Tradition verpflichtet: Mütter wieder an den Herd!
Neue Studie: In der Pandemie hat sich die Einstellung zur Erwerbsarbeit von Müttern verschlechtert - unter westdeutschen Männern
Die Corona-Pandemie hat zu einer Rückkehr traditioneller Geschlechterrollen geführt - zumindest unter westdeutschen Männern, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt. Untersucht wurde, wie Männer und Frauen zur Erwerbsarbeit von Müttern stehen.
Ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie hatten nur noch 54 Prozent der Väter junger Kinder die Einstellung, dass es in Ordnung sei, wenn Mütter einer Arbeit nachgingen. Im Jahr 2016 hatten noch zehn Prozent mehr diese Einstellung.
Studienautor Mathias Huebener erkennt darin eine Trendumkehr: In den vergangenen zehn bis zwölf Jahren habe man feststellen können, dass sich vor allem westdeutsche Männer zunehmend mit der Erwerbsarbeit von Müttern anfreunden konnten. "Gründe dafür sind zum Beispiel der Ausbau der Kita-Angebote, aber auch die Einführung des Elterngeldes, mit der Väter nach der Geburt eines Kindes häufiger Sorgeaufgaben übernommen haben."
In der Pandemie hat sich das geändert. Kindergärten und Schulen waren zeitweise geschlossen und die dort geleistete Erziehungs- und Bildungsarbeit musste wieder von den Familien verrichtet werden. Viele Familien hätten sich angepasst, heißt es in der Studie, indem sie die häusliche Arbeitsteilung wieder verändert hätten. Schon für den ersten "Lockdown" ließ sich nachweisen, dass sich wieder Mütter vor allem um die Kinder kümmerten.
Bislang war aber wenig darüber bekannt, ob sich auch die Ansichten über die Rolle von Mann und Frau in der Familie änderten. Wie sich nun zeigen ließ, machten sich in der Pandemie wieder traditionelle Ansichten unter westdeutschen Vätern breit.
"Konkret stimmen sie wieder seltener Aussagen zu, denen zufolge die Erwerbstätigkeit der Mutter für ein Kind auch positive Effekte haben kann und sie stimmen etwas häufiger der Aussage zu, dass es für ein Kind sogar schädlich sein kann, wenn die Mutter einer bezahlten Arbeit nachgeht", sagte Huebener.
Ein Phänomen westdeutscher Männer
Die Studie zeigt, dass dies vor allem ein Phänomen westdeutscher Männer ist. Von ihnen zeigten nur noch 49 Prozent eine positive Einstellung gegenüber der Erwerbstätigkeit von Müttern. Unter ostdeutschen Vätern ließ sich diese Entwicklung nicht nachweisen und auch nicht unter Frauen - egal ob in West oder Ost.
Den regionalen Unterschied führen die Studienautoren indirekt auf die traditionell unterschiedliche Entwicklung zwischen West- und Ostdeutschland zurück. Während in der DDR die Gleichstellung von Mann und Frau propagiertes Ziel war und viel getan wurde, um es zu erreichen, steht das Streben nach Gleichstellung der Geschlechter in Westdeutschland noch nicht lange auf der politischen Agenda.
In der Frage, ob es sich um eine längerfristige Entwicklung handelt, sind sich die Studienautoren nicht einig. "Von einer gesellschaftlichen Rolle rückwärts zu sprechen, wäre derzeit sicherlich noch zu dramatisch", erklärte Co-Autorin C. Katharina Spieß. Dagegen erkennt Huebener darin einen Indikator dafür, "dass die Kita- und Schulschließungen längerfristige Effekte auf die Gleichstellung von Frauen in unserer Gesellschaft haben könnten".
Mit Blick auf den kommenden Herbst und die Delta-Variante des Corona-Virus sind sie sich einig: Sollten Kindergärten und Schulen erneut geschlossen werden, könnte das negative Folgen für die Gleichstellung der Frauen haben.
Es sei möglich, "dass politische Ziele wie mehr erwerbstätige Frauen durch ein Ereignis wie die Corona-Pandemie ins Wanken geraten - auch, weil sich das Verständnis von Geschlechterrollen zumindest im Mittel zurückentwickelt hat", erklärte Spieß.