Trump gegen Merkel, die USA gegen Deutschland?
Nach einem Trump-Berater beutet Deutschland andere EU-Länder und die USA aus, ein Brief von EU-Ratspräsident Tusk zeigt die Angst vor dem Zerfall durch Trump, nicht durch Russland
Möglicherweise zielt Donald Trump nicht auf einen Handelskrieg mit China - und auch nicht mit Mexiko, vor dem er die USA auch durch eine "materielle Mauer" schützen will. In einem beachtenswerten Beitrag für die Financial Times erklärte Trumps höchster Handelsberater Peter Navarro, der Leiter des Nationalen Handelsrats im Weißen Haus, dass Deutschland zumindest im Ziel steht. Deutschland nämlich würde den stark unterbewerteten Euro einsetzen, um seine Handelspartner in Europa und den USA "auszubeuten". Das ließ den Euro gleich noch einmal gegenüber dem Dollar herunterrauschen.
Wenig verwunderlich sagte Navarro, dass das Freihandelsabkommen TTIP vom Tisch sei, als Begründung wird auf Deutschlands Währung hingewiesen: "Ein großes Hindernis, TTIP als bilaterales Geschäft zu sehen, ist Deutschland, das weiter andere Länder in der EU ebenso wie die USA mit einer 'impliziten Deutschen Mark' ausbeutet, die stark unterbewertet wird." Deutlich wurde bereits, dass die Trump-Regierung keine internationalen Abkommen wie TTIP oder TTP abschließen will, sondern auf bilaterale Abkommen mit Einzelstaaten setzt. Der Grund ist einleuchtend, weil dann die USA normalerweise der stärkere Verhandlungspartner ist, der besser seine Interessen durchsetzen kann.
Navarro sagt dies nicht so unverblümt, aber er betrachtet TTIP nicht als wirkliches bilaterales Abkommen zwischen der USA und der EU. Das Handelsungleichgewicht mit dem Rest der EU, also nicht nur mit der Eurozone, und mit den Vereinigten Staaten, zeigt für ihn die "ökonomische Heterogenität in der EU". Daraus wiederum leitet er ab, dass TTIP ein "multilaterales Abkommen im bilateralen Gewand" ist.
Navarro hat zumindest Recht, dass ein niedriger Euro den Export Deutschlands, aber dann auch den der anderen Euro-Länder begünstigt. Sein Angriff auf Deutschland könnte zeigen, dass die Trump-Regierung versucht, die Eurozone noch stärker zu destabilisieren, als dies Deutschland mit seinem Niedriglohnsektor und seinem Sparkurs, der auch den übrigen Euro-Ländern wie Griechenland, Spanien oder Italien aufgezwungen wird, selbst bereits macht. Dabei ist es nicht die deutsche Politik alleine, sondern vornehmlich die EZB, die unter ihrem Chef Mario Draghi mit den Anleihkäufen von jetzt monatlich 60 Milliarden Euro dafür sorgt, dass der Euro billig und die Inflation niedrig bleibt, es aber auch keine Zinsen gibt. Allerdings hat die EZB nach dem Vorbild Japans und der USA das "quantitative easing" übernommen und ist damit in eine Art Handelskrieg über die Währung eingetreten.
Die Strategie ist allerdings erkennbar, Deutschland als Übeltäter herauszugreifen und gewissermaßen zu personalisieren, da eine Kritik der EZB nicht so gut funktionieren würde. Tatsächlich ist Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht der EU vor allem nach dem Brexit zur dominanten Macht in der EU geworden, aber gleichzeitig wegen der Spar- und Flüchtlingspolitik ist die deutsche Regierung EU-intern hoch umstritten.
Daher ist der Hebel hier gut anzusetzen, der allerdings nicht von Moskau mit dessen eher soften und indirekten Beeinflussungsoperationen ausgeht, wie auch hier bislang suggeriert wurde, sondern direkt von der neuen Regierung in Washington: Trump gegen Merkel also, der neu gewählte US-Präsident gegen die Kanzlerin, die in diesem Jahr wieder in den Wahlkampf antritt und als Bundeskanzlerkandidatin geschwächt ist. Merkel entgegnete dem Angriff, indem sie versuchte, ihn abblitzen zu lassen, da ja nicht die deutsche Regierung, sondern die angeblich politisch unabhängige EZB den Wert des Euro kontrolliert.
Allerdings erklärte Navarro in Emails mit Financial Times, dass TTIP nicht mit Trump gescheitert ist, sondern schon durch den Brexit. Trump hatte allerdings den Brexit immer als "großartig" betrachtet, Nigel Farage wurde von ihm entsprechend geschätzt und die Hoffnung geäußert, dass auch andere Staaten Großbritannien folgen werden. Mit einer schwachen oder zerfallenden EU würde die Macht der USA und damit die von Donald Trump steigen. Hämisch meinte er: "Ich glaube, die Union zusammenzuhalten, wird nicht so einfach sein, wie viele Menschen denken." Im Interview mit Bild sagte er, dass wohl auch andere Staaten aussteigen werden - oder er hofft es.
Das ist in der EU angekommen. EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb in einem eher verzweifelten und offenen Brief an die 27 Regierungschefs und damit an alle Europäer ("United we stand, divided we fall"), dass nun Geschlossenheit notwendig sei: "In einer von Spannung und Konfrontation erfüllten Welt ist Mut, Entschlossenheit und politische Solidarität der Europäer erforderlich. Sonst werden wir nicht überleben." Der nächste Gipfel findet am 3. Februar in Malta statt - ohne Theresa May. Dabei stellt Tusk die Bemühungen der Trump-Regierung auf eine ähnliche Stufe wie China, Russland, die Türkei und den radikalen Islamismus.
Tusk argumentiert apokalyptisch, die Situation sei so gefährlich wie nie seit der EU. Die Gefahren kämen auch von innen, von einem erstarkenden "nationalem Eogoismus". Und dann sind da noch die Eliten, die nicht mehr an politische Integration glauben und die fundamentalen Werte der liberalen Demokratie bezweifeln. Tusk setzt auf Angst und will das Thema der äußeren und inneren Sicherheit ganz nach oben setzen. Ob das Argument noch zieht, dass die europäische Einheit eine "weitere historische Katastrophe" verhindert und dass sie die beste Zeit in der Geschichte gewesen ist, darf man angesichts der euroskeptischen Kräfte bezweifeln. Aber es wäre möglich, dass ein äußerer Feind die EU wieder zusammenführt. Mit Putin ist dies nicht gelungen, womöglich schafft es ja Trump.