Trump verschiebt Gesundheitsreform auf nächste Legislaturperiode
Pelosi hofft auf Wahlkampfthema
US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, sich erst nach den Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2020 um einen Umbau des Gesundheitsversorgungssystems zu kümmern. Dann, so Trump, gebe es dafür hoffentlich Mehrheiten in beiden Kongresskammern, die ihm während seiner ersten Amtszeit fehlten. Damit widersprach er Medieninterpretationen, die aus seinem letzte Woche abgesetzten Tweet, die Republikaner würden "die Partei der Gesundheitsversorgung", den Schluss zogen, er wolle das Thema umgehend angehen.
Hätte er das gemacht, wäre es auf einen Schaukampf im Kongress hinausgelaufen: Denn dort haben im Repräsentantenhaus seit Januar die Demokraten eine Mehrheit - und im Senat reichte die republikanische Mehrheit beim ersten Versuch 2017 nicht für eine Mehrheit zum vorher im (damals noch republikanisch dominierten) Repräsentantenhaus geschmiedeten Reformentwurf. Der demokratischen Repräsentantenhaussprecherin Nancy Pelosi wäre so ein Schaukampf der Einschätzung der New York Times nach wahrscheinlich nicht ungelegen gekommen: Mit ihm hätten die Demokraten nach dem Scheitern ihrer jahrelangen Versuche, Trump ungenehmigte Russlandkontakte nachzuweisen, ein Thema, mit dem sich potenziell Mehrheiten gewinnen lassen.
Ersatzloser Wegfall würde gesundheitspolitische Ziele gefährden
Dass Trump vor der Wahl 2020 keinen erneuten Anlauf für einen Reformversuch unternehmen will, muss aber nicht heißen, dass die Gesundheit kein Wahlkampfthema wird. Ob es das wird, hängt unter anderem vom Obersten Gerichtshof in Washington ab: Der wird voraussichtlich über ein Urteil des texanischen Supreme Courts entscheiden, der Obamas Affordable Care Act (ACA) für verfassungswidrig erklärte. Kommen die Washingtoner Höchstrichter noch vor dem November 2020 zum selben Ergebnis, könnten sie Trump und die Republikaner in Schwierigkeiten bringen:
Fiele Obamacare ersatzlos weg, würde das nämlich auch gesundheitspolitische Ziele der Trump-Administration gefährden, die Politico aufzählt: Zum Beispiel das Ziel, die Ausbreitung des Aids-Virus HIV unter Kontrolle zu bringen. Hier bringen Krankenversicherungen, die einen größeren Teil der Bevölkerung abdecken (ähnlich wie Impfungen) nicht nur individuelle Vorteile, sondern auch einen besseren Schutz für alle.
Können HIV-Infizierte wegen ihrer Vorerkrankung von Krankenversicherungen abgelehnt werden, haben sie oft große Schwierigkeiten, an die Medikamente zu kommen, die die Vermehrung des Virus im Zaum halten. Dadurch erhöht sich indirekt auch die Ansteckungsgefahr für andere Menschen. Hinzu kommt, dass nicht Krankenversicherte Arztbesuche selbst dann vermeiden, wenn es ihnen schlecht geht. Auf diese Weise wird eine HIV-Infektion bei ihnen oft erst sehr spät diagnostiziert - und erst nachdem sie über einen längeren Zeitraum hinweg unwissentlich andere angesteckt haben.
Vor solchen Folgen warnt unter anderem Carl Schmid, der den Präsidenten bei der AIDS-Eindämmung berät. Scott Gottlieb, der zurückgetretene Chef der Lebens- und Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA, glaubt zudem, dass ein plötzliches Ende von Obamacare auch Trumps Bemühungen zuwider läuft, die (in den USA im Vergleich zu anderen Ländern oft extrem hohen) Arzneimittelpreise zu senken, weil dann weniger Generika zugelassen werden (vgl. Schnellere Zulassung und niedrigere Preise).
Auch abhängig vom demokratischen Präsidentschaftskandidaten
Anders als für viele andere Republikaner ist die möglichst schnelle Abschaffung von Obamacare für Trump anscheinend keine Herzensangelegenheit - immerhin sprach er sich in den Nuller Jahren für eine Einheitskrankenversicherung nach kanadischem Vorbild aus und lobte noch im Wahlkampf 2016 den schottischen NHS. Andererseits kämpft das Obamacare-System mit stark steigenden Beiträgen, die eine Reform mittelfristig unumgänglich machen könnten (vgl. USA: Krankenversicherungsbeiträge steigen um bis zu 25 Prozent). Diese stark steigenden Beiträge bewegen gesündere Amerikaner nämlich dazu, auf eine Krankenversicherung zu verzichten - was die Beiträge für den Rest weiter ansteigen lässt.
Ob die Gesundheitspolitik ein Wahlkampfthema wird, hängt aber auch davon ab, wer es in den Vorwahlen der Demokraten diesmal zum Präsidentschaftskandidaten schafft. Ein Teil der Bewerber scheint eher auf einen "Green New Deal" und andere "Woke"-Themen zu setzen. Die größten Chancen, ins Zentrum zu rücken, dürfte die Gesundheitspolitik mit dem bei den Vorwahlen 2016 zweitplatzierten Senators Bernie Sanders haben: Er legte bereits einen eigenen Plan für ein Obamacare-Ersatzgesetz vor (vgl. Bernie Sanders bringt Entwurf für allgemeine Krankenversicherung ein).
Dieser Plan sieht den Aufbau einer steuerfinanzierten öffentlichen Einheitskrankenversicherung vor. Der Vorteil so eines Systems ist Sanders' Ansicht nach nicht nur, dass es potenziell Leben rettet und Leiden verringern, sondern auch, dass es Amerikanern viel Stress und Bürokratie erspart, weil es viel einfacher ist als das bisherige. "Ich glaube", so den Senator, "dass es das amerikanische Volk satthat, Formulare auszufüllen" und sich damit herumzuärgern, was nach einer Einkommensveränderung noch oder nicht mehr bezahlt wird. Einfache Amerikaner wollen sich seiner Ansicht nach nicht mit Versicherungsangestellten über Leistungen streiten, von denen sie selbst glauben, dass sie in ihren Verträgen enthalten sind. Und sie wollen sich auch nicht mehr mit Ärzten über solche Fragen streiten, die es seiner Meinung nach selbst müde sind, sehr viel Zeit für solche Probleme aufzuwenden.
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