Trump auf Putins Spuren?

Seite 2: Unheilige Allianz

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Nicht nur auf der globalen, geopolitischen Ebene, auch regional können die Kurden Syriens kaum auf Unterstützung hoffen, da sie eine emanzipatorische Anomalie darstellen, die von allen Machtfaktoren in der Region als eine tödliche Bedrohung verstanden wird. Nicht nur die Regierungsislamisten der Türkei auch das Regime in Restsyrien, das Mullahregime des Iran, die korrupten kurdischen Klans um Barzani im Nordirak sehnen das Ende des basisdemokratischen Experiments in Rojava herbei, in dem die Frauenemanzipation eine zentrale Rolle einnimmt.

Nicht auszudenken, wenn es erfolgreich wäre und in eine Region ausstrahlen würde, die durch staatlichen und ökonomischen Zerfall, durch Steinzeitislamismus, autoritäre Regimes und Racketherrschaft verwüstet ist.

In Anlehnung an die "Heilige Allianz", die nach dem Ende der napoleonischen Kriege von den spätfeudalistischen Großmächten in Europa geschmiedet wurde, um jedwede künftige revolutionäre Bewegung im Keim zu ersticken, kann in der Region eine ähnliche informelle Allianzbildung beobachtet werden. Alle sonstigen Differenzen und Machtkämpfe werden im Hinblick auf Rojava zurückgefahren, um eben dieses Experiment, diese emanzipatorische Anomalie, in Blut zu ersticken - und so den Menschen der Region, ob nun in Irakisch-Kurdistan, Syrien, Iran oder in der Türkei alle Hoffnung auf Befreiung zu nehmen.

Deswegen war es trotz langwieriger Verhandlungen den Kurden schlicht nicht möglich, zu einer Übereinkunft mit dem syrischen Regime zu kommen, da dieses die kurdische Selbstverwaltung und basisdemokratische Strukturen um keinen Preis akzeptieren konnte - allein um des bloßen Machterhalts willen. Die weitere Besetzung syrischen Territoriums durch die Türkei ist dem Assad-Regime lieber als eine basisdemokratische Autonomie auf syrischem Gebiet. Die Kurden machten zuletzt vor allem Moskau für das Scheitern der Gespräche verantwortlich.

Letztendlich liegt diesem neuen türkischen Eroberungskrieg ein geopolitischer Deal zugrunde, der ohne die Abstimmung mit allen wichtigen Akteuren nicht möglich wäre - syrische Truppen dürften zeitgleich mit türkischen in Rojava einmarschieren, dessen Aufteilung bereits ausgehandelt wurde. Ankara erhält weite Teile Nordsyriens an der Grenze, während das Regime in die restlichen Gebiete einmarschiert. Es ist ein geopolitischer Deal, der hier gefunden wurde - und er läuft zulasten der Kurden Syriens, die weitere Vertreibungen, Unterdrückung und Marginalisierung erfahren werden.

Monströse Dystopie der Menschenverwaltung

Die EU, insbesondere Deutschland, dürfte Ankara den Rücken freihalten - allein schon um eine Eskalation der Flüchtlingskrise zu vermeiden, vor der etwa Innenminister Seehofer bereits fleißig warnt. Der islamistische Präsident hat den Europäern im Vorfeld seiner jüngsten ethnischen Säuberungskampagne in aller Öffentlichkeit einen ganz besonderen Deal angeboten. Die eroberten Gebiete sollen zu einer "Sicherheitszone" ernannt werden, in die bis zu drei Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge deportiert würden.

Es ist eine monströse Dystopie der Menschenverwaltung, die sich hier abzeichnet. Was die Regierung in Ankara fertigbringen will, ist ein gigantisches Freiluftghetto für Flüchtlinge - in einem staatlichen Niemandsland, das sich weder unter staatlicher syrischer Kontrolle befinden noch offiziell von der Türkei annektiert würde. Diese Millionen von ökonomisch überflüssigen Flüchtlingen, die die Bürgerkriege und die krisenbedingten Zerfallsprozesse in der Region produzieren, würden in einem völkerrechtlichen Niemandsland von eben jenen islamistischen Banden und Rackets beherrscht, die bereits in Afrin an der Seite der türkischen Soldateska als Mordbrenner einfielen.

Dem Islamismus würde somit eine objektive Repressionsfunktion bei der Kontrolle, Konzentration und Beherrschung der ökonomisch "überflüssigen" Menschenmassen zukommen, die die Weltkrise des kapitalistischen Systems in der Region produziert. Dieser weitere Schritt in eine barbarische Endlösung der Flüchtlingsfrage dürfte auch in Berlin seine Befürworter finden - nicht nur bei der trump- und putingeilen neuen deutschen Rechten, der die kurdische Befreiungsbewegung gerade wegen ihres säkularen Charakters schon immer verhasst war, da sie die üblichen rassistischen und kulturalistischen Ressentiments konterkariert.

Der vergangene Angriffskrieg der Türkei gegen Afrin wurde von einer scharfen staatlichen Repressionskampagne in der Bundesrepublik flankiert, bei der - weitgehend erfolglos - alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um die breite Solidaritätsbewegung mit Rojava zum Schweigen zu bringen. Auch diesmal gilt es, Solidarität zu leisten, trotz der abermals zu erwartenden Repression aus Teilen des deutschen Staatsapparates, die schon während des Afrin-Kriegs in übelster historischer Tradition den Eindruck erweckten, als fünfte Kolonne Erdogans zu agieren.

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