Trump gewann in den Counties, in denen die Lebenserwartung unterdurchschnittlich stieg
Unterschiede in der Lebenserwartung haben sich auf die Präsidentschaftswahl in den USA ausgewirkt
Wer hat Donald Trump gewählt? Noch immer wird nach den Schuldigen gesucht, die die USA in die Hände eines unberechenbaren, narzisstischen und politisch unerfahrenen Bauunternehmers, der als Milliardär versprach, das Volk gegen die eingekapselte Elite in Washington zu vertreten.
Es waren die Abgehängten, die Menschen auf dem Land, die Wutbürger, vor allem Männer, die Trump an die Macht brachten. Und jetzt gibt es noch einen Zusammenhang: Trump wurde von Menschen mit einer geringeren Lebenserwartung gewählt. Da könnte man sich fragen, ob sie dies gemacht haben, um besser und länger zu leben oder um schneller Schluss mit dem Leben zu machen, wenn Trump alles zerhaut und womöglich die Nation in einen Krieg führt. Vielleicht ist es auch nur die Verzweiflung oder die Wut, die Menschen dazu bringt, sich in einer Situation ohne wirkliche Alternative für einen Systemwechsel zumindest auf personeller Ebene nach der Devise zu entscheiden, dass es schlimmer nicht werden kann.
Jacob Bor von der Boston University School of Public Health (BUSPH) hat die Daten in den Gemeinden bei den Wahlen 2008 und 2016 ausgewertet und sie mit der Lebenserwartung in den Counties zwischen 1980 und 2014 verglichen. Die Lebenserwartung stieg, so schreibt er in seinem Beitrag im American Journal of Public Health im Durchschnitt während der 30 Jahre um 5 Prozent an, aber nicht überall gleichmäßig. In manchen Gemeinden stieg die Lebenswartung um bis zu 10 Jahre an, in anderen stagnierte sie oder ging sogar zurück.
Bor stellte fest, dass in den Counties, in denen die Lebenserwartung um weniger als 3 Jahre in den vergangenen 20 Jahren angestiegen war, der Anteil der Wähler für die Republikaner und damit auch für Trump um 10 Prozent gestiegen ist. Wo die Lebenserwartung dagegen um mehr als 7 Jahre gestiegen ist, nahm der Anteil der Stimmen für die Demokraten um 3,5 Prozent zu. Daraus ließe sich ableiten, dass die konservativen Republikaner für diejenigen interessanter sind, die von der Zukunft wenig erwarten, weil sie mit einer schwierigen Gegenwart konfrontiert sind und daher vielleicht lieber das erhalten wollen, was jetzt ist, auch wenn es nicht so erfreulich ist.
Lebenserwartung und politische Einstellung
Die Lebenserwartung ist ein Indiz dafür, wie gut die medizinische Versorgung und die übrigen Lebens- und Arbeitsbedingungen sind. Die Menschen in den Counties mit einem unterdurchschnittlichen Anstieg der Lebenserwartung dürften ärmer sein, hier wird es auch ökonomisch schwierig sein. Das würde mit den bisherigen Analysen des Wahlverhaltens übereinstimmen, nach denen die "Abgehängten" und "Loser" den Erfolg von Trump ermöglichten oder das Scheitern von Clinton bedingten.
In den USA ist dies bei dem faktischen Zwei-Parteien-System einfach festzustellen, es wäre interessant, ob es auch in Deutschland einen ähnlichen Trend gibt, also ob auch hier die Benachteiligten die Union bzw. die AfD bevorzugen, weil sie vermeintlichen Schutz vor weiteren unliebsamen Veränderungen bieten.
Die Veränderung der Lebenserwartung soll in den Counties statistisch auch auf die Wahlbeteiligung durchgeschlagen haben. Wo die Lebenserwartung gestiegen war, stieg auch die Wahlbeteiligung. Und wo die Lebenserwartung gesunken ist, ging auch die Wahlbeteiligung zurück. Hier haben die Menschen dann mehrheitlich für Trump bzw. die Republikaner gestimmt, wenn sie sich überhaupt an den Wahlen beteiligt haben.
Zwischen 2008 und 2016 verloren die Republikaner 67.000 Stimmen in den Counties, in denen die Lebenserwartung überdurchschnittlich gestiegen ist, während sie 3,1 Millionen Stimmen in den Counties mit einem unterdurchschnittlichen Anstieg der Lebenserwartung dazu gewannen. Umgekehrt wirkte sich die Veränderung auf die Demokraten aus. Wo die Lebenserwartung überdurchschnittlich stieg, gewannen sie 1,4 Millionen Stimmen hinzu, verloren aber 5 Millionen Stimmen in den Counties mit unterdurchschnittlicher Lebenserwartung, d.h. hier erzielten die Demokraten um 14 Prozent weniger Stimmen.
Sollten die Ergebnisse der Studie zutreffen, wäre die Frage, warum Menschen ausgerechnet jene wählen, die staatliche Hilfen für die Ärmeren wie für die Krankenversicherung, die Lebensmittelhilfe oder Mietzuschüsse kürzen wollen? Das würde ihre Lebenserwartung noch einmal senken und wäre eher suizidal, auf jeden Fall kaum rational.
Bor hält als Ergebnis seiner Untersuchung fest, dass Einwohner von Gemeinden, in denen die Lebenserwartung kaum oder nicht angestiegen ist, im Wahlkampf 2016 die Demokratische Partei nicht mehr unterstützen: "Seit sie an der Macht ist, hat die Trump-Regierung Kürzungen der Krankenversicherung für die Armen, von Sozialprogrammen, der Gesundheitsforschung und beim Schutz der Umwelt und der Arbeit vorgeschlagen, die entscheidende Faktoren der Gesundheit der Bevölkerung sind. Unterschiede im Gesundheitszustand werden sich ohne öffentliche Investitionen in die Gesundheit der Menschen vergrößern."