TV-Traum von einer klassenlosen Medizin
Seite 2: Die klassenlose Klinik – eine Idee wird TV-Wirklichkeit
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Bei Dr. Gruber sind dagegen sämtliche Behandlungen zu jeder Jahreszeit labormedizinisch voll umfänglich abgesichert und hinsichtlich der Medikation verschreibt er nur das Beste, was der Pharmamarkt hergibt. Da wird keine:r mit Generika abgespeist, bei denen man nie weiß, ob die Nebenwirkungen nicht die Heilung verhindern.
Bei aufwendigeren Fällen eiert Dr. Gruber nicht lange rum, sondern verfügt eine Direkteinweisung in die Klinik Hall, die von seinem besten Freund Dr. Alexander Kahnweiler geführt wird. Die Geräte und Apparaturen, die hier auf den Punkt zur Verfügung stehen, sind in keiner Universitätsklinik auf aktuellerem Stand, bedient von einem Team ausgesuchter Spezialisten.
Sonar, Röntgen, CT, MRT, Beatmung und Herz-Lungen-Maschine, Intensivmedizin auf Hightech-Niveau. Alles im Stand-by-Modus zum Wohle der Allgemeinheit, sämtliche anfallenden Kosten werden ausnahmslos übernommen.
Das einzige Spital in Deutschland, das da in Puncto Ausstattung und Heilbehandlung mithalten kann, ist die Sachsenklinik in Leipzig ("In aller Freundschaft" ARD). Ebenfalls eine Institution, die keine Unterschiede macht und keine Klassen kennt.
Was sie noch über den von der Klinik Hall hochgeschraubten Standard heraushebt – hier stehen nicht nur absolute Topleute am OP-Tisch, es wird drüber hinaus für den medizinischen Fortschritt geforscht.
Die Klinikdirektion: Agenten des Systems
Und tatsächlich – so viel Realität muss sein – treffen wir in der Sachsenklinik auf eine Figur, die im deutschen Klinikwesen eine zentrale Rolle spielt: den Verwaltungsdirektor, in diesem Fall besetzt von Frau Sarah Marquart.
Diese Position in der Verwaltungsspitze einer Klinik hat im Zuge der sogenannten Gesundheitsreformen, die medizinische Zuwendungen für gesetzlich Versicherte seit den Neunzigerjahren kontinuierlich einschränken, immer mehr an operativer Bedeutung zugenommen.
Die Verwaltungsdirektion ist mittlerweile die eigentliche Chefetage in deutschen Krankenhäusern. Mit ihnen haben die Krankenkassenverbände ihre Agenten positioniert, um die Wirtschaftlichkeit des Betriebs zu lenken und zu kontrollieren.
Dass also prinzipiell die Gehälter der Führungskräfte in der Progression bleiben und die Budgets für Patienten so knapp wie irgend möglich gehalten werden. Ein Meilenstein war die Einführung der Anrechnung über Fallzahlenpauschalen durch die rotgrüne Koalition 2003.
Seitdem geht die Entwicklung in Richtung ambulantes Operieren und Spezialisierung, d.h., man macht nur noch künstliche Knie- und Hüftgelenke oder konzentriert sich auf andere Prothetik.
Lukrativ sind weiter Herz-Lunge, Magen-Darm oder Unfallchirurgie. OPs am Fließband, damit es sich auch lohnt. Wozu hat man schließlich so lang und hart studiert?
Ob die vielen neuen Gelenke und Hightech-Ersatzteile wirklich notwendig sind, ist eine Frage, die als störend verworfen wird.
Alternativ: Behandlung auf Grundlage eines Freundschaftsvertrags
Das Konzept der Sachsenklinik liegt zu dieser gängigen Praxis vollkommen quer, weil hier eine großzügig ausgelegte Grundversorgung vorgehalten wird, noch dazu auf hochspezialisiertem Niveau. Völlig unwirtschaftlich laut GKV, die im richtigen Leben dafür sorgen würde, dass man Frau Marquart umgehend kündigt, weil sie einfach ihrer vom System zugedachten Aufgabe nicht gerecht wird.
Aber nicht in der Sachsenklinik, wo man augenscheinlich keine Verträge über Fallpauschalen oder Pflegebudgets schließt, sondern einen Freundschaftskontrakt, der vor allem zum Wohle der Patienten ausgelegt ist. Unter diesen wahrhaft fairen Bedingungen erweist sich Frau Marquart als eine Verwaltungskünstlerin, der nie das Geld ausgeht und die kaum Beschränkungen einfordert.
Zwar betont sie schon mal, dass die maßgebenden Entscheidungen immer noch an ihrem Schreibtisch fallen, aber bis auf ein paar kollaterale Korrekturen ist von ihr bis jetzt alles abgenickt worden.
Credo aller Angestellten der Sachsenklinik bleibt die optimale Versorgung kranker Menschen, die von aufmerksamen Rettungssanitätern in Stadt und Kreis aufgespürt und mit Tatütata direkt in die Notaufnahme kutschiert werden. Nach erfolgter Behandlung vom Spezialisten-Team geht's zur weiteren Genesung ins Einzelzimmer. Die psychosoziale Betreuung auf den Stationen ist so fürsorglich wie in der Praxis von Dr. Gruber.
Jemand, der hier aufwacht, muss nicht fürchten, am selben Tag wieder entlassen zu werden, wie sonst auf deutschen Stationen üblich. Im Gegenteil. In der Sachsenklinik ist die Verweildauer auf mindestens eine Folge ausgelegt, Verlängerung möglich.
Eine kommunikative Aufgabe des Pflegepersonals besteht gerade darin, Patienten zu einer Aufenthaltsverlängerung zu überreden. Nach Hause geht's erst, wenn man unzweifelhaft seine Fitness bewiesen hat.
Hier rückt einem niemand vom "Sozialdienst" noch im Halbwachzustand auf die Pelle, um zu ergründen, ob man sich nicht allein versorgen kann, sodass das System wieder spart. Hier muss man nicht um Taxi-Scheine feilschen wie auf dem Schwarzmarkt. Hier ist der Patient König.
Falls man in erreichbarer Nähe von Sachsen lebt und ein Arzt eine Krankenhauseinweisung in Betracht zieht, sollte man jetzt wissen, wohin man dann am besten geht. Bei Dr. Gruber bekommt man als deutsche(r) Staatsbürger:in leider keinen Termin, aber für alle Österreicher:innen steht die Praxis der Hoffnung immer offen.