TTIP: Freier Markt ohne Gängelung durch das Parlament?
- TTIP: Freier Markt ohne Gängelung durch das Parlament?
- Fallstrick "regulatorische Kooperation
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Bundesregierung sieht bei TTIP-Regulierungskooperation Möglichkeit zum Ausschluss der Parlamente
In der Öffentlichkeit vertritt die Bundesregierung immer wieder die Meinung, dass sowohl das Europäische Parlament als auch die nationalen Parlamente in die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP und die bei TTIP vorgesehene künftige regulatorische Kooperation zwischen der EU und den USA eingebunden seien. In der deutschen Öffentlichkeit wird diese Ansicht offensichtlich meist fraglos als Realität akzeptiert. Dass dies ein gewaltiger Fehler sein könnte, zeigt sich, wenn man die von Zeit zu Zeit geleakten Dokumente ein wenig näher betrachtet und zudem auch Äußerungen des politischen Hauptstadt-Personals betrachtet, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen oder gar verdrängt werden.
Zu den ganz offensichtlich weitgehend verdrängten Äußerungen zählt die Kritik von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an den Vorbehalten gegen das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Auf einer Konferenz des CDU-Wirtschaftsrates in Berlin soll er sich Anfang des Jahres wie folgt geäußert haben: "Offenbar haben wir nur ein Problem: Nämlich zwischen den beiden größten Wirtschaftsblöcken der Welt, den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa, ein Freihandelsabkommen zu machen." Dies sei absurd, meinte Schäuble. Im Falle eines entsprechenden Abkommens mit China würde sich wohl niemand aufregen.
Was er in diesem Zusammenhang nicht erwähnte, ist die Tatsache, dass weder die EU, noch die USA ein Freihandelsabkommen mit China planen und dass sowohl TTIP als auch das pazifische Pendant TPP eher dazu dienen sollen, China und die anderen BRICS-Staaten auszugrenzen. Schäuble äußerte sich zu den Beziehungen über den Atlantik, er habe die enge Partnerschaft mit den USA immer als Schutz empfunden - selbst, wenn man sich manchmal über Freunde auch ärgern würde.
Was in diesem Zusammenhang jedoch wirklich entlarvend war, war die Aussage, Deutschland brauche Wettbewerb und Druck durch den Welthandel: "Wenn wir keinen Druck haben, schlafen wir ein."
Und der Druck auf die europäischen Marktteilnehmer kann beachtlich werden, falls sich die sich die USA mit ihrem Wunsch durchsetzen sollten, dass für Warenexporte in die EU nicht nur auf die Erhebung von Zollgebühren, sondern für alle Waren, deren Wert weniger als 800 US-Dollar beträgt, auch auf die Mehrwertsteuer, im konkreten Fall auf die Einfuhrumsatzsteuer verzichtet werde. Ein solches Vorgehen würde zweifelsohne die europäischen Hersteller gegenüber den US-amerikanischen deutlich benachteiligen.
Dieser Punkt ist in einem vom Recherchebüro Correctiv veröffentlichten vertraulichen Regierungsprotokoll zu den Verhandlungen zwischen EU-Kommission und Mitgliedsstaaten auch deutlich als Risiko formuliert, wird jedoch in der öffentlichen Kommunikation nur hinsichtlich der Abschaffung von Zöllen thematisiert.
Im gleichen Bericht für das Bundeswirtschaftsministerium wird auch das Risiko angesprochen, dass künftige Regulierungsvorhaben nach Abschluss des TTIP-Abkommens direkt auf der Arbeitsebene und ohne Einbindung der demokratisch legitimierten Parlamente umgesetzt werden könnten.
Die Bundesregierung verspricht Wachstum und Wohlstand durch TTIP - und verschweigt die Bedrohung für die Demokratie. Ohne jede parlamentarische Kontrolle könnten Technokraten und Beamte in Zukunft über weitreichende Regulierungsvorhaben entscheiden: Das ist die reale Gefahr des transatlantischen Freihandelsabkommens, über die die TTIP-Befürworter öffentlich nicht sprechen.
Lena Blanken, Volkswirtin bei der Verbraucherorganisation foodwatch
Berücksichtigt man die Tatsache, dass ein ausverhandeltes Freihandelsabkommen offensichtlich die Zustimmung der nationalen Parlamente und des EU-Parlaments gar nicht benötigt, um vorläufig in Kraft zu treten, ist die derzeit laufende Entwicklung besonders kritisch zu sehen. Im Falle des Freihandelsabkommens mit Südkorea hat man sich schon auf die vorläufige Gültigkeit verständigt, ohne dass das Abkommen von allen Betroffenen ratifiziert wurde.
Die Praxis zeigt, dass dieses Abkommen multinationale Konzerne begünstigt und kleine und mittelständische Unternehmen mit dem hohen Dokumentations- und Verwaltungsaufwand so deutlich benachteiligt, dass ihnen oft nur die Aufgabe der Exporte nach Südkorea bleibt.