzt wurde. Seitdem kriselte es zwischen der Türkei und den USA immer stärker, das Nato-Land Türkei betrachtet die Kurden als Terroristen und verlangt, diesen die Unterstützung zu entziehen. Die Einnahme von Manbidsch hatte schließlich zur Folge, dass die Türkei im Rahmen der offenbar schon länger vorbereiteten Operation "Schutzschild Euphrat" im August 2016 in Nordsyrien einmarschierte - begleitet von einer Miliz aus teils ehemaligen Islamisten und vermutlich in Absprache mit dem IS, der sich kampflos zurückzog.
Nach vielen Auseinandersetzungen und Drohungen folgte schließlich im März 2018 der Einmarsch in die vorwiegend kurdische Provinz Afrin, wobei auch hier wieder nach der Einnahme der Stadt Afrin Kämpfer von syrischen islamistischen Oppositionsgruppen aus Gebieten umgesiedelt wurden, die von den syrischen Truppen eingenommen worden waren. Dazwischen schützten amerikanische und französische Soldaten Manbidsch vor einem Vormarsch der türkischen Soldaten. Verstärkt greift die Türkei Ziele im Nordirak an und ließ auch Bodentruppen dort einmarschieren.
Schon länger war die Rede davon, dass türkische Soldaten zusammen mit amerikanischen den Abzug der kurdischen Kämpfer aus Manbidsch und die Übergabe der Stadt kontrollieren sollten. Anfang Juni hatten die SDF ihre letzten "Berater" aus Manbidsch zurückgezogen, was schon darauf hindeutete, dass der amerikanische-türkische Deal die Interessen der Kurden hintanstellte, was ein Wahlkampfgeschenk für Erdogan bedeutet.
Gestern hieß es nun, amerikanische und türkische Truppen hätten unabhängig voneinander Patrouillen an der Grenzlinie zwischen Manbidsch und den von der Türkei kontrollierten Gebieten begonnen. Die türkische Armee meldete, türkische Verbände seien in Absprache mit amerikanischen Soldaten in die Außenbezirke von Manbidsch vorgedrungen. Präsident Erdogan, der dringend Erfolgsmeldungen braucht, erklärte gestern auf einer Wahlkampfveranstaltung: "Wir haben gesagt, dass die Terrororganisationen hier vertrieben werden. Sie werden nun vertrieben. Die Patrouillen haben begonnen." Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte zwar, die Soldaten müssten noch in die Stadt einmarschieren, aber das werde bald der Fall sein.
Die PYD bzw. die YPG streitet jedoch ab, dass türkische Soldaten bereits in Manbidsch sind, aber die Mobilisierung habe in den von der Türkei kontrollierten Gebieten begonnen. Aber wenn die Amerikaner und Franzosen mitspielen, wird dies nur eine Frage der Zeit sein.
Noch wird gesagt, dass die Kämpfer des angeblich mit lokalen Kräften besetzten Militärrats von Manbidsch in ihren Stellungen geblieben seien. Ein Sprecher des Militärrats sagte dem kurdischen Medium Rudaw, man sei sich dieser Bewegungen nach den Abmachungen mit der von den USA geführten Koalition bewusst. Die türkischen Truppenbewegungen würden danach nördlich der Sajur-Linie in den von der Türkei kontrollierten Gebieten stattfinden, während die amerikanischen Soldaten auf der Seite des Militärrats die Linie kontrollieren würden. Würde die Darstellung der kurdischen Seite zutreffen, gäbe es für die Türkei keine größeren Zugeständnisse, da die vereinbarten Patrouillen nur den Zweck hätten, für Ruhe zu sorgen.
Vom Pentagon hört man noch nichts. Hier wird nur erklärt, man habe am 17. Juni keine Luftangriffe in Al-Hari bei Albu Kamal in der Provinz Deir ez-Zor nahe der irakischen Grenze ausgeführt, zuletzt sei dies am 16. Juni geschehen. Gestern sollen hier Dutzende syrisch Soldaten und Pro-Assad-Kämpfer bei einem Luftangriff getötet worden sein. Irakische schiitische Milizen beschuldigten die USA.
Ein US-Offizier soll CNN berichtet haben, dass die israelische Luftwaffe dafür verantwortlich sei. Israel scheint allerdings eher damit beschäftigt zu sein, Brandanschläge mit Flugdrachen und Ballons aus dem Gazastreifen abzuwehren (Wettrüsten: Israels hochgerüstete Armee im Kampf gegen Flugdrachen). Die israelische Luftwaffe bombardierte in dem höchst asymmetrsichen Konflikt deswegen mehrere Ziele. Dadurch seien die Brandanschläge weniger geworden.