TTIP: Freier Markt ohne Gängelung durch das Parlament?

Seite 2: Fallstrick "regulatorische Kooperation

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Die in TTIP vorgesehene sogenannte regulatorischen Kooperation soll künftige Regulierungsvorhaben in Europa und den USA künftig direkt abstimmen und dabei möglicherweise auch auf die Einbindung der Parlamente verzichten. Werden heute schon etwa 80 Prozent der neuen Gesetze ohne Mitsprache der nationalen Parlamente durch das EU-Parlament verabschiedet, könnte in Folge von TTIP auch die Beteiligung des Parlaments in Brüssel und Straßburg ausgehebelt werden. Da TTIP als sogenanntes "living agreement", also als eine Art Rahmenvertrag, geplant ist, könnten künftige Änderungen und Ergänzungen im Rahmen dieses Vertrages ohne jede Parlamentsmitsprache in einer Art transatlantischer Behörde und mit Beratung durch die Vertreter der multinationalen Konzerne umgesetzt werden.

In der Öffentlichkeit bestreitet die Bundesregierung die Gefahr mangelnder parlamentarischer Kontrolle. Intern schließt man jedoch offensichtlich im Falle von CETA und TTIP die Möglichkeit nicht aus, dass selbst bislang völkerrechtlich verbindliche Bestimmungen ohne Parlamentsvorbehalt geändert werden könnten.

Nach dem Motto, Angriff ist die beste Verteidigung, wirft man den Kritikern Panikmache vor und verschweigt die intern er- und bekannten Risiken und Nebenwirkungen einer wohl angestrebten marktkonformen Demokratie. Dass die nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten und auch das Europäische Parlament durch TTIP entmachtet werden sollen, scheint im politischen Berlin durchaus akzeptiert zu sein.

Dass jetzt auch von der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström die Forderung an die Bundesregierung gestellt wird, stärker als bisher für TTIP zu werben, kann durchaus als Rückendeckung für diese betrachtet werden, die TTIP ja auch gerne auch alternativlos sieht, weil ohne TTIP andere Staaten und Staatengruppen den Rahmen künftiger Handelsbeziehungen festlegen würden. Die in diesem Zusammenhang gerne angeführten BRICS-Staaten sind bei TTIP und auch beim derzeit ebenfalls verhandelten Dienstleistungsabkommen TiSA jedoch außen vor.

Im Interesse einer Ankurbelung der Wirtschaft will Malmstöm jetzt die Realisierung von TTIP forcieren, sieht sich aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in Großbritannien und Frankreich wachsendem Widerstand in der Bevölkerung ausgesetzt. Den durch die absehbar endende Regierungszeit von Obama ausgehenden Zeitdruck will man offensichtlich nutzen, um bis zum Ende des Jahres ein Skelett für TTIP festgezurrt zu haben, das mit der nachfolgenden US-amerikanischen Regierung nur noch in den Details ausgefüllt werden müsste.

Während EU-Abgeordnete seit Malmströms "Transparenz-Offensive" in einem Brüsseler Leseraum unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zumindest einen Teil der TTIP-Verhandlungsdokumente einsehen können, bleibt den Abgeordneten der nationalen Parlamente dieses auch weiterhin verwehrt. Ein Vorstoß von Bundestagspräsident Lammert zur Öffnung der TTIP-Dokumente für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags wurde von amerikanischer Seite ziemlich schroff abgewehrt.

"Das aktuelle Verfahren sieht nicht vor, dass Mitglieder der Parlamente der Mitgliedsstaaten die konsolidierten Texte einsehen", soll die US-Botschaft in Berlin als Reaktion auf Lammerts Brief entgegnet haben, wie der Verein Mehr Demokratie berichtet. Dabei sollte man jedoch berücksichtigen, dass die amerikanische Seite ihre Texte zu TTIP einem mit etwa 5.000 Beteiligten viel größeren Personenkreis zur Kommentierung zur Verfügung stellt, als dies in der EU geschieht.