Tories und DUP in den "Grundlinien" einig
Potenzielle Streitthemen wie Abtreibung und Homosexualität werden in der Zusammenarbeitsvereinbarung Medienberichten nach ausgespart
Nachdem die britische Premierministerin Theresa May der Königin am Freitagnachmittag ankündigte, nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit im Unterhaus mit den Stimmen der zehn Abgeordneten nordirischen DUP weiterregieren zu wollen, gab es am Wochenende weitere Gespräche zwischen der 1971 gegründeten Protestantenpartei und Mays Tories. Vertretern der DUP nach, die sich gegenüber britischen Medien äußerten, verliefen diese Gespräche "bislang positiv". Außerdem wurde betont, man stimme mit den Grundlinien von Mays geplanter Politik überein.
In Mays neuem Kabinett sollen sowohl Außenminister Boris Johnson als auch Brexitminister David Davis, Finanzminister Philip Hammond, Verteidigungsminister Michael Fallon und Innenministerin Amber Rudd (die ihren Wahlkreis mit nur etwa 300 Stimmen Vorsprung verteidigte) die gleichen Posten einnehmen wie im alten. Ihre Hüte nehmen mussten dagegen Mays Stabschefs Nick Timothy und Fiona Hill. Timothy gilt als einer der Köpfe hinter der Forderung, demente Hausbesitzer zu enteignen, um ihre Pflege zu bezahlen. Sein Nachfolger wird Ex-Wohnungsbauminister Gavin Barwell - ein Brexit-Gegner, der seinen Wahlkreis am Donnerstag verlor.
Johnson twittert Unterstützung für May, britische Medien skeptisch
Obwohl (oder vielleicht auch grade weil) der als möglicher Nachfolger der Premierministerin gehandelte Boris Johnson am Samstag twitterte, er "unterstütze Theresa May", sind britische Medien nicht sehr überzeugt davon, dass die angeschlagene Politikerin (die sich am Samstag mit Einkäufen tröstete) eine volle Legislaturperiode im Amt bleiben wird. Für die Sun hat sie "ihre Autorität verloren", für die Times hat sich ein "Abgrund" vor ihr aufgetan.
Welche Zugeständnisse die DUP für eine Verpflichtung fordert, bei Vertrauens- und Budgetabstimmungen so sicher mit den Tories zu stimmen, dass sie sich darauf verlassen können, ist noch nicht offiziell bekannt. Eine ziemlich sichere Wette wäre wohl, dass sie mehr Geld für ihre Wahlkreise in Nordirland verlangt - und wahrscheinlich auch bekommt. Dem Observer sagten "Quellen" aus der DUP, ihre aktuellen Forderungen entsprächen denen für die Tolerierung einer Minderheitsregierung aus dem Jahr 2015, als vor der Wahl auch die Labour Party auf eine Duldung durch die Protestantenpartei spekulierte: Deutlich mehr Geld für Schulen und Krankenhäuser in Nordirland und eine Halbierung der Zusatzgebühren für Flüge zwischen dort und der britischen Hauptinsel. Die Daily Mail will dagegen erfahren haben, dass die DUP aus einer Besorgnis über mögliche negative Folgen für Nordirland heraus zusätzlich noch einem "weicheren" als den von May angekündigten "harten" Brexit fordert, über dessen Details ab dem 19. Juni zwischen Vertretern Londons und Brüssel verhandelt werden soll.
Schottischer Tory-Sieg gegen den Trend - mit homosexueller Spitzenkandidatin Ruth Davidson
Zwei Bereiche, zu denen Tories und DUP unterschiedliche Haltungen vertreten, sollen Medienberichten nach ausgespart bleiben: Abtreibung und Homosexualität. Vor allem in diesen beiden Punkten zeigt sich, dass die lange vom Pfarrer Ian Paisley angeführte DUP immer noch recht religiös geprägt, während die Tories mit der offen homosexuellen Ruth Davidson in Schottland gegen den UK-Trend massiv dazugewannen. Davidson ließ sich Informationen der Daily Mail nach von May zusichern, dass ein Arrangement mit der DUP nicht dazu führen wird, das sich die Rechtsposition von Homosexuellen verschlechtert.
Die schottische Tory-Chefin ist nicht die einzige offen homosexuelle Politikerin, die gerade in einer konservativen Partei Karriere macht: In Irland - wo ausgelebte Homosexualität bis 1993 strafbar war - wird eine Parlamentsmehrheit unter Führung seiner Fine-Gael-Partei am 13. Juni Leo Varadkar zum neuen Taoiseach (Ministerpräsidenten) wählen. Den Parteivorsitz übernahm der erst 38jährige Sohn eines Einwanderers aus Indien bereits vorletzte Woche, nachdem sein Vorgänger Enda Kenny über eine Mobbing-Kampagne gegen einen Polizei-Whistleblower stolperte.
In Deutschland gilt der offen homosexuelle Jens Spahn als Nachwuchshoffnung der CDU und als potenzieller Nachfolger Angela Merkels, falls sie die Wahl im Herbst doch noch verlieren sollte. Und in den USA wählten im letzten November viele Homosexuelle (die vorher als relativ sichere Bank der Demokratischen Partei galten) erstmal die Republikaner, wozu auch Milo Yiannopoulos und seine Initiative "Gays for Trump" beitrugen, die vor allem nach dem Massaker in einer Schwulendisco in Orlando Zulauf bekam.
Dieser Zulauf und der Erfolg von Politikern wie Davidson und Varadkar zeigen, dass aus ehemals konservativen Parteien im 21. Jahrhundert etwas anderes geworden ist als das, was sie im 20. Jahrhundert einmal waren. Ebenso wie aus ihren ehemaligen Opponenten, die sich sehr stark den Religionen angenähert haben, wie unter anderen der unlängst beendete Kirchentag in Berlin zeigte.
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