Taiwan: Regierungsrücktritt
Nach einer Kommunalwahlniederlage der Kuomintang könnte sich das Verhältnis zu China verschlechtern
Am Samstag fanden in Taiwan Kommunalwahlen statt, bei denen die oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei (DPP) 13 der insgesamt 22 Bezirke und Großstädte gewann. Vorher hatte sie nur sechs beherrscht. In der Hauptstadt Taipeh siegte der unabhängige Kandidat Ko Wen Je. Verlierer der Wahl ist die landesweit regierende Kuomintang-Partei (KMT).
Nach einer indirekten Aufforderung durch den Staatspräsidenten Ma Ying Jeou erklärte Ministerpräsident Jiang Yi Huah seinen Rücktritt und den seines Kabinetts, das bis zur Ernennung eines neuen Regierungschefs die Geschäfte kommissarisch weiterführt. Der Rücktritt erfolgte offenbar auch deshalb, weil im Wahlkampf nicht nur rein kommunale Themen wie die Stadtentwicklung eine Rolle spielten, sondern auch das Verhältnis Taiwans zur Volksrepublik China:
Bis ins 17. Jahrhundert war Taiwan ausschließlich von austronesischen Ureinwohnern besiedelt, die teilweise Kopfjäger waren. 1624 gründeten die Niederländer dort eine Kolonie, die nach der Eroberung durch einen chinesischen Piraten 1683 vom chinesischen Kaiserreich übernommen und von Han-Chinesen besiedelt wurde. 1895 besetzte Japan die Insel und behielt sie bis zu seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg.
1949 zog sich die gegen Mao unterlegene nationalchinesische Kuomintang-Partei mit eineinhalb Millionen Flüchtlingen auf die Insel zurück und errichtete dort in Konkurrenz zum kommunistischen Festlandchina eine "Republik China", die bis in die 1970er Jahre von den meisten westlichen Ländern als offizielle politische Vertretung Chinas anerkannt wurde.
Die KMT beherrschte Taiwan bis zum Jahr 2000, als die DPP, die mit einer stärker auf eine Eigenständigkeit ausgerichtete Politik für sich warb, erstmals eine Präsidentschaftswahl gewann. China reagierte auf die Wahlsiege der DPP mit einem Gesetz gegen Sezession, das für den Fall einer Unabhängigkeitserklärung Taiwans mit militärischen Mitteln droht.
Der von der DPP gestellte Präsident Chen Shui Bian beruhigte China und die USA mit einer "Politik der fünf Nein". Sie verspricht, dass Taiwan auf eine Unabhängigkeitserklärung verzichtet, kein Referendum darüber abhält, die offizielle Bezeichnung "Republik China" beibehält, an einer Wiedervereinigung als Ziel formal festhält und die Beziehungen mit der Volksrepublik offiziell nicht als Außenpolitik laufen lässt.
Dass die DPP diese "Politik der fünf Nein" aufgibt, ist nicht zu erwarten. Allerdings könnte sie eine eher auf wirtschaftliche Unabhängigkeit ausgelegte Politik fahren und Handelsabkommen infrage stellen, wenn ihr neuer Präsidentschaftskandidat 2016 die Wahl gewinnt, bei der der seit 2008 amtierende Kuomintang-Politiker Ma Ying Jeou nicht mehr kandidieren darf. Um solch einer Wahlniederlange zuvorzukommen, könnte die Kuomintang ihren eigenen Kurs gegenüber China verschärfen und damit versuchen, verloren gegangene Wähler wiederzugewinnen.
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