Todenhöfer spricht mit al-Nusra
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Ein Kommandeur packt aus: "Von den romantischen Märchen westlicher Politiker über den syrischen 'Freiheitskampf' bleibt nicht mehr viel übrig"
Im Niemandsland zwischen den Fronten in Aleppo traf der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Burda-Medienmanager Jürgen Todenhöfer nach eigenen Angaben einen Kommandeur der Jabhat Al-Nusra.
Es handle sich nicht um einen hochrangigen Kommandeur, präzisiert Todenhöfer im Gespräch mit dem Deutschlandradio Kultur (!). Er sei "einfach ein Kommandeur, der ein paar Hundert Mann, vielleicht 200 Mann unter seinem Befehl hat".
Das Gespräch sei über Rebellen arrangiert worden, sagte Todenhöfer, der ein Treffen mit bewaffneten Rebellen am selben Tag zu Beginn seines Aufenthalts in Aleppo gegenüber dem Deutschlandfunk am 16.09 angekündigt hatte.
Zeitlich deckt sich das mit der Aussage Todenhöfers, die er im Kölner Stadtanzeiger macht. In dem gestern erschienenen Artikel schreibt Todenhöfer, dass er das Gespräch vor zehn Tagen geführt habe.
Die Unterstützung des Westens einschließlich Israels für al-Qaida
Solche Kleinigkeiten sind nicht ganz unwichtig, denn es geht um die Glaubwürdigkeit des Interviews, das die Sockel aushebt, auf dem das vom westlichen politischen und journalistischen Mainstream aufgebaute Bild des Konflikts in Syrien steht. Beispiele aus den Aussagen des al-Nusra-Kommandeurs:
Wir sind ein Teil von Al Kaida. (…) Unsere Angelegenheiten und unser Weg haben sich geändert. Zum Beispiel gewährt uns jetzt Israel Unterstützung, da Israel sich im Krieg mit Syrien und mit der Hisbollah befindet.(…)
Abu Al Ezz
Eigentlich waren der "IS" und wir eine Gruppe. Aber der "IS" wurde entsprechend den Interessen der großen Staaten wie etwa Amerika für politische Zwecke benutzt. Und von unseren Prinzipien weg gelenkt. Die meisten seiner Führer arbeiten mit Geheimdiensten zusammen, das ist uns klar geworden.
Das Interview kann man in voller Länge auf You-Tube sehen. Aus den Aussagen des Kommandeurs, der Abu Al Ezz genannt wird, geht in einer ungewöhnlichen Offenheit eindeutig hervor, dass die Unterstützung des Westens sehr viel konkreter und systematischer ist, als dies in den Leitmedien berichtet wird.
So spricht der al-Nusra-Mann davon, dass "Offiziere aus der Türkei, aus Katar, Saudi-Arabien, Israel und Amerika" bei der al-Nusra-Miliz waren, als "Experten für die Nutzung von Satelliten, Raketen, Aufklärungsarbeiten und thermischen Überwachungskameras".
Direkte Hilfe von der saudischen und katarischen Regierung
"Die Amerikaner", sagt er, "stehen auf unserer Seite, aber nicht so, wie es sein sollte". Er erwähnt auf die USA bezogen, dass Waffenlieferungen, etwa von TOWs, nicht über direkte Unterstützung kommen. Die USA würden Länder unterstützen, die al-Nusra unterstützen. Das ist bekannt.
Weniger bekannt ist in dieser Deutlichkeit, dass die Unterstützung von Saudi-Arabien und Katar direkt von den dortigen Regierungen kommt, wie dies Abu Al Ezz behauptet. Man habe für genau ausgewiesene militärische Eroberungen von Saudi-Arabien und Katar viel Geld bekommen. Er nennt die Ziele der Missionen und die Geldsummen.
Die Gegnerschaft al-Nusras zur Waffenruhe und den Hilfslieferungen
Angesprochen wird auch die Gegnerschaft der al-Nusrah-Front gegen die Waffenruhe und die Hilfslieferungen:
Wir haben Forderungen: Solange sich das Regime entlang der Castello Road, in Al Malah und in den nördlichen Gebieten befindet, werden wir diese LKW nicht hereinlassen. Das Regime muss sich aus allen Gebieten zurückziehen, damit wir die LKW reinlassen. Wenn ein LKW trotzdem rein fährt, werden wir den Fahrer verhaften.
Abu Al Ezz
Ob daraus zu schließen ist, dass die al-Nusra-Front und ihre Verbündeten den UN-Hilfskonvoi angegriffen haben, bleibe offen, so Todenhöfer gegenüber Deutschlandradio Kultur:
Nein, ich glaube, da haben zu viele Leute, die ganz weit weg sind, ganz schnell gewusst, wer angegriffen hat. Ich habe mit einer Seite gesprochen, ich finde, man muss mit allen Seiten sprechen, um eine Lösung zu finden, und bei den Hilfskonvois weiß ich einfach nicht, wer der Schuldige ist.
Jürgen Todenhöfer
"Wir alle sind die "Al-Nusra-Front"
Bemerkenswert sind auch die Aussagen des al-Nusra-Mannes zur Miliz selbst. Er erweitert das Bild, das hierzulande in der Berichterstattung vorherrscht, wo die Verflechtung, die Dominanz und die Ausrichtung der Gruppe nicht genug in ihrer Dimension erfasst werden (siehe dazu die PR-Bemühungen zur Verbreitung des Claims, wonach al-Nusra-Mitglieder vor allem normale syrische Bürger sein sollen).
Nicht nur dass Abu Al Ezz die "vielen vielen" Mudschahedin erwähnt, die aus Europa, aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA, "aus allen westlichen Ländern" kommen - und deren Anreise erleichtert würde -, sondern er räumt mit Unterscheidungen auf:
Wir alle sind die "Al Nusra-Front". Eine Gruppe wird gebildet und nennt sich "Islamische Armee", oder "Fateh Al Scham". Jede Gruppe hat einen eignen Namen, doch der Glaube ist einheitlich. Der generelle Name ist "Al Nusra-Front". Eine Person hat z.B. 2000 Kämpfer. Dann bildet sie aus dieser eine neue Gruppe heraus und nennt diese "Ahrar Al Scham". Brüder, deren Glaube, Gedanken und Ziele identisch mit der "Al Nusra-Front" sind.
Abu Al Ezz
Selbstverständlich würden auch die Islamische Armee (Jaysh al-Islam) und Islamische Front (Islamic Front) dazu gehören. Beide seien Mitglieder der Oppositionsvertretung für die Genfer Gespräche. Laut dem interviewten Kommandeur wurden ihre Führer "vom Westen produziert". Sie würden von westlichen Geheimdiensten und Geheimdiensten der Golfstaaten bezahlt und betreut, "damit sie die Ziele dieser Länder verwirklichen".