Tea Party und Bürgerkrieg
Können die Republikaner bis zu den Halbzeitwahlen im Herbst die vorhandene Unzufriedenheit kanalisieren?
Am 2. November werden in den USA ein Drittel des Senats und das komplette Repräsentantenhaus neu gewählt. Bei den sogenannten Midterm Elections verliert traditionell die Partei des Präsidenten, da die Abstimmung von vielen Wählern als Gelegenheit genutzt wird, ihre Unzufriedenheit über die Diskrepanz von Wahlversprechen und politischem Handeln auszudrücken.
Auch für diese Midterm Elections erwarten Beobachter einhellig Verluste der Demokraten. Als ausgesprochen wahrscheinlich gilt ein Ende der verzögerungsresistenten 60-zu-40-Mehrheit im Senat, die derzeit durch 58 Demokraten und die Stimmen der unabhängigen Senatoren Bernard Sanders und Joseph Lieberman besteht. Dass die Mehrheiten ganz kippen, gilt jedoch als relativ unwahrscheinlich: Selbst der republikanische Parteivorsitzende Michael Steele geht nicht von einer Machtübernahme im Repräsentantenhaus aus.
Das liegt auch daran, dass die republikanische Partei und ihr Personal es bisher nicht schafften, jene Unzufriedenheit zu kanalisieren, die im letzten Jahr in den (in Anspielung an die Boston Tea Party benannten) Tea-Party-Protesten Ausdruck fand. Geldströme deuten darauf hin, dass die Bewegung gegen Staat und Steuern als gesteuerte Pseudo-Grassroots-Bewegung anfing, dann aber eine Eigendynamik entwickelte, die möglicherweise nicht unbedingt im Sinne der Initiatoren lag.
Als das konservative Rasmussen-Institut im Dezember eine Wahlumfrage mit einer Tea-Party-Option durchführte, entschieden sich 36 Prozent der Befragten für die Demokraten, 23 Prozent für die noch nicht existierende Protestpartei1 und nur 18 Prozent für die Republikaner, deren Verantwortung für die Finanzkrise und die steuerfressende Staatsverschuldung vielen Wählern offenbar doch noch besser in Erinnerung ist, als der Partei lieb sein kann. In einer kurz darauf vom Wall Street Journal und dem Sender NBC in Auftrag gegebenen Umfrage erreichte die Tea Party bessere Sympathiewerte als die beiden großen. Insgesamt machten sich 41 Prozent ein positives Bild von der nicht existierenden Partei.
Zu den Halbzeitwahlen 1994 war es den Republikanern unter Newt Gingrich gelungen, die damals ebenfalls vorhandene grundlegende Unzufriedenheit mit dem politischen System abzuschöpfen, indem sie ihre neuen Kandidaten als Männer vom Lande präsentierten, die sich wie in einem Frank-Capra-Film nach Washington aufmachten, um dort aufzuräumen. Das klappte so gut, dass die Partei mit einem Zugewinn von 54 Sitzen eine seit 1954 bestehende demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus im Handstreich nahm und durch acht hinzugewonnene Sitze auch den Senat unter ihre Kontrolle brachte, den die Demokraten seit 1986 beherrscht hatten.
Aus diesen Gründen könnte die Faustregel, dass eine Partei, die mit unbekannteren Kandidaten antritt, schlechtere Chancen hat, für die nächsten Wahlen nur bedingt gelten. So sieht man die Ankündigungen von bislang 13 republikanischen Abgeordneten und 6 Senatoren, im November nicht mehr zu kandidieren, teilweise durchaus als Chance.
Bei den Demokraten kündigten bis dato 10 Abgeordnete und vier Senatoren ihren Rückzug an - mindestens einer davon unter angeblich deutlichem Druck der Parteiführung: Chris Dodd, der Vorsitzende des Bankenausschusses aus dem bei New York gelegenen Landhausstaat Connecticut war durch seine engen Kontakte zur Wall Street seit der Finanzkrise zunehmend in die Kritik geraten, weshalb es durchaus sein könnte, dass ein in dieser Hinsicht unbelasteterer Bewerber den Demokraten einen Sitz retten könnte, der mit Dodd verloren gegangen wäre. In Umfragen lag er beständig hinter Rob Simmons, der sich neben der World-Wrestling-Entertainment-Mitgründerin Linda McMahon als republikanischer Gegenkandidat bewirbt. Auf die Rolle der Partei bei der Entscheidung, für die Dodd nicht nur persönliche Gründe, sondern auch die "schwierige politische Lage" geltend machte, deutet auch die Tatsache hin, dass mit dem Staatsminister Richard Blumenthal sofort ein Nachfolger präsentiert wurde.
Das die Kandidatenfindung in der Opposition nicht immer so reibungslos läuft, liegt auch daran, dass die von US-Medien "Republican Civil War" betitelten innerparteilichen Auseinandersetzungen weiter andauern. Auf der einen Seite des Spektrums stehen dabei der Radiomoderator Rush Limbaugh, die Kolumnistin Ann Coulter und die frisch engagierte Fox-News-Mitarbeiterin Sarah Palin, auf der anderen der Parteivorsitzende Michael Steele und zahlreiche gewählte Volksvertreter, die fürchten, mit radikal erscheinenden Positionen zwar die Unzufriedenen anzusprechen, aber in noch stärkerem Ausmaß moderate Wähler zu verlieren.