Tonisch-klonische Anfälle

Kanadische Ärzte dokumentieren eine weitere Nebenwirkung des Tasers

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Während sich Studien zu den von Tasern ausgehenden Gefahren bislang in erster Linie auf Komplikationen des Herzens konzentrierten, die von Brustschüssen ausgelöst werden können, weisen drei kanadische Ärzte nun auf einen Fall hin, in dem dokumentiert werden konnte, dass ein Taserschuss einen generalisierten tonisch-klonischen Anfall auslöste.

Ein generalisierter tonisch-klonischer Anfall ist das, was einem Epileptiker nach Laienvorstellung passiert: Zunächst beginnt die tonische Phase, d.h. alle Muskeln verkrampfen, Fäuste ballen sich, Zehen verdrehen sich, die Augen sind verdreht, der Körper fällt zu Boden. Nach dem Ende des Krampfes setzt die klonische Phase, d.h. das unkoordinierte Zucken der Muskeln. All dies kann von weiteren Erscheinungen wie starren Pupillen, Schweiß, Inkontinenz begleitet sein.

Ester T. Bui, Myra Sourkes und Richard Wennberg dokumentieren nun den Fall eines Polizisten, der ohne vorherige Krankengeschichte durch einen Taser-Treffer einen solchen generalisierten tonisch-klonischen Anfall erlebte. Der Polizist, ein gesunder Mann zwischen 30 und 40, hatte zusammen mit einem Kollegen einen Einbrecher gestellt. Der Einbrecher ergriff die Flucht, der eine Polizist verfolgte, der andere feuerte.

Nicht der Einbrecher, sondern der erste Polizist wurde getroffen. Die beiden spannungsführenden Kupferbolzen trafen seinen Hinterkopf bzw. seinen Schulterbereich. Der Polizist sprach später von einem plötzlichen, starken Schmerz im Hinterkopf, den er mit einem Fledermausbiss verglich. An das weitere hat er keine Erinnerung.

Sein Kollege berichtet, dass er direkt nach dem Schuss nicht mehr ansprechbar war und Schaum vor dem Mund hatte. Seine Augen waren nach oben gerollt, er atmete ca. eine Minute lang nicht mehr, und zeigte generalisierte tonisch-klonische Bewegungen. Nach dem Anfall war er zunächst verwirrt und aggressiv.

Die Erinnerungen des Getroffenen setzen erst in der Notaufnahme wieder ein. Während der folgenden Stunden fand er zu sich selbst zurück, fühlte aber starke Kopfschmerzen und hatte Probleme mit der Atmung.

Der Polizist hatte keinerlei neurologische Vorschädigung, d.h. keine Anfälle, Kopfschmerzen, Meningitis- oder Enzephalitis-Erkrankungen. Auch in seiner Familie finden sich keine neurologischen Vorerkrankungen. Spätere Untersuchungen, so ein Kernspin des Kopfes und eine 24h-Gehirnstrommessung, fanden keine Ungewöhnlichkeiten.

Nach dem Vorfall, der nun mehr als ein Jahr zurückliegt, widerfuhren dem Polizisten keinerlei weitere Anfälle. Gleichwohl haben sich nicht alle Symptome zurückgebildet. Bis heute weist er Depressionen, Aggressivität, Konzentrationsprobleme, unspezifische Schwindel sowie anhaltende Kopfschmerzen auf.

Es gibt bislang kaum Daten dazu, wie sich Taser auf das Nervensystem auswirken. Die drei Ärzte berichten in ihrem Artikel von einem Fall, in dem ein Taserbolzen in den Schädel eindrang. Der zweite Bolzen traf gar nicht, gleichwohl verlor der Getroffenen fünf Minuten lang das Bewusstsein und wachte mit leichten Kopfschmerzen auf. In einem weiteren Fall führte ein Tasertreffer zu „vorübergehend verringertem Bewusstsein“. Ansonsten sind Bewusstseinsverluste nach Taser-Treffern nur aufgrund der durch den Aufprall verursachten Kopfverletzungen bekannt.

Die Autoren der Studie vergleichen den Effekt des Taser-Schusses mit dem einer Elektrokrampftherapie. Bei dieser Therapieform, die bei schweren Depressionen auf freiwilliger Basis eingesetzt wird, werden epileptische Anfälle künstlich erzeugt, indem hohe Spannungen am Schädel des Patienten angelegt werden. Wieso dies zur Bekämpfung von Depressionen geeignet ist, ist bis heute nicht ganz klar. In jedem Falle kann man annehmen, dass die durch den Taser übertragene Ladung einen identischen Effekt auf den betroffenen Polizisten entfaltete.

Aufgrund der genauen Umstände seines Anfalls halten es die Autoren für sehr unwahrscheinlich, dass dieser durch den Sturz und die damit verbundene Kopfverletzung und nicht durch den Stromstoß ausgelöst wurde. Dagegen könnte es sein, dass die Folgeschäden, unter denen der Polizist noch immer zu leiden hat, tatsächlich durch die Kopfverletzung und nicht neurologisch durch den Taser-Stromstoß unmittelbar ausgelöst wurden.

Damit wird man das Auslösen von generalisierten tonisch-klonischen Anfällen als eine weitere Nebenwirkung von Tasern neben den bekannten Herzrhythmus-Störungen und den Sturzverletzungen festhalten können.