Trump nimmt als erster Präsident am March of Life gegen Abtreibung teil

In einer grotesken Inszenierung ließ Donald Trump von evangelikalen Priestern feiern, die auch die einen Tag zuvor erfolgte Ermordung Soleimanis feierten. Bild: C-Span

Im Wahlkampf und Impeachment-Verfahren sucht Trump seine evangelikale Wählerschaft hinter sich zu halten, Anfang Januar wurde er bereits in einer grotesken Veranstaltung von Priestern gefeiert

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Mit dem Recht auf Leben nimmt es US-Präsident Trump nicht so genau. Er rüstet nicht nur das Militär hoch, auch mit den neuen Atomwaffen, droht mit militärischen Angriffen oder bombardiert auch schon mal Stellungen oder lässt Gegner durch Routine-Drohnenanschläge oder prominente Böse wie Soleimani oder al-Baghdadi durch spektakuläre Angriffe ermorden. Das Recht auf Überleben kommender Generationen durch Umwelt- und Klimaschutz zu sichern, findet Trump aus kurzfristigen politischen und wirtschaftlichen Interessen nur hinderlich oder "destruktiv".

Gerade hat seine Regierung wieder beschlossen, den vom Obama durchgesetzten Schutz für Flüsse, Nassgebiete und andere Gewässer aufzuheben. Schon an die 100 Umweltschutzmaßnahmen wurden unter Trump wieder zurückgenommen oder geschwächt, um der Wirtschaft möglichst ungehindert die Ressourcen ausbeuten und die Umwelt schädigen zu lassen. Das soll ihn, die US-Wirtschaft und Amerika groß machen.

Die Bewahrung der göttlichen Schöpfung spielt da keine Rolle, zumal die Christen auf Auferstehung und das Weltende durch Apokalypse setzen. Warum also den natürlichen Lebensraum bewahren? Vielleicht beschleunigt man so auch nur gottgefällig das Ende der Welt. Christlich gibt sich aber Trump, wenn es um den Schutz des ungeborenen Lebens geht. Trump ist im Wahlkampfmodus und gerade läuft im Senat das Impeachment-Verfahren, da sieht er offenbar eine gute Gelegenheit, sich bei den evangelikalen Amerikanern, denen sein Vizepräsident Mike Pence angehört, einzuschmeicheln, die in der Regel prokapitalistisch-rechtskonservativ sind, die Republikaner wählen, an der überkommenen Sexualmoral festhalten und eine aggressive Militär- und Sicherheitspolitik stützen.

Mike Pence trat als erster amtierender Vizepräsident auf dem March of Life 2017 auf. Bild: James McNellis/CC BY-SA-2.0

Die christlichen, missionsfreudigen und dem Geld nicht abgeneigten Fundamentalisten, die sich auch in Lateinamerika verbreiten und dabei wie in Brasilien oder Bolivien ein enges Bündnis mit rechter Politik eingehen, veranstalten heute wieder ihren 47. March of Life mit der March for Life App gegen Abtreibung als der angeblich schwersten Menschenrechtsverletzung. 2017 hatte Mike Pence als erster Vizepräsident dort eine Rede gehalten, 2018 und 2019 nahm Donald Trump mit einer Video-Grußbotschaft als erster Präsident teil - und heute wird er ebenfalls als erster Präsident eine Rede vor den Demonstranten halten. Er versucht, die Unterstützung der rechten Evangelikalen zu erhalten, ein wichtiger Teil seiner Wählerbasis, was schon bei George W. Bush so gewesen ist, und sich als den Präsidenten auszugeben, der am stärksten gegen Abtreibung ist und am meisten für die Evangelikalen macht.

Anfang Januar, ein Tag nach der Ermordung von Soleimani, war Trump Gast einiger evangelikaler Prediger in einer Kirche in Miami. Eine bizarre Veranstaltung, bei der die Pro-Life-Prediger die Ermordung von Soleimani feierten, während sich Trump als zutiefst religiöser Mensch inszenierte, der den Glauben und die Familie stärkt, mit der Unterstützung Gottes die Religion verteidigt ("Gott ist mit uns.") und sich fast schon als neuer Messias gibt. Die Show ist alles:

Evangelikale Christen jeder Herkunft und Gläubige aller Glaubensrichtungen hatten niemals und bei weitem nicht einen solchen Champion im Weißen Haus, wie ihr das jetzt habt. Wir haben Dinge gemacht, von denen niemand glaubte, dass sie möglich seien. Zusammen verteidigen wir nicht nur unsere Verfassungsrechte. Wir verteidigen auch die Religion selbst, die sich im Belagerungszustand befindet.

Donald Trump

Vorhergegangen war, dass das wichtige Evangelikalen-Magazin Christianity Today Mitte Dezember in einem Editorial dafür plädierte, dass Trump sein Amt verlieren sollte, weil die Impeachment-Vorwürfe zeigen, dass Trump "zutiefst amoralisch" einen anderen Regierungschef für eigene Wahlkampfinteressen unter Druck gesetzt hat. Moralität sei aus seiner Regierung verschwunden, er selbst habe sich zu amoralischen Handlungen, etwa gegen Frauen, bekannt: "Sein Twitter-Feed alleine mit seinem gewohnten Strang an Falschdarstellungen, Lügen und Beleidigungen ist ein fast perfektes Beispiel für einen Menschen, der moralisch untergegangen und verwirrt ist."

Das war starker Tobak und versetzte die Trump-Mannschaft in Panik. Trump erhielt Unterstützungsbekundungen aus den Reihen der Evangelikalen und berief dann eben schnell das Treffen in der Kirche, um sich inmitten der Prediger zu zeigen, die ihn mit aller gespielten Inbrunst und Ergriffenheit priesen und betatschten, weil er wieder Amerika mit Gott zur größten Nation gemacht hat.

Jetzt also will er sich noch stärker als Abtreibungsgegner profilieren. Kurz vor der Ankündigung hatte die Susan B. Anthony List, eine PAC (political action group) gegen Abtreibung, bekannt gegeben, man spende die Rekordsumme von 52 Millionen US-Dollar für Trump und andere republikanische Kandidaten. Dazu werde man mit Hausbesuchen, Mails, Telefonanrufen und digitalen Werbeschaltungen für Trump bei Unterstützern der Demokraten werben, die vielleicht nicht die "extremen Pro-Abtreibungspolitik" oder den "Abtreibungsradikalismus" der demokratischen Präsidentschaftskandidaten kennen. Da musste sich Trump wohl erkenntlich zeigen. Jeanne Mancini, Präsidentin von March for Life, lobte Trump, dass er Richter, die Abtreibungsgegner sind, berufen und Gelder für Abtreibungen zusammengestrichen hat.

Prüde USA

Gerade hat die Richterin Kara Pettit in Utah die Klage der Staatsanwaltschaft nach dem Unzüchtigkeitsgesetz des Bundesstaats aufrechterhalten. Bestraft werden danach sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit von Personen über 14 Jahren, auch wenn dies nur bedeutet, dass sie die Brüste oder den Hintern entblößen.

Tilli Buchanan wird in dem Mormonen-Staat vorgeworfen, sich in der Garage zusammen mit ihrem Mann mit nackten Oberkörper aufgehalten haben, als sie mit Gipsplatten arbeiteten. Die drei 9-13-jährigen Kinder des Mannes hätten dann die entblößten Brüste gesehen und sie gefragt, warum sie sich entblößt hat. Darauf hatte sie den Stiefkindern geantwortet, wenn das ihr Mann könne, könne sie das auch. Wohlgemerkt noch nicht mal in der Öffentlichkeit, sondern im eigenen Haus.

Die Mutter der Kinder zeigte darauf die Frau, aber nicht ihren früheren Mann bei der Kinderfürsorge an, was schließlich die Staatsanwaltschaft zur Klage veranlasste. Nach der Richterin kann nun Buchanan weiter in drei Fällen der Unzüchtigkeit mit Kindern angeklagt werden, was mit einer Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr und bis zu 10 Jahren auf der Liste der Sexualstraftäter bestraft werden kann. Die Richterin hatte den Einwand zurückgewiesen, dass der Passus, nach dem das Zeigen der weiblichen Brust bis unterhalb der Brustwarze gegen die Verfassung verstoße. Die Richterin argumentierte, dass der Staat "ein wichtiges Interesse daran hat, die Gesetze durchzusetzen, die die Gesundheit, die Sicherheit, das Wohlergehen und die Moralität von Kindern schützt und verhindert, dass man sie der Unzüchtigkeit aussetzt."

Die Anwälte von Buchanan, die von der Bürgerrechtsorganisation ACLU unterstützt wird, wollen Einspruch gegen das Urteil einlegen, weil damit Frauen es im Unterschied zu Männern verboten sei, mit entblößter Brust herumzugehen, dürften aber damit wenig Erfolg haben. Nachdem Trump auch das Oberste Gericht mit konservativen Richtern besetzte, hat dieses gerade entschieden, einen Einspruch von drei Frauen nicht zu verhandeln, die in New Hampshire verurteilt wurden, weil sie ihre Brüste in der Öffentlichkeit an einem Strand entblößt hatten. Es war einer von vielen "Free the Nipple"-Fällen, einer seit 2012 laufenden Kampagne, die dafür kämpft, dass sich Frauen ebenso wie Männer mit nackten Oberkörper in der Öffentlichkeit zeigen können. Das Zeigen der weiblichen Brustwarzen scheint in God's own Country im Unterschied zu denen der Männer gefährlich zu sein, das Tragen von tödlichen Schusswaffen in der Öffentlichkeit jedoch nicht.