Taiwan: Wie der Westen China provoziert

Umstritten: Die Republik China auf Taiwan. Bild: Heeheemalu / CC BY-SA 4.0

In USA, Europa nimmt diplomatisches Feingefühl in Bezug auf Taiwan ab. Es scheint fast, als ob es mancher auf eine militärische Konfrontation mit China ankommen lassen will.

Man kann von Chinas Ansprüchen auf Taiwan halten, was man will, aber auf jeden Fall stellen sie eine Sollbruchstelle für den Weltfrieden dar. Jedermann und -frau in den Regierungen der Nato-Länder weiß, dass eine formale Unabhängigkeitserklärung Taipehs für Beijing (Peking) unakzeptabel wäre.

Trotzdem scheint im Westen so manchen der Hafer zu stechen. Hierzulande trommelt namentlich die Springer-Presse und von jenseits der Grenze noch mehr die erzkonservative Neue Züricher Zeitung und scheint es gar nicht abwarten zu können, dass China mit einer Invasion die Insel unter seine Kontrolle bringt.

Aber auch die Verantwortlichen in den Parlamenten und Regierungen zeigen wenig Interesse an diplomatischem Feingefühl und Friedenserhalt. Sei es, dass der Bundestag sich öffentlichkeitswirksam für den Zugang Taiwans zur Weltgesundheitsorganisation WHO einsetzt, statt diplomatische Kanäle für die sicherlich wichtige, aber sensible Frage zu bemühen, sei es, dass Taipehs Parlamentspräsident als Staatsgast in Prag empfangen wird, sei es, dass Washington seine Marine wiederholt in der Straße von Taiwan, also zwischen der Insel und dem chinesischen Festland, kreuzen lässt oder hohe amerikanische Militärs – vermeintlich privat – eine Abkehr von der Ein-China-Politik fordern.

Den jüngsten Vorstoß dieser Art stellen Taiwan-Reispeläne Nancy Pelosis, der Sprecherin des US-Abgeordnetenhauses, dar, von denen Asia Times Online berichtet. Pelosi ist in ihrer Funktion immerhin die Nummer drei in der US-Staatsführung. Entsprechend sind US-Militärs, -Diplomaten und selbst das Umfeld des Präsidenten nach Angaben des Internetmagazins alarmiert und befürchten handfeste Reaktionen aus Beijing, die die Spannungen weiter erhöhen könnten.

Formal ist es im übrigen so, dass Taipeh sich als Vertretung der Republik China sieht und auch so bezeichnet und damit Anspruch auf das Festland erhebt. Das ist angesichts der Kräfteverhältnisse natürlich illusorisch und wird auch nur noch von besonders konservativen Kräften der älteren Generation ernst genommen.

Die Bevölkerung der erst von den Portugiesen, dann den Niederländern, dann dem chinesischen Kaiser und schließlich bis 1945 von Japan beherrschten Insel ist ansonsten in der Frage lange Zeit mehr oder weniger in der Mitte gespalten gewesen, was auch damit zu tun hatte, dass nach der Niederlage im Bürgerkrieg sehr viele Festlandchinesen auf die Insel gekommen waren, die meist sogar eine andere Sprache als die Einheimischen verwendeten. Heute zieht vor allem die jüngere Generation die Unabhängigkeit vor.

Die alte Kuomintang-Militärregierung, die im Krieg auf dem Festland der Gegenspieler der KP gewesen war, hatte sich 1947 mit einem schweren Massaker etabliert und anschließend mit eiserner Hand regiert, was bis Anfang der 1970er im Kalten Krieg die Nato-Staaten nicht von besten Beziehungen zu Taipeh abhielt.

Erst als es geopolitisch opportun erschien, Beijing gegen Moskau auszuspielen, wurde auf die Ein-China-Linie der KP umgeschwenkt und unter anderem der chinesische Sitz im UN-Sicherheitsrat von Taipehs Militärregierung auf die Vertretung der Volksrepublik übertragen. Ab Mitte der 1980er zwangen militante Demonstrationen der Gewerkschaften und Studenten die Diktatur schließlich zum schrittweisen Rückzug.

Taiwans schrumpfende Bevölkerung zählte 2021 gut 23 Millionen Köpfe, womit die Insel im Vergleich zu den 1,4 Milliarden Festlandchinesen ein Winzling ist. Ökonomisch sind die Verhältnisse nicht ganz so eindeutig.

Zwar hat die Volksrepublik auch ökonomisch die Inselrepublik oder „abtrünnige Provinz“ in absoluten Zahlen längst hinter sich gelassen. 2021 betrug ihre Wirtschaftsleistung immerhin 17.734 Milliarden US-Dollar. Allerdings ist das Pro-Kopf-Nationaleinkommen mit rund 12.600 zu 43.400 US-Dollar in Taiwan (knapp 1000 Milliarden US-Dollar Nationaleinkommen 2021) noch immer fast viermal so hoch.