Trump, der Welthandel und die Geisterfahrer der EU
Seite 2: Trump - ein Phänomen des Übergangs
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- Trump - ein Phänomen des Übergangs
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Trumps Handelspolitiker setzen hier einen erstaunlichen Kontrapunkt zur Logik der neoliberalen Globalisierung. Man muss sich an dieser Stelle einmal kurz vor Augen führen, wie die Anreizsysteme für Unternehmen in der gegebenen Welthandelsordnung aussehen.
Nach Jahrzehnten der Deregulierung und des globalen Abbaus aller möglichen "Handelshemmnisse", seien es nun Zölle, Subventionen, Verbraucherschutzgesetze oder Umweltauflagen, besteht für internationale Konzerne ein maximaler Anreiz, ihre Produktion in globalen Netzwerken zu organisieren.
Sie werden motiviert, Hungerlöhne, fehlende Arbeitsrechte oder Umweltgesetze, schwache Zivilgesellschaften und fragile staatliche Institutionen, dort wo sie zu finden sind, im Sinne ihrer Profitabilität auszunutzen, ihre Zwischenprodukte ohne Rücksicht auf Klimafolgen in riesigen Containerschiffen über die Weltmeere hin und her zu transportieren, um schließlich mit möglichst billigen Endprodukten auf den Märkten zu konkurrieren.
Im Zuge dieser Entwicklung sind in den USA seit dem Jahr 2000 fünf Millionen Industriearbeitsplätze verlorengegangen, der "Industriegürtel" in Bundesstaaten wie Michigan, Ohio oder Indiana verwandelte sich in einen "Rostgürtel". Gleichzeitig wuchs das amerikanische Handelsbilanzdefizit auf 862 Milliarden Dollar in 2017 an.
Beide Entwicklungen, die Auslagerung von Jobs und das Handelsbilanzdefizit, haben viel miteinander zu tun. Wenn Jobs in globale Produktionsketten abwandern, dann führt das dazu, dass mehr Zwischen- und Endprodukte importiert werden.
Nach Einschätzung von Experten ist ein großer Teil der US-Importe aus China darauf zurückzuführen, dass US-Unternehmen in China produzieren lassen. Wenn die US-Regierung amerikanische Konzerne dazu bringen kann, ihre Produktionen aus China zurückzuverlagern, schrumpft automatisch auch das Handelsbilanzdefizit.
Um das zu erreichen muss Trump jedoch zwangsläufig mit einer internationalen Handelsordnung in Konfrontation gehen, die darauf hinausläuft, Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards weltweit gegeneinander auszuspielen.
Wir sehen hier das Paradox, dass ein Nationalist wie Trump, der eigentlich nur den besseren Deal für sein Land aushandeln will, beginnt, soziale Kriterien im Welthandel verbindlich zu verankern. Die Vereinbarung mit Mexiko kommt der Forderung linker Globalisierungskritiker entgegen, soziale Kriterien wirksam in Handelsverträge zu integrieren.
Bereits mit seinen Strafzöllen und der Drohung mit eskalierenden Handelskonflikten streut der US-Präsident Sand ins Getriebe der globalen Ausbeutungsketten - und macht sie dadurch unattraktiver. Dafür muss Trump noch nicht einmal alle angedrohten Zölle gegen China, die EU und andere Länder in Kraft setzen. Mit wiederholten Ankündigungen, glaubhaften Drohungen, im Sande verlaufenden Verhandlungsrunden und einer eskalierenden Rhetorik, wie Trump sie meisterlich beherrscht, entsteht eine Situation zunehmender Unsicherheit. So etwas mögen global aufgestellte Konzerne gar nicht. Für sie entsteht dadurch ein Anreiz, ihre Produktionsstätten dort anzusiedeln, wo ihre Märkte sind.
Wenn Trump mit seiner "Störung" der globalen Wertschöpfungsketten erfolgreich ist, wird die Produktion wieder stärker an die Verbraucher heranrücken. Binnenmarktorientierung und regionale Wirtschaftskreisläufe würden gestärkt. Das hätte auch umweltpolitisch positive Effekte. Denn mit der Entwicklung der globalen Produktionsketten hat auch der Handel mit Zwischen- und Endprodukten rasant zugenommen. Er ist mittlerweile einer der größten Treiber des Klimawandels. Etwa ein Viertel aller schädlichen Emissionen ist laut Unctad darauf zurückzuführen.
Damit sind wir beim zweiten Paradox der neuen US-Handelspolitik: Ausgerechnet ein US-Präsident, der dem Pariser Klimaabkommen den Rücken kehrte und für seinen umweltpolitischen Rollback berüchtigt ist, könnte so einen wichtigen Beitrag zur Klimapolitik leisten.
Das "Reshoring", also die Rückverlagerung von Produktionsstätten, ist indessen eine globale Tendenz, die schon seit Jahren Fahrt aufnimmt - auch ohne protektionistische Intervention. Nach Angaben der amerikanischen "Reshoring-Initiative" hat sich die Zahl der in die USA zurückverlagerten Arbeitsplätze seit 2010 bereits verzehnfacht. Trump handelt also im Einklang mit einem bereits existierenden globalen Trend und versucht, ihn zu beschleunigen.
Das betrifft nicht nur das Reshoring von Jobs. Die wirtschaftliche Globalisierung ist insgesamt an eine Grenze gestoßen. Ein Grund dafür sind die steigenden Löhne in China und anderen asiatischen Ländern. Dadurch schrumpfen die Kostenvorteile der globalen Netzwerke. Die stete Suche nach Ländern mit noch niedrigeren Löhnen und weniger staatlicher Regulierung ist nicht mehr erfolgversprechend.
Mit den neuen Automatisierungstechniken, mit Industrierobotern, 3D-Druckern und KI-Technologien, haben Unternehmen zudem neue Möglichkeiten, die global fragmentierte Produktion profitabel wieder zusammenzuführen. Der Trend geht dabei zur dezentralen, integrierten Produktion, die vorzugsweise dort stattfindet, wo die Konsumenten sind.
Entsprechend sinkt das Interesse an einer weiteren globalen Fragmentierung der Produktion. Die Auslandsinvestitionen sind laut OECD in 2017 um 18 Prozent geschrumpft. Sie waren ab 2002 steil angestiegen und markierten 2008 ein Hoch, das nach der Finanzkrise nicht wieder erreicht wurde. Seit 2011 ist auch die Fragmentierung der Produktion auf globaler Ebene rückläufig.
Die Weltwirtschaft befindet sich also an einem Wendepunkt von der neoliberal geprägten Globalisierung zu einer Phase der Deglobalisierung. Trump ist ein Phänomen dieser Übergangsphase, in der die alten Freihandelsstrategien nicht mehr funktionieren, aber auch noch nicht klar ist, wie eine neue Welthandelsordnung aussehen muss. In Trumps doppelgesichtiger Handelspolitik spiegelt sich diese Orientierungslosigkeit.